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14:50 Uhr - 12.10.2015

Je kleiner der Anleger, desto komplexer das Depot

Warum Grossinvestoren einfache und kosteneffiziente Anlagelösungen bevorzugen.

zoomPrivatanleger halten im Gegensatz zu professionellen Anlegern häufig komplexe und wenig liquide Finanzinstrumente in ihren Portfolios. Das überrascht insofern, als die Kosten umso höher sind, je komplexer das Instrument ist. In einer Studie des Swiss Finance Instituts (SFI) wurden die Kosten von über 7000 strukturierten Produkten ermittelt. Die niedrigsten Gebühren hatten Zertifikate auf einen Marktindex, die höchsten Discount-Zertifikate und Barrier Reverse Convertibles. Da es im gegenwärtigen Tiefzinsumfeld sehr schwierig ist, die Kostennachteile teurerer Produkte durch einen besseren Anlageertrag zu kompensieren, resultiert der Einsatz teurer Produkte oft in einer schlechteren Rendite.

Angesichts der höheren Margen in den komplexen Produkten ist es nicht erstaunlich, dass diese besonders oft in den Depots auftauchen, wenn der Vermögensverwalter an ihnen mitverdient. Da solche Anlagen oft schlecht transferierbar sind und der Sekundärmarkt illiquide ist, kann der Anleger zudem seine Bank beziehungsweise seinen Vermögensverwalter kaum mehr wechseln. Die Nachfrage nach komplexen Produkten kommt aber auch von den Anlegern selbst. Hohe Couponzahlungen im aktuellen Niedrigzinsumfeld oder Kapitalschutz angesichts volatiler Aktienmärkte entsprechen den Bedürfnissen der Anleger.

Was häufig übersehen wird

Komplexe Produkte decken diese Bedürfnisse ab. Die genauen Anlageeigenschaften sind jedoch den wenigsten bekannt. Die Produktvielfalt macht es zudem den Privatanlegern nicht einfach. Einige der am Markt erhältlichen Finanzprodukte sind selbst für erfahrene Anleger erst nach intensiver Analyse und Prüfung zu verstehen. Ein häufiger Anlagefehler ist es beispielsweise, die negative Diversifikation bei Barrier Reverse Convertibles zu übersehen: Je mehr Aktien als Basiswerte dienen, desto grösser ist das Verlustpotenzial.

zoomDie Portfolios von professionellen Anlegern wie Pensionskassen oder Versicherungen unterscheiden sich in einem zentralen Punkt von den Privatportfolios: Professionelle Anleger suchen viel häufiger einfache und kosteneffiziente Anlagelösungen. Gemäss der BSV Studie «Vermögensverwaltungskosten in der 2. Säule» aus dem Jahr 2011, ergibt sich hochgerechnet auf alle Vorsorgeeinrichtungen ein Durchschnitt der Vermögensverwaltungskosten von 0,56%. Ein offensichtlicher Grund liegt in der gesetzlichen Pflicht für Pensionskassen, ihre Anlagen sowie deren Chancen und Risiken zu verstehen (Art. 53 BVV2).

Komplexe und intransparente Produkte finden daher viel seltener den Weg in ein institutionelles Portfolio. Mit zunehmendem Fachwissen steigt aber offenbar auch die Einsicht, dass mehr Komplexität und höhere Kosten nicht zwingend zu besseren Anlageresultaten führen. An diesem Grundsatz der professionellen Anleger sollten sich auch Privatanleger orientieren: Sie sollten nur in Finanzinstrumente investieren, deren Anlageeigenschaften sie verstehen.

Auch wenn sich Anleger gut beraten fühlen – letztlich trägt jeder Investor die Verluste selbst und ist deshalb auch selbst dafür verantwortlich, was sich in seinem Depot befindet. Es ist meistens zielführender, auf eine Anlage zu verzichten, wenn man deren Funktionsweise nicht kennt, als einem Modetrend mit möglicherweise gemischten Gefühlen hinterherzulaufen.

Für den Unterschied zwischen Portfolios privater und institutioneller Anleger besteht noch ein weiterer Grund. Für den Anlageerfolg ist die Wahl des richtigen Produkts oder des richtigen Vermögensverwalters nur von untergeordneter Bedeutung. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass der Anlageerfolg langfristig zu 80 bis 90% durch die Anlagestrategie bestimmt wird, also dem langfristig festgelegten Anteil an Obligationen, Aktien und Immobilien etc.

Strategie steht über allem

Professionelle Anleger haben erkannt, wie wichtig ihre Anlagestrategie ist und wenden deutlich mehr Zeit für die Abklärung ihrer Anlageziele, der Risikofähigkeit und der Risikobereitschaft auf als Private. Letztere wählen Produkte häufig für ein bestimmtes kurzfristiges Marktszenario (etwa steigende Zinsen) und weniger aufgrund ihrer langfristigen Anlageeigenschaften aus. Das führt zu häufigeren Portfolioumschichtungen mit entsprechenden Transaktionskosten. Dieses Verhalten kann sich nur bei überdurchschnittlich guter Prognosefähigkeit auszahlen. Institutionelle Anleger wechseln dagegen ihre Anlagestrategie nur selten und brauchen daher eine tiefere Prognosefähigkeit, um trotzdem gut zu sein.

Privatanleger wenden sich den Erkenntnissen aus der institutionellen Vermögensverwaltung allerdings zunehmend zu. Sie verlangen immer häufiger nach einfachen, für sie verständlichen Portfolios, niedrigeren Gebühren und einer auf sie zugeschnittenen Anlagestrategie, die langfristig – auch in Krisenzeiten – durchgehalten werden kann. Somit besteht eine berechtigte Hoffnung, dass sich die Komplexität der Portfolios von Privatanlegern reduziert und der Anlageerfolg gleichzeitig verbessern wird.

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