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11:10 Uhr - 27.03.2015

«Wir bevorzugen CS klar gegenüber UBS»

David Herro, CIO internationale Aktien von Harris Associates, begrüsst den Managementwechsel bei Credit Suisse und fordert mehr Klarheit zur Holcim-Fusion.

Zur PersonDavid Herro mag ein spitzbübisches Lächeln haben. Wenn es aber um clevere Investments geht, zählt er zu den alten Hasen. Als Chief Investment Officer für internationale Aktien von Harris Associates bewirtschaftet er seit 1992 den Oakmark International Fund. Mit einer jährlichen Durchschnittsperformance von über 10,5% zählt dieser zu den absolut Besten seiner Kategorie. Das gilt auch für den Small Cap Fund, den er seit 1995 betreut. Im Segment internationale Aktien hat Morningstar ihn dafür als Fondsmanager des Jahrzehnts ausgezeichnet.Grossaktionäre aus den USA sind in der Regel tief verschwiegen und äussern sich nur selten zu Engagements in der Schweiz. Überraschend offen ist David Herro. Der erfolgreiche Value-Investor aus Chicago, der unterbewertete Aktien mit viel Kurspotenzial aufspürt und dem renommiertem Roundtable des Anlegermagazins «Barron’s» angehört, sagt klipp und klar, was er denkt. In Diensten des Vermögensverwalters Harris Associates betreut er mehrere Aktienfonds, die über 30 Mrd. $ an Kundengeldern zählen und Positionen an Schweizer Konzernen wie Credit Suisse (CSGN 25.91 0.74%), Richemont (CFR 79.65 0.06%), Julius Bär (BAER 49.73 0.04%) und Sulzer (SUN 106.7 -0.28%) halten. Herro kritisiert scharf, was sich bei Sika (SIK 3475 -0.74%) abspielt, und will der Elefantenhochzeit von Holcim (HOLN 73.05 -0.48%) und Lafarge (LG 61.15 -1.32%) erst zustimmen, wenn er mehr über die künftige Konzernleitung weiss. Dem neuen Management von Gategroup (GATE 33.3 0.3%) will er derweil eine Chance geben.

Herr Herro, Sie sind nicht nur als Value-Investor bekannt, sondern gelten auch als grosser Fan des Football-Teams Green Bay Packers. Sehen Sie Parallelen zwischen Investieren und Sport?
In beiden Bereichen ist alles in Bewegung. Man muss ständig mehrere Faktoren im Auge behalten und darauf fokussieren, was wirklich wichtig ist. Wenn im Football ein Spieler seine Arbeit nicht richtig macht, kann daraus ein Desaster resultieren – speziell bei einem Schlüsselspieler. Ebenso kann der Kurs einer Aktie einbrechen, wenn wir nicht aufpassen. Im Football geht es darum, am meisten Punkte zu machen. Mein Ziel als Value-Investor ist, ein Unternehmen richtig zu analysieren und zu bewerten. Wie im Sport braucht es dabei viel Disziplin und Entschlusskraft, auch unter Druck nach seiner Überzeugung zu handeln. Für viele Investoren ist das jedoch ein erhebliches Problem.

Warum?
Sie wollen sich nicht von der Masse abheben. Das Resultat ist eine nur durchschnittliche oder schwache Performance. Hinzu kommt ein Zielkonflikt zwischen kurzfristigen und langfristigen Ergebnissen: Wer versucht, den Markt jeden Tag, jede Woche oder jedes Quartal zu übertreffen, wird ihn über fünf, zehn oder zwanzig Jahre nicht schlagen. Ich will aber auf lange Sicht bessere Resultate erzielen als der Markt. Dazu versuche ich, den inneren Wert eines Unternehmens korrekt zu bestimmen, und der hängt vereinfacht gesagt davon ab, wie viel Cash es sich über die Zeit hinweg erarbeiten kann.

