Patrik Gisel, CEO von Raiffeisen, spricht im FuW-Interview über die Strafanzeige gegen seinen Ex-Chef und über die eigene Verantwortung.
Patrik Gisel hat Ex-Chef und Ziehvater Pierin Vincenz angezeigt, hat die Finanzmarktaufsicht im Haus und dazu noch eine Grippe. Die Präsentation des Rekordgeschäftsjahres von Raiffeisen am Freitag hat sich der Bank-CEO anders vorgestellt. Im FuW-Interview nimmt er Stellung zum Strafverfahren gegen seinen Vorgänger und zur eigenen Verantwortung als dessen ehemalige Nummer zwei.
Herr Gisel, Sie haben gegen Ihren ehemaligen Chef Pierin Vincenz Strafanzeige gestellt. Was werfen Sie ihm vor?
Den Verdacht kennen wir aus der Editionsverfügung der Staatsanwaltschaft. Es geht offensichtlich um verdeckte Treuhandgeschäfte von Pierin Vincenz. Es wird klar impliziert, dass verdeckte Treuhandverhältnisse bestanden, bei Unternehmen, die später von Raiffeisen übernommen wurden.
Es geht um die Raiffeisen-Beteiligung Investnet und um Beteiligungen von Aduno, deren grösste Aktionärin Raiffeisen ist. Mehrere Male haben Sie selbst den Sachverhalt geprüft, und Sie sind auf nichts Fragwürdiges gestossen?
Wir hatten Informationen über ein Treuhandverhältnis bei Investnet, dessen Inhalt uns aber nicht offenlag. Uns wurde damals allerdings gesagt, dabei handle es sich um eine Person, die Aktien von Investnet halte, die aber nicht mit Raiffeisen verbunden sei.
Nichts deutete auf ein strafbares Verhalten von Herrn Vincenz hin?
Nein, Herr Vincenz war dabei niemals Thema.
Aduno hat nach ihrer Untersuchung unmittelbar Anzeige erstattet. Sie sind die grösste Aktionärin Adunos, haben mit Michael Auer einen Vertreter im Verwaltungsrat und haben nichts davon gewusst?
Wir hatten keine Einsicht, weil während dieses Geschäfts unser Verwaltungsrat Michael Auer in den Ausstand getreten ist.
Warum?
Michael Auer war als Organ von Raiffeisen Schweiz im Zuge des laufenden Finma-Verfahrens in den Ausstand getreten. In diesem Fall gehört es zum professionellen Verhalten, in den Ausstand zu treten, um damit jeglichem Interessenkonflikt aus dem Weg zu gehen.
Findet denn nun erneut eine externe Untersuchung bei Raiffeisen statt, werden Sie die Ära Vincenz aufarbeiten?
Ich schliesse nicht aus, dass wir nochmal in den Fall hineingehen und abklären, ob es weitere Verdachtsmomente gibt. Der Ball liegt jetzt aber klar bei der Staatsanwaltschaft.
Könnten weitere Verdachtsmomente auftauchen?
Das können wir leider nicht ausschliessen. Ich verspreche eine lückenlose Aufklärung und volle Transparenz, sollten sich weitere Verdachtsmomente abzeichnen.
Sie werden also aufklären, ob der Bank und ihren Genossenschaftern Schaden entstanden ist?
Das werden wir und die Staatsanwaltschaft untersuchen. Neben der Strafanzeige behalten wir uns natürlich auch zivilrechtliche Schritte vor.
Sind Sie denn überhaupt der richtige Mann für diese Aufklärung? Sie waren jahrelang Vincenz’ Nummer zwei und zudem Verwaltungsratspräsident der fraglichen Investnet. Sie hätten doch über alles im Bilde sein müssen.
Die Frage ist gerechtfertigt. Wir prüfen jetzt, wie wir die weiteren Abklärungen aufsetzen. Ich hatte übrigens bei keiner der bisherigen Untersuchungen die führende Rolle.
Sie sind sich keiner Schuld bewusst?
Wir hatten in den vergangenen Jahren immer wasserdichte Vertragswerke und wasserdichte Preisvorstellungen. Alles wurde immer extern geprüft und für rechtens befunden. Dabei ist nie auch nur ein Indiz für strafrechtlich Relevantes aufgetaucht. Sonst hätten wir anders reagiert.
Sie wollen die Beteiligung an der fraglichen Investnet an die Minderheitsaktionäre zurückgeben. Könnte im Endeffekt Raiffeisen an den Minderheitsaktionär Vincenz noch Geld zahlen?
Wir analysieren jetzt, wie wir die Entflechtung vornehmen. Das staatsanwaltschaftliche Verfahren wird darauf Einfluss haben. Die Frage ist, ob das ganze Vertragswerk mit den Minderheitsaktionären von Investnet überhaupt gültig ist. Schliesslich kannten wir die Details des dahinterstehenden Treuhandkonstrukts nicht.
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