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12:07 Uhr - 24.06.2016

«Mit dem Brexit ist ein Bruch eingetreten»

Fabian Dori, CIO von Notenstein La Roche, nutzt den Einbruch an den Aktienmärkten für selektive Zukäufe.

Herr Dori, wie geht es in Grossbritannien weiter?
Man muss zwei Dimensionen unterscheiden: die politische und die Reaktion an den Finanzmärkten. Der Austritt Grossbritanniens ist noch nicht vollzogen. Jetzt beginnt der Prozess, der das zukünftige Verhältnis zur Europäischen Union gestaltet. Die Möglichkeiten reichen von einer losen Verbindung auf Basis der Regeln der Welthandelsorganisation über bilaterale Verträge, wie die Schweiz sie ausgehandelt hat, bis zum EWR. Klar ist: Die Neuverhandlungen brauchen Zeit. Dieser Prozess wird uns die nächsten ein bis zwei Jahre beschäftigen.

Und an den Märkten?
An den Märkten zeigt sich die Reaktion unmittelbar. Die Schwäche des Pfunds dürfte andauern, weil die Unsicherheit bestehen bleibt. Zudem dürfte sich die britische Wirtschaft verlangsamen, und Grossbritannien weist ein Zwillingsdefizit in Leistungsbilanz und Haushalt auf – beides lastet auf dem Pfund. Man muss aber auch sehen: Die schwache Währung ist für die grossen britischen Unternehmen, die sehr exportorientiert sind und einen hohen Kostenanteil in Pfund sowie einen hohen Umsatz im Ausland aufweisen, nicht schlecht. Für Titel wie GlaxoSmithKline, Shire Pharmaceuticals oder Vodafone (VOD 209.3 -3.9%) sehen wir Chancen.

Ist der Einbruch also eine Kaufgelegenheit?
In unseren Portfolios führen wir die Aktienquote, die durch den Kurseinbruch gesunken ist, über selektive Zukäufe vorsichtig und schrittweise zurück auf die neutrale Position. Wir bleiben aber konservativ positioniert mit einem Fokus beispielsweise auf Pharma- und Telecomtitel.

Was bedeutet der Brexit für den Franken und die SNB?
Der Franken hält sich einigermassen stabil. Natürlich profitiert er als sicherer Hafen gegenüber Euro und Pfund. Die SNB (SNBN 1094 0.09%) dürfte aber bestrebt sein, eine zu starke Aufwertung zu vermeiden, indem sie am Devisenmarkt interveniert. Zusätzliche Massnahmen wie die weitere Senkung der Negativzinsen oder der Freigrenze der Banken dürften diskutiert werden.

Inwiefern belastet der Brexit die Weltwirtschaft?
Unsicherheit ist immer schlecht für Konjunktur und Märkte. Kurzfristig wird der Brexit deshalb die bereits angeschlagene Weltwirtschaft belasten. Mittelfristig wird aber vielleicht zu sehr schwarzgemalt. Es sind noch viele institutionelle Fragen offen, sodass es zu früh ist, um die Folgen abschätzen zu können. Vielleicht ist der heutige Entscheid aber auch insofern als Chance zu sehen, als er zu einem grundlegenden Nachdenken der Europäischen Union und der Eurozone führen kann.

Wo sehen Sie die nächsten Bruchstellen?
Die Flüchtlingskrise hat gezeigt, dass institutionelle Bruchstellen bestehen, die nun aufbrechen. Bisher hat man die Probleme ausgesessen. Mit dem Brexit ist nun ein Bruch eingetreten, der europa- und euroskeptischen Stimmen weiter Auftrieb geben könnte. Der nächste Lackmustest sind die Parlamentswahlen in Spanien, die dieses Wochenende anstehen. Es wird interessant sein zu sehen, ob der Brexit zugleich auch den Ausbruch aus der Aussitzen-und-durchwursteln-Politik der Europäischen Union bedeutet. In einer solchen Situation ist das Denken in Szenarien wichtiger denn je.

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