Ihre Engagements konzentrieren sich vor allem auf Europa und speziell auf die Schweiz. Weshalb?
In Europa sind Aktien derzeit am attraktivsten bewertet. Das, weil die meisten Investoren zwei Fehler machen: Erstens betrachten sie Europa als einheitlichen Block. Das ist jedoch weit von der Realität entfernt, kann man sich zum Beispiel doch kaum zwei gegensätzlichere Länder vorstellen als Deutschland und Griechenland. Zweitens wird oft angenommen, dass eine Gesellschaft ihr Geld dort verdient, wo sie kotiert ist. Gerade im Fall von Nestlé (NESN 73.3 0.14%), Richemont oder Adecco (ADEN 79.3 0.44%) stimmt das jedoch überhaupt nicht. Das sind globale Konzerne, die ihren Cashflow in der ganzen Welt erwirtschaften.

Zu den grösseren Positionen in Ihrem Portfolio gehört der Zementriese Holcim. Was halten Sie vom neuen Angebot zur Fusion mit Lafarge?
Die neue Lösung ist ein enormer Fortschritt, aber nicht perfekt. Solange nicht klar ist, wer der neue CEO des künftigen Unternehmens wird, bleibt eine zentrale Frage offen. Bevor wir über die Transaktion entscheiden, wollen wir deshalb zuerst wissen, wer für diesen Posten vorgeschlagen wird. Diese Frage muss möglichst bald geklärt werden.

Was muss der CEO denn für Qualitäten einbringen?
Wenn die Integration reibungslos klappt und der Konzern umsichtig geführt wird, ist das eine sehr attraktive Transaktion, die Wert für die Aktionäre schafft. Es braucht daher jemanden, der operativ erfahren ist und sich bei der Integration von Akquisitionen gut auskennt. Das Zementgeschäft ist zudem sehr kapitalintensiv. Der neue CEO muss deshalb fähig sein, das bestehende Kapital besser einzusetzen. Glücklicherweise wurde die anfängliche Wahl für den Posten inzwischen aufgegeben, denn das Management von Lafarge hat diese Fähigkeiten nicht demonstriert.

Was genau verstehen Sie unter dem Begriff «Wert»?
Nach dem klassischen Value-Ansatz erfüllt eine unterbewertete Aktie gewisse quantitative Kriterien, etwa eine hohe Dividendenrendite, ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis, und die Bilanz der Gesellschaft muss solid sein. Diese Indikatoren messen aber nur den Preis einer Aktie und machen lediglich die Hälfte unseres Ansatzes aus. Ebenso wichtig ist für uns, was wir für unser Geld erhalten. Für einen Konzern wie Richemont, der mit der Luxusmarke Cartier alles richtig macht, sind wir beispielsweise bereit, mehr zu zahlen als für einen Hersteller von Nägeln. Entsprechend wichtig sind uns qualitative Faktoren wie die Rentabilität eines Unternehmens oder die Fähigkeit des Managements, Kapital optimal einzusetzen.

Letzteres ist gerade im Finanzsektor ein zentrales Thema. Was halten Sie vom Managementwechsel bei Credit Suisse, deren Aktien die grösste Position im Oakmark International Fund ausmachen?
Brady Dougan hat als CEO sehr gute Arbeit geleistet und wurde etwas unterschätzt. Er hat das Kapital bewahrt und Credit Suisse souverän durch die Finanzkrise gesteuert. Nach acht Jahren im Amt ist es nun wohl aber Zeit für frische Kräfte. Was wir bis jetzt über Tidjane Thiam gelesen und von Leuten gehört haben, die ihn kennen, spricht dafür, dass er eine hervorragende Wahl als neuer CEO ist.

Was gefällt Ihnen an Credit Suisse so gut?
Die Story ist simpel: Credit Suisse ist eine Kombination aus zwei Teilen – dem Private Banking, das im mittleren bis oberen einstelligen Prozentbereich wächst, und dem Investment Banking, das ebenfalls anständiges Wachstum verzeichnen sollte. Daraus ergibt sich die Sicherheit einer Privatbank kombiniert mit einer Investmentbank, die seit der Krise im Jahr 2000 relativ gut geführt wird. Dennoch sind die Aktien zum Kurs-Buchwert-Verhältnis von weniger als 1 und zu einem bereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnis im mittleren einstelligen Bereich sehr günstig bewertet.

