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09:00 Uhr - 25.04.2017

Spencer Fung muss Li & Fung neu erfinden

Der Handelskonzern mit einer 101 Jahre langen Geschichte hat den Onlinehandel unterschätzt. Die vierte Generation der Gründerfamilie muss es nun richten.

Li & Fung wird an vielen Business Schools als eines der erfolgreichsten Unternehmensmodelle der Neuzeit gelehrt. Denn der heute von der dritten und der vierten Generation der Gründerfamilie geleitete Konzern wurde in der 101-jährigen Geschichte wiederholt erfolgreich neu erfunden. Gegründet wurde das Handelshaus 1906 in der südchinesischen Wirtschaftsmetropole Kanton, heute meist Guangzhou genannt.

Li & Fung war eines der ersten chinesischen Unternehmen, die Seide, Porzellan und chinesische Möbel ins Ausland exportierten. Damit konnte das jahrhundertealte Monopol europäischer und amerikanischer Exportfirmen im Chinahandel gebrochen werden.

In den kommenden äusserst bewegten 101 Jahren wusste sich Li & Fung immer wieder an ein sich radikal veränderndes innenpolitisches Umfeld anpassen. Aber besonders stark waren die Chinesen immer darin, sich auf Veränderungen in der globalen Nachfrage einzustellen.

So wurde Li & Fung, die während der Wirren des chinesischen Bürgerkriegs und der japanischen Besatzung ihren Hauptsitz in die damalige britische Kronkolonie Hongkong verlegte, in den Sechziger- und Siebzigerjahren einer der weltweit führenden Anbieter von Spielzeug, Kleidern oder auch Plastikblumen.

Heute liefert der an der Börse Hongkong kotierte Supply-Chain-Manager mit seinen 22 000 Angestellten und 250 Standorten Konsumgüter aller Art nach Nordamerika, Europa, Afrika und ganz Asien. Doch weitermachen wie bisher kann Spencer Fung nicht. Der 43-Jährige leitet Li & Fung seit 2014. Der Umsatz des Konzerns ist 2016 das dritte Jahr in Folge gefallen. Wie kritisch die Investoren die Lage einschätzen, zeigt sich vor allem daran, dass der Aktienkurs seit dem Allzeithoch vor sechs Jahren von über 50 HK-$ auf noch etwas über 3 HK-$ gesunken ist.

Li & Fung hat wie so viele andere Traditionsunternehmen die Bedeutung des Onlinehandels unterschätzt, der die Funktion des traditionellen Mittelsmannes zunehmend überflüssig macht. Das ist umso bemerkenswerter, als Li & Fung gleich drei Mal die Chance hatte, als Ankerinvestor bei Alibaba (BABA 114.86 1.55%) einzusteigen. Die Plattform ist heute der grösste Internethändler der Welt.

Das heisst nicht, dass die dritte Generation einen völligen Scherbenhaufen hinterlassen hätte. Spencers Vater Victor und sein Onkel William – die heute noch im Verwaltungsrat des Unternehmens sitzen – haben relativ früh erkannt, wo die höchsten Gewinne zu holen sind. Anders als noch vor wenigen Jahren können die attraktivsten Margen nicht mehr in der Produktion von Massenwaren und ihrem Verkauf an die Einzelhändler gemacht werden. Heute ist der Profit eher am Ende oder ganz am Beginn der Wertschöpfungskette zu finden.

Li & Fung hat ein starkes Standbein im Produktdesign und in der Marktforschung aufgebaut. Vor allem aber hat das Familienunternehmen in den vergangenen fünfzehn Jahren eine ganze Reihe von Markennamen eingekauft. So ist es dank der Akquisition des amerikanischen Bekleidungsunternehmens Wear Me Apparel seit 2009 Lizenznehmer einer ganzen Reihe von bekannten Marken wie Timberland oder Calvin Klein geworden. 2015 wurde auch eine Partnerschaft mit zwei Warenhausketten in der Volksrepublik eingegangen. Das Joint-Venture-Unternehmen ist auf die Entwicklung eigener Markenprodukte spezialisiert, die in 300 Läden in Festlandchina angeboten werden sollen.

Spencer Fung hat seine höhere Ausbildung in den USA durchlaufen, wo er einen ersten Abschluss an der Harvard-Universität erwarb. Als diplomierter Buchhalter arbeitete der verheiratete Vater zweier Kinder in den USA für die internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Daraufhin tummelte er sich einige Jahre in der Start-up-Szene des Silicon Valley herum. Es wird sich zeigen, ob auch das jetzt von ihm geprägte Unternehmen dereinst an Managerschmieden als Lehrbeispiel herangezogen wird.

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