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17:09 Uhr - 15.12.2016

Universalbanken – was für Investoren zählt

Eigenkapital, Profitabilität und Prognosesicherheit. Diese drei Faktoren erklären die Bewertungsunterschiede der europäischen Universalbanken.

Europäische Universalbanken haben bei Anlegern einen schweren Stand. Die Verunsicherung ist gross. Trotzdem zeigen sich innerhalb des Sektors beträchtliche Unterschiede in der Bewertung. Sie lassen sich mit ein paar wenigen Faktoren erklären.

Zum AutorMoritz Baumann ist Bankenanalyst bei Albin Kistler.Die Banken haben mit ihren Resultaten für das dritte Quartal mehrheitlich positiv überrascht. Einmal mehr aber sind die Zahlen mit Sondereffekten durchsetzt: Sie werden von den Banken und den Analysten fleissig adjustiert und bereinigt, mit dem Ziel, die effektive Gewinnkraft der Institute freizulegen. Für einen Koloss wie HSBC (5 670.6 1.27%) heisst das beispielsweise, dass aus ausgewiesenen 843 Mio. $ für das dritte Quartal ein adjustierter Vorsteuergewinn von 5591 Mio. $ gemacht wird.

Das Ausserordentliche ist in den Jahren seit der Finanzkrise zum Ordentlichen geworden. Doch die Berechnung von zukunftsgerichteten Bewertungskennzahlen verkommt damit zum Husarenritt.

Spreu vom Weizen trennen

zoomAls einigermassen verlässliches Bewertungsmass bietet sich das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) an: Es stellt dem buchhalterisch ausgewiesenen Eigenkapital die Bewertung des Marktes gegenüber und misst quasi das Vertrauen bzw. das Misstrauen gegenüber einer Bankbilanz und ihrer Gewinnkraft. Die aktuellen KBV der europäischen Universalbanken verdeutlichen das vorherrschende Misstrauen.

Nur wenige Institute werden mit einem KBV höher als 1 bewertet. Ein Wert von unter 1 bedeutet, dass der Kapitalmarkt die Werthaltigkeit des Eigenkapitals anzweifelt bzw. mit künftigen Verlusten rechnet. Das Verdikt für den europäischen Bankensektor ist über das Ganze gesehen ziemlich vernichtend. Gleichzeitig sind aber grosse Unterschiede in den KBV zu verzeichnen.  Da die Bankenwelt in einem strukturellen Umbruch ist und die Institute, je nach Geschäftsmodell, unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt sind, ist dies leicht nachvollziehbar. Doch ist es der neue CEO, der hohe Bestand an faulen Krediten, die sinkende Bruttorendite im Private Banking oder die Zusatzbelastungen aus der Redimensionierung des Investment Banking? Den Erklärungsansätzen für unterschiedliche KBV sind kaum Grenzen gesetzt.

Doch welche Faktoren sind zentral für das Zustandekommen der KBV? Auf welche Fakten stützen sich die Marktteilnehmer bei der Bewertung von europäischen Bankaktien? Eine Datenanalyse schafft überraschend viel Klarheit: Schlussendlich lassen sich Bewertungsunterschiede mit lediglich drei Faktoren erklären.

Die drei relevanten Kriterien

zoomIm Bereich Eigenkapital sind die regulatorischen Vorschriften deutlich verschärft worden – und werden es weiter. Institute, bei denen nur die geringsten Zweifel herrschen, dass sie ausreichend finanziert sind, werden von den Anlegern abgestraft. Musterschüler mit einer Eigenmittelausstattung deutlich über dem regulatorischen Minimum werden belohnt.

zoomDie «guten, alten Zeiten» mit Eigenkapitalrenditen von über 20% sind Geschichte. Doch auch die Ansprüche der Investoren sind gesunken. Banken, denen es gelingt, nachhaltig zweistellige Renditen zu erwirtschaften, gehören bereits zu den Perlen der europäischen Bankenlandschaft. Ihre Profitabilität schlägt sich in einem höheren KBV nieder.