Was sich im Inneren einer Grossbank wie Credit Suisse genau abspielt, lässt sich jedoch kaum sagen. Stört Sie das nicht?
Genau das kann man in der Bewertung berücksichtigen. Eine Bank mit einer Eigenkapitalrendite von 20% beispielsweise wurde vor der Finanzkrise zum Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,5 bis 2 bewertet. Heute beträgt es 1 oder weniger. Der Markt zahlt also weniger, als die Aktien theoretisch wert wären. Das spiegelt das Risiko, dass plötzlich etwas in die Luft fliegen könnte, wie das UBS (UBSG 18.3 0.16%) passiert ist.

UBS wird heute aber als sicherere Bank betrachtet als Credit Suisse.
Das ist Unsinn und mehr äussere Wahrnehmung als Realität. Trotz der enormen Prämie an der Börse von 50% verglichen mit Credit Suisse rutscht UBS auf einer Bananenschale nach der anderen aus. Zum aktuellen Kurs bevorzugen wir deshalb klar CS gegenüber UBS.

Und was ist so attraktiv an Julius Bär, der grössten Position im Oakmark International Small Cap Fund?
Als wir erstmals in Julius Bär investierten, unterhielt die Gesellschaft noch ein Brokergeschäft, ein Investment Banking und eine Aktienstruktur mit zwei Klassen. Die Familie Bär hat seither die richtigen Massnahmen getroffen, die Aktienstruktur vereinfacht und gründlich aufgeräumt. Das wird vom Markt teilweise honoriert. Als reine Privatbank sollte Julius Bär aber noch höher bewertet werden.

Manchmal ist es aber auch gerechtfertigt, wenn eine Aktie zu einem Abschlag handelt. Wie meiden Sie Bewertungsfallen?
Der Schlüssel dazu ist, nicht in ein Unternehmen zu investieren, dessen Management systematisch oder versehentlich Wert vernichtet. Selbstverständlich ist es kurzfristig nicht immer möglich, den Wert zu steigern, zum Beispiel in einer Rezession oder in einem zyklischen Tief, wie der Landmaschinenbauer CNH Industrial es im Agrarsektor durchmacht. In solchen Fällen scheue ich mich nicht, eine Position gar auszubauen. Ist die Wertvernichtung aber struktureller Natur, dann ist das unentschuldbar.

Von welche Aktien sollten Investoren also besser die Finger lassen?
Petrobras. Die Titel des brasilianischen Energiekonzerns sind zum Sechsfachen des Gewinns zwar sehr tief bewertet. Das ist aber auch ein Haufen Mist. Das Management ist unfähig, und die Ölreserven sind so weit weg von der Küste entfernt und so tief unter dem Meer, dass die Förderkosten kaum abschätzbar sind. Zudem macht Petrobras mit jedem verkauften Liter Sprit Verlust, weil die Preise staatlich kontrolliert sind. Da nützt es wenig, dass immer mehr Menschen in Brasilien Auto fahren. Hinzu kommen der Korruptionsskandal und der Einfluss der Regierung, die über Zulieferer, über das Management und über die Dividendenpolitik bestimmt.

Wie kommen Sie vor diesem Hintergrund bei Sulzer zurecht, wo der russische Oligarch Victor Vekselberg fast ein Drittel der Aktien kontrolliert?
Die Eigentümerstruktur hat uns zunächst etwas abgeschreckt, aber nicht komplett, zumal unsere Position in Sulzer ja ziemlich gross ist. Sorgen macht uns die faule Bilanz und was Sulzer damit machen wird.

