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12:04 Uhr - 23.09.2014

Märkte verlieren Vertrauen in Draghis Inflationspolitik

Die erwartete Teuerung für die Eurozone sinkt erneut – ungeachtet der Tatsache, dass die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik so locker wie nie gestalten will.

zoomWill die Europäische Zentralbank (EZB) wissen, was die Märkte mittelfristig für eine Teuerung erwarten, schaut sie auf Terminkontrakte (Swaps). Was sie anzeigen, muss für EZB-Präsident Mario Draghi enttäuschend sein: Ein Standardmass für die erwartete Inflationsrate notiert seit vergangener Woche erneut unter der Zielmarke der EZB von 2%. Dabei handelt es sich um den 5 Year/5 Year Forward Swap, seine Laufzeit beginnt in fünf Jahren und dauert fünf Jahre.

Die Erwartungen zeigen sich auch im Marktzins deutscher Bundesanleihen: Die Rendite für langlaufende Obligationen bewegt sich in Richtung der Marke von 1%.

Schon Ende August notierten die Inflationserwartungen auf einem Allzeittief von 1,68%. Statt von «im Markt fest verankerten» Inflationserwartungen von über 2%  zu sprechen, musste Draghi beim Notenbankertreffen in Jackson Hole eingestehen, dass die EZB die Teuerungserwartungen nicht mehr stabilisieren konnte. Anfang September gab die EZB dann bekannt, sie plane ein Kaufprogramm für besicherte Anleihen (Covered Bonds) und verbriefte Vermögenswerte (Asset Backed Securities, ABS). Zusätzlich zum neuen Programm der günstigen Finanzierung der Banken (Targeted Longer-Term Refinancing Operations, TLTRO) versprach dies eine deutlich lockerere Geldpolitik. Wie erhofft kletterte der Inflationsswap sodann über die Marke von 2%. Die Abwertung des Euros unterstützte diesen Trend – höhere Importpreise sollten die Teuerung nach oben drücken.

Liquiditätsspritze enttäuscht

Doch vergangene Woche enttäuschte die erste Zuteilung der TLTRO – mit einem Volumen von 82,6 Mrd. € waren Banken nur mässig an der günstigen Liquidität interessiert (Lesen Sie hier mehr). Die TLTRO und der Kauf von ABS sollen nach Draghis Willen die Bilanz der EZB um 2000 Mrd. € vergrössern. Für die Märkte ist diese Absichtserklärung aber nicht genug.

Einerseits ist unklar, ob die angepeilte Verdreifachung der Bilanz tatsächlich genug Schub für die Wirtschaft der Eurozone bieten würde, um einer Deflationsspirale zu entkommen. Andererseits wird die EZB dieses Ziel wohl nur erreichen, wenn sie auch Staatsanleihen kauft – die Nachfrage der Banken nach TLTRO-Mitteln sowie die Märkte für Covered Bonds und ABS sind zu klein, um die Bilanz kurzfristig auf die gewünschte Grösse auszuweiten.

Staatsanleihen noch ein Tabu

Zudem bleibt ungewiss, ob TLTRO tatsächlich das Kreditangebot anstossen kann. Das ähnliche Funding-for-Lending-Programm der Bank of England enttäuschte: Für die Finanzinstitute wurden 40 Mrd. £ bereitgestellt, der Effekt auf die Kreditvergabe war aber vernachlässigbar.

Zusätzlich Staatsanleihen zu kaufen, wird jedoch auf Widerstand treffen – etwa von der Deutschen Bundesbank. In Deutschland könnte solch ein Quantitative-Easing-Programm (QE) als verdeckte Staatsfinanzierung interpretiert werden. Die EZB wird daher die anderen Massnahmen testen, bevor der Tabubruch eines QE für Staatsanleihen angegangen wird. Analysten der Grossbank Mizuho erwarten zudem, dass ein QE zuerst nur Unternehmensanleihen umfassen würde.

zoomFür die Märkte ist das Zögern enttäuschend. In den Augen vieler Beobachter hat die EZB den deflationären Trend in der Eurozone zu lange vernachlässigt. Seit Mitte 2011 schrumpft die EZB-Bilanz stetig – durch die Rückzahlung des Finanzierungstenders LTRO. Gleichzeitig ist die Inflationsrate zurückgegangen – im Juli und August lag sie bei nur noch 0,4%. Niedriger war die Teuerung zuletzt im Oktober 2009.

Neben der Frustration über die Langsamkeit der EZB sehen Analysten von Nomura aber eine noch beunruhigendere Möglichkeit: Draghi könnte vom Markt die Potenz aberkannt worden sein, die Inflation per Geldpolitik anzufachen. Für eine konjunkturelle Erholung – das erklärte Mario Draghi schon in Jackson Hole – brauche es fiskalische Programme wie auch strukturelle Reformen, neben der lockeren Geldpolitik. Die Befürchtung von Nomura: Glaubt der Markt nicht mehr an die Rettung durch die EZB, könnte sich die Inflationsspirale schneller nach unten drehen.

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