Diese Woche beginnt an Wallstreet die Saison der Unternehmensabschlüsse. Damit wird sich auch zeigen, wie es um die Aussichten für 2019 steht.
An den Finanzmärkten keimt Hoffnung. Das gilt speziell für die Weltleitbörsen in den USA, wo sich die Lage nach dem schwersten Kursbeben seit Jahren etwas beruhigt hat. Der Leitindex S&P 500 blickt auf eine Woche mit stattlichen Avancen zurück und hat seit dem Tief von Ende 2018 über 10% gutgemacht. Auf Investoren kommt jedoch bereits die nächste Herausforderung zu: Nachdem Corporate America letztes Jahr einen kräftigen Gewinnschub erfahren hat, wird sich dieser Trend 2019 abschwächen. Umso mehr Bedeutung hat die Saison der Unternehmensabschlüsse, die diese Woche beginnt.
«Die Gewinnprognosen zum vierten Quartal muten zwar erneut erfreulich an. Das ist jedoch die letzte Berichtsperiode, in der die Steuerkürzungen die Ergebnisentwicklung massiv begünstigt haben», warnt Jim Bianco vom Anlageberater Bianco Research. «Es besteht daher Anlass zu Besorgnis, wenn sich die Analysten nun auf das laufende Jahr konzentrieren.»
Wachstum schwächt sich ab
Wallstreet erwartet, dass die 500 grössten US-Konzerne den Gewinn im Schlussquartal knapp 11% verbessern konnten. Das ist überaus respektabel, auch wenn in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres jeweils ein Plus von rund 25% resultiert hatte. Dass der Zuwachs dieses Mal geringer ausfalle, liege primär daran, dass die Vergleichsbasis anspruchsvoller sei als bisher, berichtet John Butters vom Datendienst FactSet. Denn die Konzerngewinne waren im vierten Quartal 2017 bereits rund 15% gestiegen. Berücksichtige man zudem, dass Analysten die Prognosen meist zu tief ansetzen, dürfte de facto ein Gewinnplus von rund 16% resultieren, denkt Butters.
Den Auftakt zur Berichtssaison geben die Grossbanken. Citigroup legt die Zahlen am Montag vor, worauf am Dienstag mit JPMorgan Chase (JPM 100.94 1.03%) und Wells Fargo zwei weitere Kolosse folgen. Im späteren Verlauf der Woche sind dann Bank of America (BAC 26.37 1.31%), Goldman Sachs (GS 178.72 1.01%), Morgan Stanley (MS 42.48 1.77%) und BlackRock (BLK 396.42 -0.37%) am Zug.
Ausserhalb des Finanzsektors werden zudem die Resultate des Krankenversicherers UnitedHealth (UNH 248.06 0.16%) und des Industriezulieferers Fastenal interessieren. Für Aufmerksamkeit dürfte ebenso der Online-Videodienst Netflix (NFLX 332.94 -1.38%) am Donnerstag sorgen, schlagen seine Titel nach der Ergebnispublikation doch oft heftig aus.
«Die Resultate zum vierten Quartal sind wichtig. Der entscheidende Test ist jedoch, wie es um den Ausblick für 2019 steht», meint Tobias Levkovich, Chefstratege für US-Aktien bei Citigroup (C 58.93 3.95%). «Erste Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass die Unternehmen ihre Prognosen vermehrt senken werden.»
Noch dreht die US-Wirtschaft auf hohen Touren. Die Zuversicht unter Konsumenten und Unternehmen nimmt aber ab. Die chaotische Situation in Washington und angespannte Handelsbeziehungen zu China sind Belastungsfaktoren. Erschwerend hinzu kommt, dass sich die Konjunktur im Rest der Welt abkühlt. Besonders gefordert sind damit Gesellschaften aus Sektoren wie IT, Werkstoffe und Industrie, die einen hohen Umsatzanteil im Ausland erwirtschaften.
Erste Warnsignale leuchten bereits auf. Das neueste Beispiel ist das Kaufhaus Macy’s, dessen Titel letzte Woche nach einer Gewinnwarnung fast 18% eingebrochen sind. Für Verunsicherung hat zu Jahresbeginn ebenfalls Apples Reduktion der Umsatzprognose gesorgt. Auch andere Konzerne wie die Chipschmiede Micron (MU 34.67 -3.72%) Technology, FedEx (FDX 171.55 0.33%), Delta Air Lines und American Airlines haben in den vergangenen Tagen mit einem abgedämpften Geschäftsausblick enttäuscht.