Was bitte ist eine «faule» Bilanz?
Eine Bilanz mit zu viel Barmitteln. Sulzer ist gut aufgestellt und attraktiv positioniert. Wir wollen aber nicht, dass der Konzern seinen Topf voll Gold (Gold 1197.47 -0.49%) für etwas verprasst, das teuer ist und Wert vernichtet. Uns wäre es lieber, wenn Sulzer mehr Geld ausschütten würde. Die Dividendenerhöhung begrüssen wir deshalb. Einem Aktienrückkauf steht angeblich entgegen, dass dadurch der Anteil des Hauptaktionärs steigen würde und er eine Offerte machen müsste. Dagegen lässt sich aber eine Ausnahme beantragen. Wir hoffen, dass Sulzer das macht, weil wir und andere Aktionäre nicht leiden sollten. Eines der schlimmsten Beispiele dafür ist Sika.

Wie stufen Sie dort die Entwicklung ein, nachdem der Verwaltungsrat vor Gericht einen Etappensieg im Kampf gegen den Deal der Gründerfamilie mit der französischen Saint-Gobain (SGO 40.725 0.39%) errungen hat?
Was sich bei Sika abspielt, ist kriminell. Rein juristisch ist die Transaktion natürlich legal, integer ist sie aber nicht. Diese Familie lässt sich von Gier blenden. Alles, was zählt, sind letztlich Name und Ruf – und jetzt wird in Erinnerung bleiben, dass sie das Unternehmen und die Mitaktionäre verraten hat, nur um schnell Kasse zu machen. Mit Blick auf ethische und moralische Geschäftsgrundsätze ist das ein klares Fehlverhalten. Die Familie sollte ihre Position überdenken und die Auswirkungen auf die anderen Stakeholder berücksichtigen: die Mitaktionäre, die Mitarbeitenden und die Kunden.

Dicke Luft herrscht ebenso im Aktionariat von Gategroup. Was halten Sie von Xavier Rossinyol, der Anfang April die Arbeit als CEO aufnimmt?
Wir verfolgen die Situation sehr aufmerksam. Wir haben von beiden Seiten gehört und sind mit der Wahl des VR-Präsidenten für den CEO und den Finanzchef zufrieden. Die Performance von Gategroup hat enttäuscht, weshalb die Veränderungen bereits vor einem oder zwei Jahren nötig gewesen wären. Doch besser spät als nie, heisst es da. Wir wollen dem neuen Management deshalb eine Chance geben.

Harris Associates zählt zu den grössten Aktionären von Gategroup. Wie stufen Sie die von der Gruppe um Rudolf Bohli vorgeschlagenen Änderungen für den VR ein, speziell die Zuwahl des früheren Finanzchefs von Kühne + Nagel (KNIN 144.3 0.49%), Gerard van Kesteren?
Generell haben wir noch keinen Entscheid gefällt. Wir würden Gerard van Kesteren aber nach Kräften unterstützen. Er ist ein herausragender Geschäftsmann, versteht das Unternehmen und kann gut mit Menschen umgehen. Für mich sind er und Adecco-CFO Dominik de Daniel die zwei besten Finanzchefs der Schweiz. Sie haben mittel- und langfristige Ziele im Blick und fällen keine kurzsichtigen Entscheide. Wir wären deshalb sehr zufrieden, wenn Gerard van Kesteren Einsitz im Verwaltungsrat nimmt.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Wie legen Sie privat Ihr Geld an?
Ich investiere den grössten Teil meines Geldes dort, wo ich mich am besten auskenne. Das trifft auf nichts besser zu als unsere Fonds. Immobilien und ähnliche Anlagen ausgenommen, ist mehr als die Hälfte meines flüssigen Vermögens in den Fonds investiert. Ich bin also weniger gut diversifiziert, als ich sein sollte. Auf der anderen Seite habe ich aber bessere Resultate erzielt als ein typischer Investor in unseren Fonds. Das, weil er bei Rückschlägen verkauft und ich dagegen zukaufe. Als unsere Fonds eine eher schwache Phase im letzten August und Anfang dieses Jahres erlebten, habe ich zum Beispiel mein Engagement ausgebaut.

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