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16:03 Uhr - 15.10.2014

«Myriad wird vermutlich bald ein Übernahmeziel»

Urs Beck, Manager des New Capital Swiss Select Equity Fund, erläutert im Interview mit FuW seine Wetten auf Small und Micro Caps und erklärt auch, wann er Aktienpositionen abstösst.

Herr Beck, Sie sehen gerade in den Aktien des Handysoftwareherstellers Myriad ein grosses Kurspotenzial. Was macht den Reiz dieses potenziellen Reichmachers aus?
Es ist, nach Roche (ROG 258.9 -2.12%), die zweitgrösste Position im New Capital Swiss Select Equity Fund. Myriad (MYRN 4 -0.5%) hat eine schwierige Vergangenheit, aber eine Aktie kauft man mit Blick nach vorne. Letzte Woche teilte Myriad mit, dass ihr Chatservice msngr nun 102 Mio. Nutzer in Lateinamerika hat. Das sind alles potenzielle Empfänger von Werbebotschaften. Und ich glaube, wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir auf Mobilgeräten, Tablets oder Smartphones Werbung erhalten. Diese ist im Verhältnis zum Medienkonsum ungleich verteilt. Es fliesst noch viel Werbegeld in Printmedien oder das TV. Aber Medieninhalte werden mehr und mehr auf Mobilgeräten konsumiert. Myriad muss nun rasch eine spektakuläre Nutzerzahl erreichen.

Was heisst spektakulär?
Als Faustregel gilt, es braucht um 150 Mio. Nutzer, damit so eine Gesellschaft auf den Radar grosser Internetkonzerne kommt. Bei Myriads Dienst stieg die Nutzerzahl vom zweiten zum dritten Quartal ja 52%.

Gerne wird der Vergleich mit WhatsApp bemüht, die im Februar für 19 Mrd. $ von Facebook übernommen wurde.
Ja. Ein naheliegender Käufer wäre eine andere soziale Plattform, wie das Karrierenetzwerk LinkedIn, aber auch Konzerne wie Yahoo (YHOO 37.6 -0.97%) oder der Online-Versandhändler Amazon (AMZN 303.09 -1.69%), der ja eine ureigene Werbebotschaft zu versenden hätte.

Sie setzen also vorab auf eine Übernahme?
Myriad wird vermutlich bald ein Übernahmeziel sein. Ich gehe davon aus, dass die Aktien in zwölf Monaten nicht mehr an der Börse gelistet sind. Plan A sollte sein, Myriad zu verkaufen. Der Verwaltungsratspräsident und der Finanzchef waren früher bei Day Interactive, die 2010 von Adobe Systems übernommen wurde. Auch der CEO hat schon eine Gesellschaft verkauft. Diese Leute wissen, wie es geht.

Urs Beck: «Der grosse Gewinntreiber von Swatch sind die Uhren der Marke Omega. Da sehe ich null Überschneidung mit einer Apple Watch.» Bild: EFG/Portrait 2014Wie rechnen Sie, mit Blick auf den Preis?
WhatsApp verfügte, als sie übernommen wurde, um 500 Mio. Nutzer. Das ist eine ganz andere Dimension. Aber man kann vielleicht einmal von 20 bis 40 $ pro Nutzer ausgehen. Das hängt stark davon ab, ob die Nutzer aktiv sind oder einfach einmal die Applikation heruntergeladen haben. Aber selbst mit 10 $ pro Nutzer ergäbe sich, bei einer Gesamtzahl von 150 Mio., ein Wert um 1,5 Mrd. $. Heute ist Myriad an der Börse gut 410 Mio. Fr. wert.

Steckt dahinter nicht ein neuer Hype?
Ja, es gibt im Moment viele Transaktionen in der Internetwelt. Das ist das Risiko, darum muss Myriad schnell auf 150 Mio. Nutzer kommen, bevor die Welle abebbt.

Und wenn Plan A nun nicht hinhaut?
Myriad hat nun eine gute technologische Plattform. Plan B wäre es, die Kundenbasis selber weiterzuentwickeln und, über die Werbevermittlung, zu monetarisieren. Das bräuchte Zeit, mindestens bis 2017. Plan A muss im Vordergrund stehen.

Myriad ist schon ein sehr spezieller Titel. Auf was achten Sie grundsätzlich bei der Auswahl ihrer Aktien?
Myriad ist sicher ein Exot, auch in meinem Fonds. Grundsätzlich müssen für mich sowohl die harten, zahlenbasierten wie die weichen Faktoren stimmen. In Bezug auf die Bewertung achte ich vor allem auf das Verhältnis EV/Ebitda. Beim EV, also dem Unternehmenswert, wird eine Nettoliquidität vom Börsenwert abgezogen bzw.  eine Nettoverschuldung dazu gezählt. Dadurch ist die Bilanzqualität berücksichtigt. Wenn ich etwa bei Swatch Group (UHR 429.5 -1.33%) die Nettoliquidität vom Börsenwert abziehe, sieht der Titel noch attraktiver aus.

Für Sie sind die Aktien Swatch Group ein Kauf, die Apple Watch hin oder her?
Absolut. Die Titel haben unter zwei Faktoren gelitten. Zuerst hatten alle Angst vor der neuen Smartwatch von Apple (AAPL 97.055 -1.72%). Seit Mitte September weiss man, wie die aussieht. Der grosse Gewinntreiber von Swatch sind in erster Linie einmal die Uhren der Luxusmarke Omega. Und da sehe ich null Überschneidung mit einer Apple Watch. Ich kaufe mir eine Luxusuhr ja  nicht, um die Zeit davon abzulesen.

