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14:17 Uhr - 08.04.2015

Digitale Revolution krempelt Finanzindustrie um

Eine Vielzahl Start-ups der Fintech-Branche greifen die Geschäftsmodelle der etablierten Finanzinstitute an. David kämpft mit und gegen Goliath.

Die Schweizer Banken haben in den vergangenen Jahren in puncto digitaler Innovation geschlafen, sagte der VR-Präsident der Credit Suisse (CSGN 26.91 0.22%) im Gespräch mit FuW-Chefredaktor Mark Dittli am Mittwoch (lesen Sie hier mehr). An der Konferenz FinTech 2015 des Finanz und Wirtschaft Forum gehen Experten der Banken- und Fintech-Branche der Frage nach, wie sich die digitale Revolution auf beide Industrien auswirken wird.

«Kunden brauchen die Bank nicht mehr», sagte David Rowan, Chef des Technologie-Magazins Wired aus Grossbritannien in seinem Auftaktreferat. Für seine provokative Behauptung stehen eine Vielzahl von Start-ups der Fintech-Branche, die das alte Geschäftsmodell der etablierten Finanzinstitute angreifen und damit in wenigen Jahren Millionenumsätze generieren.

Eines dieser Unternehmen, das dessen Gründer Mark Henkel (HEN3 111.7 0%) im Dolder Grand vor rund 200 Teilnehmern vorstellte, ist Paymill. Die Münchner Firma stellt kleinen und mittleren Unternehmen einen schnellen, unkomplizierten Bezahldienst zur Integration auf deren Webseiten zur Verfügung. Doch nicht nur im Zahlungsverkehr macht Paymill den Banken Konkurrenz. Das Fintech-Unternehmen gibt selbst kurzfristige Kredite an Händler aus, die via Beteiligung an den Transaktionen zurückgezahlt werden.

Transparent und benutzerfreundlich

Ein anderer Fintech-Vertreter ist Wikifolio. Geschäftsführer Andreas Kern erläutert, dass auf seiner Plattform private und professionelle Anleger ihre Strategie veröffentlichen. Investitionswillige können die Strategien kaufen und so die gleichen Gewinne machen. Der Käufer hat die Rendite eines erfolgreichen Traders, dieser zusätzlich die Gebühr des Käufers, die er sich mit Wikifolio teilt. Das Angebot ist transparent und benutzerfreundlich.

Zahlungsverkehr, Kreditvergabe und Investment Banking, drei klassische Geschäftszweige von Banken, die von Neulingen schneller, transparenter und teilweise besser abgewickelt werden können, als von den Finanzdinos. Warum werden die Goliaths von den Davids überholt? «Man braucht Speed», sagt Markus Nigg vom IT-Dienstleister ti&m, der unter anderem für die CS Apps zum mobilen Banking entwickelt. Grosse Unternehmen besitzen eine IT, die auf Stabilität ausgelegt sein muss. Sicherheit ist die oberste Priorität. Die kann der Innovation aber auch im Weg stehen. Ein kleines, kreatives Unternehmen könne mit den richtigen Leuten ganz anders agieren, ist Nigg überzeugt.

Regulierung bindet Ressourcen

Die Banken leiden aber noch an anderen Entwicklungen: Die Finanzkrise und die folgende Regulierung hat die Aufmerksamkeit der Manager gebunden. Das Verschwinden des Bankgeheimnisses hat die Institute zudem träge werden lassen, drückt es CS-Präsident Rohner aus. Währenddessen hat sich das Kundenverhalten mit der Entwicklung des Smartphone geändert, so Marco Abele, Chef Digitales Banking bei der CS.

Datenflut und eine neue Transparenz hätten die Nutzer informierter und anspruchsvoller werden lassen. Deswegen müssten Banken ihre Kultur ändern, sagt Abele. Der Kunde müsse ins Zentrum gestellt, seinen Ansprüchen Genüge getan werden. Das Know-how der kleinen Fintech-Start-ups sei dabei unerlässlich. So investiere die UBS (UBSG 18.65 -0.8%) beispielsweise in den Fintech-Inkubator L39 in London, und die CS beobachte die Branche weltweit und geht auf diejenigen Unternehmen zu, die für sie erfolgversprechend scheinen.

«Nicht nur Silicon Valley»

«Man muss aber nicht immer ins Silicon Valley gehen», sagt der Schweizer IT-Experte Nigg. Auch in der Schweiz gebe es vielversprechende Start-ups. Die Szene ist allerdings überschaubar. Der grosse Hub in Europa scheint uneinholbar London zu sein. Private Geldgeber müssten aktiv werden, um die heimische Szene zu stärken, meint Urs Rohner – allen voran die Banken. Denn auch wenn noch unklar sei, wie sich ihr Geschäftsmodell durch die Fintech-Szene entwickeln werde, noch hätten sie das Geld, um diese Entwicklung für sich profitabel zu beeinflussen.

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