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11:12 Uhr - 06.05.2015

Crash am Bondmarkt geht weiter

Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass die Korrektur Ende vergangener Woche keine Episode war, die sich mit harmlosen Argumenten wegreden lässt. Die jahrelange Party am Bondmarkt könnte vorbei sein.

Den Anstieg der Renditen von als sicher geltenden Staatsanleihen seit Mitte letzter Woche haben Bondhändler zunächst mit Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen. Mittlerweile sind es tiefe Sorgenfalten. Denn neu steigen auch die Risikoaufschläge (Spreads) der Peripherie.

Dabei konnte noch immer keine eindeutige Ursache für den letzten Ausverkauf ausgemacht werden. Ende vergangener Woche zogen die Renditen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in 48 Stunden um mehr als 20 Basispunkte (Bp) an, entsprechend brachen die Kurse ein. Das habe es seit Mitte 2012 nicht mehr gegeben, betont Anleihenmanager Bantleon.

zoomNach einem mehrtägigen Fluktuieren um 0,15% sprangen die Bundrenditen auf 0,38%. Das Wochenende setzte dem «Flash-Crash» vorerst ein Ende. Doch am Montag setzte sich der Trend bei den Bundrenditen unbeirrt fort. Die Zehnjahresrendite stieg um weitere 8 Bp auf 0,45%. Ähnlich bewegten sich die Anleihen vergleichbarer Staaten. Auch zehnjährige «Eidgenossen» verloren an Anlegergunst, die Rendite kroch am Donnerstag erstmals seit Anfang März wieder über die Nulllinie.

Parallelen zu Japan

Am Montag konnte noch ein Mix aus technischen, taktischen und fundamentalen Argumenten eine harmlose Erklärung liefern. Darunter Inflationsängste wegen des steigenden Ölpreises: Rohöl Brent in Euro fiel im Herbst 2014 um 53% – mittlerweile ist der Preis für ein Barrel wieder um mehr als die Hälfte gestiegen, rechnet UniCredit vor.

Sorgen bereitet vor allem der besonders markante und hartnäckige Anstieg der Renditen deutscher Staatsanleihen. Einerseits sei die Korrektur im Bundmarkt bisher vergleichsweise gering ausgefallen, erklärt UniCredit. Einen beunruhigenderen Hinweis liefere der Vergleich mit Japan vor dreizehn Jahren: Damals erreichten Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen ebenfalls zunächst ein historisches Tief auf 0,45%, bevor sie innerhalb von zwei Monaten auf 1,4% rauschten.

Nach dem Zinsanstieg die Spreads

Am Dienstag sah es kurz danach aus, als wäre die gute alte Welt zurückgekehrt: Die Bundrenditen fielen wieder leicht, der Euro schwächte sich etwas ab. Doch schon gegen Mittag drehte der Markt wieder: Die Renditen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen zogen weiter auf 0,53% an, der Euro kletterte auf 1.12 $/€ und die Aktien stürzten ab. Derzeit stehen die Renditen auf rund 0,57%.

Und seit Montag muss eine zusätzliche Erklärung gefunden werden – denn seither haben sich auch die Renditen der Peripherie in Bewegung gesetzt, die Risikoaufschläge auf den hochschnellenden Bundrenditen stiegen ebenfalls an. Bislang verhielten sich diese im Zuge der allgemeinen Kurskorrektur unauffällig. Doch am Montag schossen die Renditen zehnjähriger Papiere aus Spanien und Italien mehr oder weniger simultan um 30 Basispunkte nach oben, auf 1,857% bzw. 1,871%.

Nichts passt zusammen

Zunächst sah es danach aus, als sei ein Artikel der Financial Times der Auslöser. Demzufolge soll der Internationale Währungsfonds (IWF) von den anderen Kreditgebern einen Schuldennachlass gegenüber Griechenland fordern. Doch abgesehen davon, dass der Inhalt dieses Artikels mehrfach dementiert wurde, fällt es Markbeobachtern schwer, ihn für die Marktbewegungen haftbar zu machen. Während fallende Aktien aufgrund erhöhter Unsicherheit noch erklärt werden könnten, seien steigende Bundrenditen und ein festerer Euro infolge eines Aufflammens der Euro-Schuldenkrise wenig einleuchtend.