Der Verweis auf sogenannte Einmaleffekte ist bei den Banken mittlerweile an der Tagesordnung. Trotzdem gibt es Institute, denen es gelingt, konstante Gewinne zu liefern. Die Basis der Stabilität bildet meist ein klares, etabliertes Geschäftsmodell ohne Altlasten oder juristische Verstrickungen. Verlässlichkeit wird von den Investoren in Form höherer KBV belohnt, auch wenn sie oftmals mit tiefer Profitabilität einhergeht. Obwohl hier nicht im Fokus, sind diesbezüglich die Schweizer Regionalbanken ein gutes Beispiel.

zoomDas Ausmass der Prognosesicherheit einer Bank lässt sich an den Gewinnschätzungen der Analysten ablesen. Weisen sie eine hohe Streuung auf, ist dies ein Zeichen, dass der zukünftige Geschäftsgang nur schwer prognostizierbar ist und Überraschungen, positive sowie negative, wahrscheinlich sind.

Statistische Analysen ergeben, dass mit den genannten drei Faktoren deutlich mehr als 75% der Differenzen der Bewertungen erklärbar sind.

Nordische Banken top

Kategorisiert man die europäische Bankenlandschaft anhand der Kriterien Eigenkapital, Profitabilität und Prognosesicherheit, stellt man fest, dass nur wenige Institute in allen Bereichen glänzen. Hierbei handelt es sich ausnahmslos um nordische Institute. Der Grund ist, dass sich ihr Aktionsradius primär auf die realwirtschaftlich stabile Heimregion beschränkt (mit Ausnahme Finnlands alles keine Mitglieder der Einheitswährung) und die Banken stark auf das klassische Kreditgeschäft ausgerichtet sind. Altlasten aus dem Investment Banking sind nur beschränkt zu finden. Diese Stabilität belohnen Investoren mit einer relativ hohen Prämie auf dem Buchwert.

Das untere Ende der Tabelle birgt keine Überraschungen: Weist eine Bank in mehr als einer Kategorie Defizite auf, bestraft der Markt dies in Form einer Bewertung von deutlich unter 1.

Schmerzhafte Auswege

Dass sich Banken aus eigener Kraft von diesen unteren Rängen lösen können, ist schwierig. Der Malus einer geringen Eigenkapitaldecke lässt sich operativ nur schwer beheben, wenn gleichzeitig die Profitabilität niedrig ist und mühsam erwirtschafteter Gewinn durch Sondereffekte zunichtegemacht wird. Credit Suisse (CSGN 15.82 3.4%) und die Deutsche Bank (DBK 18.155 5.28%) dienen hier als Beispiele. Externe «Hilfe» in Form einer Kapitalerhöhung ist oft der einzige Ausweg. Er ist aber umso schmerzhafter für die bestehenden Aktionäre, je tiefer das KBV unter 1 ist. Denn dann werden sie nicht nur beim Gewinn verwässert, sondern auch auf dem Buchwert.

Unzureichende Profitabilität ist unter Europas Universalbanken weit verbreitet. Das tiefe Zinsniveau beeinträchtigt das operative Geschäft. Im Zuge tieferer Zinsen haben sich in den letzten Jahren jedoch auch die Renditeerwartungen der Investoren reduziert. Steigende Zinsen würden das Bankgeschäft wieder profitabler machen, lautet der Konsens. Im selben Ausmass würden sich aber auch die Renditeanforderungen der Eigenkapitalgeber erhöhen (Stichwort Risikoprämie). Wie die Banken diesen höheren Erwartungen mit steigenden Gewinnen gerecht werden könnten, ist eine weitere Frage.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen stehen die europäischen Banken mehr als acht Jahre nach der Finanzkrise noch immer beträchtlichen Herausforderungen gegenüber. Sie zu meistern, erfordert Zeit und Kapital. Trotz der vermeintlich tiefen Bewertungsniveaus drängt sich ein breites Engagement in den Sektor nicht auf. Wenn überhaupt, kommen nur diejenigen Institute infrage, die zumindest die Basisanforderungen erfüllen: eine diskussionslos solide Eigenmittelausstattung und ein klares Geschäftsmodell mit hoher Visibilität. Das KBV dient als verlässlicher Indikator, wie es diesbezüglich um eine Bank steht.

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