Der zweite Faktor, der die Titel von Swatch gedrückt hat, ist die Protestwelle in Hongkong, wo die Gruppe fast einen Fünftel ihres Umsatzes erwirtschaftet.
Es ist unglücklich, dass die Proteste in die Golden Week, die mit dem chinesischen Nationaltag am 1. Oktober begann, gefallen sind. Dann gehen die Leute dort einkaufen. Deswegen wird der Gewinn der Swatch Group jetzt aber kaum 10% einbrechen. Die Titel haben grausam gelitten und sind wieder attraktiv bewertet, auch mit Blick auf die sehr starke Bilanz.

Sie sprachen auch die weichen Faktoren bei der Titelauswahl an. Was meinen Sie damit?
Das Management ist entscheidend. Wenn ich in ein Meeting mit dem Management gehe, will ich merken, dass die ihr Unternehmen in- und auswendig kennen. Sie sollen mir ein Bild davon geben, wo sie mittelfristig hinwollen. Ein Manager sollte auch eine Inspiration sein. Und er muss seine Story verständlich herüberbringen.

Haben Sie ein Beispiel dafür?
Ein gutes Beispiel gibt Roche-Chef Severin Schwan. Er erzählt mir nicht, wie sich ein Molekül eines Krebsmittels zusammensetzt. Er spricht über strategische Themen, etwa darüber, wie künftig der Preis eines Medikaments festzusetzen ist. Das bestimmt den Umsatz, die Margen. Wenn ich aus einem Meeting mit Schwan hinausgehe, habe ich das Gefühl, dass seine Leute für ihn rennen. Er lässt sie auch arbeiten. Er ist keiner dieser Mikromanager, die selbst mitforschen wollen.

Wann stossen Sie Positionen ab?
Manchmal merke ich, dass ich in einem Markt falsch liege. Die letzte Position, die ich verkaufte, war jene am Agrokonzern Syngenta (SYNN 283.5 -1.56%). Die Branche hat viel Gegenwind, etwa durch sinkende Rohwarenpreise. Die tägliche Frage ist, würde ich eine Position zum heutigen Preis noch kaufen. Ist die Antwort nein, muss ich hinaus, egal ob ich mit der Position bis dahin Geld verdient oder verloren habe. Bei Syngenta war es ein opportunistischer Entscheid. Der Konzern hat immer noch eine fantastische Marktposition, eine gesunde Bilanz. Er bleibt auf dem Radarschirm, für den Fall, dass das Sentiment dreht.

Momentan ist nicht nur das Sentiment für Syngenta negativ, sondern für den ganzen Aktienmarkt. Ist es Zeit, abzubauen?
Ich glaube nicht. Die Nachfragesituation für Aktien ist immer noch fantastisch. Wegen der tiefen Zinsen generiert jede Anleihe, die ausläuft, ein Reinvestitionsproblem. Für viele bietet ein Taucher an der Börse auch die Chance, noch auf den Zug aufzuspringen. Ich sehe nicht, dass die Nachfrage nach Aktien in den nächsten Monaten abbricht. Von daher sollte die Korrektur nicht viel weitergehen.

Sehen Sie schon Einstiegsgelegenheiten?
Ja, gerade im Autozulieferbereich, wo mein Fonds stark exponiert ist, habe ich mit Überzeugung nachgekauft. Die Titel litten zuletzt auch unter der Gewinnwarnung von Ford (F 8.9 -4.81%). Die hatte ihre Ursache aber in Kostengründen, in den vielen Rückrufaktionen und nicht in einem Absatzproblem. Dennoch ist die ganze Zulieferkette mit bestraft worden.

Welche Titel haben Sie zugekauft?
Autoneum (AUTN 137.7 0.07%) ist ein gutes Beispiel, ein hundertprozentiger Autozulieferer. CEO Martin Hirzel hat da in den letzten zwei Jahren einen gelungenen Turnaround geschafft. Er reduzierte die Kapazitäten in Europa, wo Wert vernichtet wurde. Er passte die Verträge an. Heute steigt Autoneum nicht mehr zu jedem Preis mit jedem Hersteller ins Bett und generiert Wert.

Haben Sie noch andere ähnlich aggressive Wetten wie die in Myriad am Laufen?
Was heisst aggressiv? Ein Small Cap, in den der Fond investiert ist und über den nicht schon die ganze Welt spricht, ist Airopack. Das Unternehmen, das bis vor Kurzem IPS Innovative Packaging Solutions hiess, entwickelte eine revolutionäre Technologie, um Sprühdosen anzutreiben. Statt des nicht ungefährlichen Gemisches Aerosol wird nur Luft verwendet. Das ist umweltfreundlich und das, was die Procter & Gambles und Unilevers dieser Welt für ihre Rasierschaums und Deos suchen.

Worin besteht genau die Revolution?
Die Revolution steckt im Ventil. Da stecken viele Jahre Forschung dahinter. In den USA wird in den Supermärkten von Target schon ein Spray mit einer Airopack-Sprühdose verkauft. Hierzulande kennt aber niemand dieses Produkt. Nun hat Airopack mitgeteilt, dass sie an Procter & Gamble liefern wird. Sobald der US-Konzern mit seinen Weltmarken die Technologie nutzt, könnte das den Titel beleben.

Airopack ist eine grössere Position im Fond, obwohl es ein illiquider Micro Cap ist.
Mein Ziel ist es, den Index zu schlagen. Wenn Airopack steigen, soll sich das in der Fondsrendite zeigen. Darum hat keine meiner Positionen ein Gewicht unter 1%.

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