Die Erwartungen haben sich dadurch weiter geschmälert. Schätzten Analysten Anfang Oktober, dass die Konzerne im S&P 500 den Gewinn 2019 fast 12% steigern, sind es jetzt gut 7%. Die Kernfrage ist, ob das noch immer zu optimistisch ist. Für die ersten drei Quartale wird zwar nur noch eine Zunahme von je rund 3 bis 4% prognostiziert. Mit einem 12%-Plus für das vierte Quartal bleiben die Analysten jedoch überraschend zuversichtlich.
Schwierige Vergleichsbasis
«Der Vergleich mit den Zahlen von 2018 wird anforderungsreich, zumal die Ergebnisse letztes Jahr durch das Steuerpaket, Rekordgewinnmargen und überdurchschnittliches Umsatzwachstum begünstigt worden sind», meint auch der Aktienstratege Ed Yardeni. Er denkt deshalb, dass sich die Gewinnexpansion dieses Jahr im tiefen und nicht im oberen einstelligen Prozentbereich bewegen wird.
Am ausgeprägtesten dürfte sich das Wachstum in der Energiebranche abschwächen. Der Grund ist der niedrigere Ölpreis. Ein substanzieller Rückgang wird ebenso in den Bereichen Werkstoffe und Finanzen erwartet. Weniger stark dürfte sich die Verlangsamung in defensiven Sektoren wie Basiskonsum und Versorger bemerkbar machen. Das spricht für Qualitätstitel mit feudaler Dividende wie Coca-Cola (KO 47.15 -0.4%), Procter & Gamble (PG 91.15 -0.68%) oder Southern Co.
Ob die Börsen das Gröbste hinter sich haben, lässt sich demnach schwierig abschätzen. Auf den ersten Blick erscheinen US-Aktien nach der Korrektur weniger hoch bewertet. Auf Basis der Schätzungen für die nächsten zwölf Monate belief sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis für den S&P 500 im Herbst auf 17. Heute beträgt es 14, was unter dem historischen Mittel liegt. Trüben sich die Gewinnaussichten im Lauf der nächsten Monate jedoch weiter ein, ist das aktuelle Bewertungsniveau nach wie vor anspruchsvoll.
Enttäuschung im Finanzsektor
Mit den Resultaten der Grossbanken erwartet Investoren gleich zu Beginn der Berichtssaison eine Nervenprobe. Aktien aus dem Finanzsektor sind erheblich unter Druck gekommen. Das Branchenbarometer KBW Nasdaq Bank (KBW Nasdaq Bank 181.9164 1.19%) Index hat seit Mitte 2018 rund 15% verloren, wogegen der Gesamtmarkt 7% im Minus notiert. In den nächsten Tagen wird sich herausstellen, zu welchem Grad schlechte Nachrichten bereits eingepreist sind.
Den Anfang macht am Montag Citigroup. Da der Konzern international am stärksten exponiert ist, wird vor allem interessant, was CEO Michael Corbat zur Verfassung der Weltwirtschaft sagt. Analysten erwarten einen Quartalsgewinn von annähernd 3,8 Mrd. $ oder 1.56 $ pro Aktie. Wie bei den meisten Grossbanken dürften Sondereffekte das Bild jedoch verzerren.
Finanzriesen wie Citigroup, JPMorgan Chase und Bank of America gehören zu den grössten Profiteuren der Steuerreform. Dennoch sind ihre Abschlüsse in den vergangenen Quartalen auf wenig Begeisterung gestossen. Das hat mit durchwachsenen Resultaten im operativen Geschäft zu tun. Speziell im wichtigen Handel mit Anleihen, Währungen und Rohstoffen (FICC) haben die meisten Institute bescheidene Ergebnisse rapportiert.
Auch für das vierte Quartal sind die Erwartungen gedämpft. «Das Risk-off-Marktumfeld, in dem Investoren sichere Anlagen vorziehen, dürfte im Trading in einem Rückgang der Einnahmen von 3% resultiert haben», denkt Brian Kleinhanzl vom Branchenspezialisten Keefe, Bruyette & Woods. In der Beratung bei Akquisitionen und Wertschriftenemissionen rechnet er sogar mit einem Rückgang von 17%.
Besser als das Investment Banking läuft die klassische Kreditvergabe. Das robuste Wachstum der US-Wirtschaft begünstigt die Nachfrage nach Darlehen. Die Abflachung der Zinskurve schmälert allerdings die Margen. Es würde daher nicht überraschen, wenn 2019 für Finanzwerte erneut ein schwieriges Jahr wird.
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