Eines steht fest: Die gegenwärtigen Bewegungen am Markt wollen einfach nicht so recht zusammenpassen, und schon gar nicht passen sie ins gängige Erklärungsmuster der vergangenen Monate. Für UniCredit nimmt der Ausverkauf am Bundmarkt langsam «epische Ausmasse» an. Steigende Ölpreise, ein festerer Euro und steigende Renditen seien genau das Gegenteil derjenigen Entwicklungen, auf denen ein Grossteil des Konjunkturoptimismus in Europa ruhe.

Monatelang wurde die neue Robustheit der Eurozone im Vergleich zur Krise 2012 als Grund herumgereicht, warum Ansteckungssorgen wegen Griechenland unbegründet seien. Klar scheint damit immerhin etwas: Diese Immunität existiert nicht.

Die Mär der Immunität

Die Risikoaufschläge griechischer Anleihen steigen seit Oktober 2014, als das Ende des zweiten Hilfsprogramms Ende Februar in Sichtweite kam. Die Renditen anderer Peripherieländer sanken seelenruhig weiter.

Doch schon Mitte April reagierten sie erstmals auf die sich zuspitzende Lage. Entgegen der weit verbreiteten Hoffnung der letzten Monate liessen sie sich letztlich also doch anstecken.

In Zweifel gezogen sind damit auch die Wirksamkeit der Rettungsmechanismen im Euroraum und insbesondere die Überzeugung der unanfechtbaren Schirmherrschaft der EZB.

Der Anfang des Endes?

Was ist also mit all dem Zentralbankgeld, das noch immer in allen grösseren Währungsräumen die Preise sicherer Anleihen stützen sollte? Die Bank von Japan und seit März auch die Europäische Zentralbank (EZB) pumpen zudem noch immer zusätzliches Geld in die Märkte. Und vielleicht kommt bald die chinesische Zentralbank dazu. Die quantitative Lockerung der EZB scheint zwei Monate nach dem Start an Wirkung verloren zu haben.

Es gibt aber auch eine Reihe anderer Teile, aus denen das Puzzle des Zinsanstiegs zusammengesetzt sein könnte: Der Kauf von Bunds könnte als sehr populäre Handelsstrategie an seine Grenzen gestossen sein, schreibt UniCredit in einem Kommentar. Was auch immer der Auslöser war – als die Verkaufswelle erst einmal ins Rollen gekommen war, gab es kein Halten mehr. Aus taktischer Sicht würden die Anleger zudem eine stärkere Emissionstätigkeit der Eurostaaten im Mai verglichen mit April erwarten, dazu zahlreiche voluminöse Platzierungen von Unternehmensanleihen in Dollar. Als fundamentale Sicht könnte folgendes für einen Zinsanstieg sprechen: die erstmalige Zunahme der Kreditvergabe an den Privatsektor seit drei Jahren in der Eurozone sowie die Erwartung, dass der Inflationstiefpunkt dort erreicht worden sei.

Bantleon glaubt nicht an ein Misstrauensvotum der Märkte gegenüber der EZB-Geldpolitik. Dennoch könnte die Party an den Anleihenmärkten tatsächlich vorbei sein. Der Anleihenmanager rechnet mit einer deutlichen Besserung der US-Konjunktur in den Sommermonaten. Angesichts des Inflationspotenzials wieder steigender Ölpreise dürften die zuletzt stetig nach hinten verschobenen Leitzinserwartungen in den kommenden Monaten wieder eher vorgezogen werden.

Für Royal Bank of Scotland (RBS) war der Ausverkauf teilweise darauf zurückzuführen, dass die EZB  ihren Ausblick auf die Inflation erhöht hat. Ähnliches habe man letzte Woche beobachten können, als die Konsumentenpreise in Deutschland leicht höher als erwartet ausfielen. Das Ausmass der Korrektur sei aber übertrieben und vor allem auf die dünne Liquidität am Bondmarkt zurückzuführen.

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