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16:06 Uhr - 05.06.2015

«Ich halte UBS-Aktien, aber es ist mir nicht wohl dabei»

John Bennett, bei Henderson zuständig für europäische Aktien, äussert sich im Interview mit der FuW über Bewertungen und Chancen im Banken- und im Pharmasektor.

Auch für Profis ist der aktuelle Aktienmarkt kein einfacher, wie der Fondsmanager John Bennett zugibt. Die Bewertungen sind schon ziemlich hoch geklettert, und allzu gewagte Bewertungen verursachen ihm «Nasenbluten», wie er im Interview scherzt. Der Manager, der bei Henderson Kundengelder im Umfang von 11,3 Mrd. € verantwortet, hat dennoch Ideen – und zum ersten Mal seit langem gehören Bankaktien dazu.

Zur PersonIn der Fondswelt gehört John Bennett zu den amüsantesten Gesprächspartnern. Mit seinem trockenen Humor und seiner direkten Sprache, unterlegt noch von seinem schottischen Akzent, kommt er vielleicht nicht bei allen gut an. Aber genau darum hebt er sich wohltuend von vielen Fondsmanagern ab.

Der 52-Jährige arbeitet seit 28 Jahren als Fondsmanager, war lange Zeit bei GAM, danach bei Gartmore. Mit der Übernahme von Gartmore durch Henderson Global Investors wechselte er 2011 zu diesem Haus, wo er mehrere ­Europaaktienfonds verantwortet.
Herr Bennett, finden Sie derzeit noch günstige Aktien in Europa?
Nein. Das gibt’s nicht mehr. Ich sehe keine guten Chancen mehr in grosskapitalisierten Unternehmen, nur wenige im mittleren Bereich, vielleicht noch etwas unter den Small Caps. Aber eigentlich ist es zu spät, in Europa zu investieren.

Aber die Bewertungen steigen weiter?
Das finde ich auch Wahnsinn. Oft hört man, Staatsanleihen hätten angesichts der niedrigen Rendite ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 200, also dürften beispielsweise Daimler beim KGV 30 sein oder der US-Index S&P 500 bei 40.

Wie gehen Sie damit als Investor um, wenn die Kurse weiter steigen?
Bei Bewertungen von über dem 20-Fachen der Gewinnschätzung krieg’ ich Nasenbluten. Ich bin geizig, fast wie ein Value-Investor. Ich zahle nicht gern so hohe Preise. Mein Portfolio ist momentan bei 17-mal Gewinn und damit voll bewertet.

Was, wenn wie bei den Nestlé-Aktien, die Sie halten, die Bewertung auf mehr als das 20-Fache des Gewinns steigt?
Ich reduziere die Gewichtung, das heisst, im Vergleich mit dem Index ist die Position neutral. Ich habe also kein aktives Geld da drin. Mit Nestlé, wenn die Bewertungen weiter steigen, bin ich also abgesichert.

Der Bullenmarkt läuft schon viele Jahre. Wie lange noch?
Wir sind, gemessen an historischen Bewertungen, eher im Übertreibungsbereich, vor allem in den USA, aber bald auch in Europa. Es ist wahrscheinlich, dass es weitergeht. Wir hatten auch noch nicht die typischen Signale eines Markthöchst, wie eine Übertreibung bei Übernahmen. Die Aktivität hat zwar zugenommen, aber wir werden sicher noch einige schlechte Deals sehen. Und es gab eine gesunde Korrektur in Europa, weshalb ich glaube, es könne weitergehen.

Geht die Entwicklung am Aktienmarkt so weiter, bis das Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank im Oktober 2016 ausläuft?
Märkte sind selten perfekt. Die Bewegung kann im Februar 2016 aufhören oder erst ein Jahr später. Einen Melt-up, eine scharfe Aufwärtsbewegung, befürchte ich nicht. Wir werden sehen. Wer gedacht hatte, der Nasdaq im vierten Quartal 1999 sei auf verrücktem Niveau, meinte wohl im März 2000, er sei nochmals 50% verrückter.

Und wie legen Sie Neugelder an?
Es gibt ganz wenige Bereiche, wo ich Wert sehe. Ein Beispiel ist der Bankensektor.

Bankaktien? Seit wann?
Seit etwa neun Monaten. Aber mich interessieren nicht alle; weder Credit Suisse, Société Générale, Deutsche Bank noch Santander oder BBVA. Es sind die lokalen Banken, die ich gern mag, langweilige Retailbanken, die Privat- und Firmenkunden betreuen, entweder in Skandinavien, in den Benelux-Ländern oder in Irland. Zum Beispiel ING, KBC oder DNB.

Die Zinsmarge ist momentan sehr gering, warum sollten Banken da attraktiv sein?
Es ist wie eine doppelte Wette. Wenn Europa sich konjunkturell nicht erholt, dann wächst das Ausleihvolumen nicht. Wenn das so ist, dann erwirtschaften Banken viel Kapital. Dies sollte dann den Weg zu den Aktionären finden, was allerdings auch von den Regulatoren abhängt. Diese Wette zielt auf die Dividende, in einer Anlagewelt, in der alle Einkommen suchen.

