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10:12 Uhr - 21.02.2017

Neuer Kraft-Vorstossnach Korb von Unilever erwartet

Nach der geplatzten Megaübernahme von Unilever durch Kraft Heinz herrscht in der Lebensmittel- und Konsumgüterbranche gespannte Erwartung.

Experten fragen sich nach der geplatzten Übernahme, ob der von den Investoren Warren Buffett und 3G Capital gestützte US-Ketchuphersteller statt des abgeblasenen Deals im Volumen von 143 Mrd. $ nun ein neues Ziel ins Auge fasst.

Der Vorstoss von Kraft bei Unilever (UNA 42.585 0.21%) untermauere das Interesse und die Kapazitäten des Konzerns, grosse Zukäufe zu stemmen, erklärte Analyst Andrew Lazar von der Barclays-Bank. «Und das womöglich in kurzfristiger Perspektive.» Sein Kollege Ali Dibadj von Geldhaus Sanford Bernstein nannte Colgate-Palmolive (CL 71.98 4.32%) als mögliches Übernahmeziel. Die Offerte für Unilever zeige Krafts Bereitschaft zu bedeutenden Transaktionen jenseits des Stammgeschäfts mit Nahrungsmitteln. Die Analysten von Societe Generale erklärten, auch Unilever könnte nun einen strategischen Zukauf ins Auge fassen, um die eigene Unabhängigkeit zu sichern – etwa ebenfalls mit dem Kauf des US-Konzerns Colgate.

Martin Deboo von der Investmentbank Jefferies warf die Frage auf, ob manche oder alle Lebensmittel-Marken von Unilever bei Kraft nicht doch gut aufgehoben sein könnten. Nach britischem Übernahmerecht darf Kraft aber erst wieder in sechs Monaten mit Unilever Fusionsgespräche führen. In Bankenkreisen hiess es, auch Spekulationen über einen Kraft-Vorstoss bei Mondelez («Milka», «Tuc») würden nun neue Nahrung erhalten. Michael Hewson von Online-Broker CMC Markets (CMCX 117.3 0.86%) konstatierte, jedenfalls werde die Lebensmittelbranche als Sektor im Blickpunkt bleiben, in dem weitere Fusionen möglich seien.

Freundliche Absichten 

Ein Zusammenschluss von Kraft und Unilever wäre die grösste Übernahme eines britischen Unternehmens aller Zeiten gewesen. Er hätte Marken wie Philadelphia-Frischkäse, Weight Watchers, Knorr, Lipton und Dove unter einem Dach vereint. Entstanden wäre ein Konzern mit einem Umsatz von gut 82 Mrd. $, der nahe an den Weltmarktführer Nestle aus der Schweiz mit 89 Mrd. $ herangerückt wäre.

Doch das Vorhaben scheiterte ebenso schnell wie es bekannt wurde. «Unsere Absicht war ein Vorgehen auf freundschaftlicher Basis», erklärte ein Kraft-Sprecher. «Aber es wurde klar, dass Unilever keine Transaktion anstrebte.» Kraft sah sich am Freitag gezwungen, die Pläne öffentlich zu machen, nachdem an den Börsen entsprechende Gerüchte zirkulierten. Die postwendende brüske Absage des britisch-niederländischen Konzerns überraschte das Kraft-Management, wie eine mit der Sache vertraute Person sagte. Kraft habe dann die Offerte zurückgezogen, da die anschliessenden Verhandlungen mit Unilever zu schwierig geworden wären.

Insidern zufolge fürchtete Unilever, die Geschäftsmodelle beider Konzerne könnten nicht zusammenpassen. Ausserdem wurde mit heftigem Widerstand aus Politik und Gewerkschaften gerechnet. Die britische Premierministerin Theresa May hatte unter dem Eindruck des Brexit-Votums strenge Prüfungen für Pläne ausländischer Firmen angekündigt, heimische Unternehmen kaufen zu wollen. In dem Zusammenhang hatte sie die Übernahme der britischen Cadbury durch Kraft im Jahr 2010 als einen Deal bezeichnet, der besser untersagt worden wäre. Ein Sprecher Mays erklärte allerdings am Montag, ihr Büro habe bei Krafts Rückzug-Entscheidung die Finger nicht im Spiel gehabt. Hinzu kommt, dass in den Niederlanden, deren Regierungschef Mark Rutte früher selbst für Unilever arbeitete, im März Wahlen anstehen.

Angst vor Spardiktat

Heikel war für Unilever laut Insidern vor allem die Beteiligung des brasilianischen Finanzinvestors 3G, der nach Buffetts Gesellschaft Berkshire Hathaway (BRK.A 252838 0.53%) zweitgrösster Aktionär von Kraft Heinz ist. Der Konzern war 2015 aus dem Philadelphia-Produzenten Kraft und dem Ketchuphersteller Heinz geschmiedet worden. 3G ist bekannt dafür, den übernommenen Firmen hohe Schulden aufzubürden und dann von ihnen drastische Einsparungen zu verlangen, um möglichst viel Profit aus dem Investment herauszupressen. Die Unilever-Führung habe daher den Wert der eigenen Marken und die geplante kostenaufwendige Expansion in Schwellenländern in Gefahr gesehen, sagten Personen, die mit den Überlegungen vertraut sind.

Am Londoner Aktienmarkt wurden Unilever-Papiere aus den Depots geworfen. Der Kurs fiel um sieben Prozent, nachdem er am Freitag in Erwartung eines Deals noch 13 Prozent gestiegen war. In ihrem Sog gaben in Frankfurt gegen den positiven Markttrend Henkel (HEN3 119.45 0.25%) ein Prozent und Beiersdorf (BEI 84.44 0.14%) zwei Prozent nach. Kraft verloren in Frankfurt 2,5 Prozent. An der Wall Street hatten sie am Freitag elf Prozent zugelegt.

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