Severin Schwan tritt ab. Drei neue VR sollen helfen, den Kulturwandel bei der Grossbank voranzubringen.
Der Fisch stinkt vom Kopf her, heisst ein Sprichwort. Das gilt auch für die Führung von kriselnden Grossunternehmen. Besonders für solche, die Probleme mit ihrer Governance- und Risikokultur haben, wie Credit Suisse (CSGN 7.57 -0.24%). So ist folgerichtig, dass CS-Präsident Axel Lehmann auch im Verwaltungsrat – im obersten Führungsgremium – die Erneuerung sucht. Vizepräsident Severin Schwan sowie die Verwaltungsräte Kai Nargolwala und Juan Colombas werden an der Generalversammlung vom 29. April nicht mehr zur Wahl antreten.
Mit Mirko Bianchi, Keyu Jin und Amanda Norton sollen drei neue Persönlichkeiten für eine Blutauffrischung sorgen. Christian Gellerstad, der seit 2019 im CS-Aufsichtsgremium sitzt, soll als Vizepräsident nachrücken. Der Rücktritt von Severin Schwan kommt wenig überraschend. Er sitzt seit 2014 im Verwaltungsrat und ist besonders in jüngster Zeit wegen zahlreicher Skandale wie Greensill, Archegos oder der Quarantäneverstösse von Ex-CS-Präsident António Horta-Osório unter Druck gekommen. Gemäss einem Bericht der «Financial Times» wollten sich mindestens zwei Grossaktionäre gegen Schwans Wiederwahl aussprechen, wäre er aufgestellt worden.
Mehr als ein Nebenjob
Besonders die Tatsache, dass Schwan auch CEO des Pharmariesen Roche ist, ist bei Investoren Anlass für Kritik. Mit einem anspruchsvollen Hauptjob könne er der kriselnden Credit Suisse zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit widmen. Schwan ist seit 2017 Vize und Lead Independent Director, er amtiert damit nicht nur als Stellvertreter, sondern hätte auch als Gegengewicht zum VR-Präsidenten fungieren sollen – zuerst zu Urs Rohner, dann Horta-Osório, jetzt Lehmann. Zusätzlich ist Schwan Mitglied des Governance and Nomination Committee, das für Ernennung und Vergütung zuständig ist, und des Risk Committee, das das Risikomanagement beaufsichtigt. In beiden Bereichen hat CS in den letzten Jahren eine sehr schlechte Figur gemacht.
So hat die Finma CS wegen des Beschattungsskandals um Iqbal Khan und der Mosambik-Korruptionsaffäre scharf gerügt. Die Regulatoren hatten im Fall der Beschattungen gravierende Führungsmängel und eine Verletzung des Aufsichtsrechts festgestellt. Des Weiteren wurden die Risikomanagementprozesse sowie «erhebliche Mängel in der Corporate Governance» festgestellt. Die Finma sprach gar von einer «unangemessenen Unternehmenskultur». Auch ausländische Regulatoren wie die britische FCA warfen CS mangelnde Sorgfalt und Risikokontrolle vor. Diese Unzulänglichkeiten wie die Grossunfälle Archegos und Greensill haben Schwan – und der gesamte Verwaltungsrat – mitzuverantworten.
Keine bekannten Namen
Der vorgeschlagene Nachfolger von Schwan, Christian Gellerstad, ist wenig bekannt. Er ist ausser als CS-Verwaltungsrat seit 2019 und bei der kotierten Immobiliengesellschaft Investis (IREN 109.00 -0.91%) nicht bei nennenswerten Unternehmen als VR in Erscheinung getreten. Er hat seine Karriere hauptsächlich bei der Genfer Privatbank Pictet gemacht, zuletzt als CEO des Wealth Management. Im CS-Verwaltungsrat sitzt er dem Conduct and Financial Crime Control Committee vor. Es wurde 2019 ins Leben gerufen und befasst sich mit den Risiken um Finanzkriminalität – den heissen Eisen also, von denen es bei CS zahlreiche gibt.
Die drei neuen zur Wahl stehenden Verwaltungsräte haben zwar keine klingenden Namen, aber überaus solide Profile, die CS weiterhelfen können: Amanda «Mandy» Norton, die zuletzt Risikochefin beim US-Bankriesen Wells Fargo (WFC 50.28 -2.33%) war, oder Mirko Bianchi, der von der zweitgrössten italienischen Bank UniCredit (CRIN 9.65 -0.49%) kommt. Er war dort nur ein Jahr Chef der Vermögensverwaltung, aber zuvor vier Jahre lang Finanzchef – er soll dem Audit-Komitee vorstehen. Auch die chinesische Finanzprofessorin Keyu Jin von der LSE (LS4C 85.36 +11.70%) kann eine Bereicherung für das dreizehnköpfige CS-Gremium sein. Sie bringt zwar keine direkte Erfahrung aus der Bankindustrie mit, sitzt aber im Verwaltungsrat des Luxuskonzerns Richemont (CFR 116.15 -2.07%).
Verbindungen gekappt
Mit Kai Nargolwala geht ein erfahrener Banker aus dem Gremium, der seit 2013 dabei ist, alle Tiefen der Rohner-Ära mitzuverantworten hat und sich in seiner operativen Zeit als Chef der Asien-Pazifik-Region (2008 bis 2010) einen Namen für Salärexzesse gemacht hat. Juan Colombas wiederum ist erst 2021 in den CS-VR berufen worden und ist ein Weggefährte des geschassten Horta-Osório bei der britischen Lloyds. Diese Verbindung wird nun ganz gekappt.
Lehmann wird mit der Ernennung von Bianchi, Jin und Norton wenig Aufsehen erregen. Das ist auch gut so, wenn die Neuen es verstehen, den angestrebten Kulturwandel zu mehr Risikobewusstsein und Prozessdisziplin mitzutragen und vorzuleben. Was CS braucht, sind keine schillernden Namen, sondern Führungspersonal mit Fachkompetenz, Integrität und Beharrlichkeit.
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