Und der zweite Teil der Wette?
Wenn sich Wachstum einstellt, normalisiert sich die Zinskurve und wird steiler. Dann machen Banken Geld, weil sie langfristig Geld ausleihen und kurzfristig finanzieren.

Wenn Sie DNB aus Norwegen erwähnen: Gibt es dort nicht die Gefahr einer Immobilienblase, angesichts der tiefen Zinsen?
Das ist ein Risiko. Man muss sich das Kreditbuch genau anschauen. Die Gefahr für DNB sind jedoch eher Kredite im Ölsektor, die nur 8% der Bilanz ausmachen. Als der Ölpreis sank, haben DNB-Aktien nachgegeben, und wir haben zugekauft. Die skandinavischen Banken haben die Lektion in den frühen Neunzigerjahren gelernt und das Kreditbuch diversifiziert.

Just die skandinavischen Banken sind im Europavergleich bereits teurer?
Svenska Handelsbanken sind es, das stimmt. Aber Nordea zum Beispiel sind erst beim 12-Fachen des Gewinns.

Und wenn Sie die Kurs-Buchwert-Verhältnisse anschauen?
Für Nordea ist es rund 1,4. Svenska Handelsbanken ist die Ausnahme mit 1,9. Aber die Bank zeigt konsistente Eigenkapitalrenditen von rund 15%, warum sollte sie nicht das Doppelte des Buchwerts kosten?

Haben Sie Schweizer Banken im Portfolio?
Ich habe UBS. Sie konnte zum guten Kerngeschäft der Vermögensverwaltung zurückkehren. Geld verspielt wurde jeweils nur im wilden Teil der Bank, in der Investmentbank. UBS schrumpft nun diesen Geschäftsteil. Deutsche Bank nicht. Das ist der Grund, weshalb ich UBS halte. Aber es ist mir nicht wohl dabei. Es sind ja immer noch Banker, und die haben eine gewisse Geschichte, besonders bei UBS.

Eine der grössten Positionen in Ihrem Europafonds sind immer noch Pharmaaktien, die sie schon seit einigen Jahren mögen. Mittlerweile sind auch ihre Bewertungen ziemlich hoch. Was machen Sie jetzt?
Ich habe zu verkaufen begonnen: Novartis, Roche, AstraZeneca, UCB, Sanofi, auch wegen der Bewertung. Unsere These bleibt, dass wir am Beginn eines Zyklus für neue Medikamente sind. Krebstherapie ist das grosse Thema. Deshalb habe ich die Positionen nur reduziert. Aber ich habe nicht nur wegen der Bewertung verkauft.

Aus welchen weiteren Gründen?
Die Bewertung allein ist kein guter Indikator für die kurzfristige Kursbewegung. Es geht vielmehr darum, Aktien zu finden, die im aktuellen Zeitpunkt attraktiver sind, wie eben Banken oder Unternehmen, die viel Umsatz in Schwellenländern erzielen. Zudem schafft die konjunkturelle Erholung in Europa Gelegenheiten. Ich habe etwa Smurfit Kappa gekauft, ein Verpackungsbusiness aus Irland, die Aktien des Kunststoffverarbeiters Trelleborg aus Schweden oder OC Oerlikon aus der Schweiz.

Zurück zu Pharma. Sind Bewertungen, die fast so hoch sind wie im Konsumsektor, für Pharma berechtigt? Ihr Erfolg ist doch wesentlich von Entscheiden nationaler Gesundheitssysteme abhängig.
Die Achillesferse für den Pharmasektor sind die USA. Neun Käufer kontrollieren dort 80% des Marktes. Wenn Produktpreise in den USA sinken, sollte man aussteigen. Aber wenn Konzerne mit Topprodukten neue Anwendungen auf den Markt bringen, kriegen sie den Preis, und zwar während der siebzehn Jahre des Patentschutzes.

Ist Novartis deshalb besser aufgestellt, weil sie auch eine eigene Generikasparte hat?
Das ist ziemlich speziell, aber wohl eine gute Absicherung. Ich habe Novartis mit fünf Sparten nie gemocht, auch wenn es eine gewisse Sicherheit gab, wie bei einem Konglomerat. Jetzt ist Novartis fokussiert. Das ist, worauf wir lange gehofft haben.

Ist der Energiesektor noch günstig?
Nein, nicht wirklich. Nachdem Shell für BG geboten hatte und die Aktie 45% raufging, habe ich BG gekauft. Das ist sehr ungewöhnlich für mich. Ich fand, es war ein günstiger Einstieg in Shell, es gab einen Abschlag verglichen mit den Shell-Aktien. Mit ein Grund war auch die Positionierung der Konkurrenten. Öl war ein unbeliebter Sektor. Darum nahm ich eine Position. Ich vertraue weder Total noch Eni, aber die Kombination von Royal Dutch Shell und BG gefällt mir. Ich habe auch BP erhöht und bei einer Gesellschaft namens Lundin Petroleum zugekauft. Es ist das erste Mal seit langem, dass wir Ölförderer  kaufen.

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