Zurück zur Übersicht
17:15 Uhr - 12.04.2016

Santhera erwartet hohe Vertriebskosten

Das Biotech-Unternehmen schreibt 2015 dank Sondereffekten schwarze Zahlen. Die Vorzeichen dürften aber angesichts der geplanten Vertriebsanstrengungen wiederkehren.

Die Baselbieter Gesellschaft schafft den Sprung in die schwarzen Zahlen. Santhera (SANN 69.7 -1.69%) verzeichnet einen Gewinn von knapp 6 Mio. Fr. fürs abgeschlossene Geschäftsjahr 2015. Grund dafür sind jedoch nicht die gesteigerten Medikamentenverkäufe, sondern Sonderfaktoren.

Die Aufwertung einer früheren Wertberichtigung im Zusammenhang mit Entwicklungskosten und Lagerbeständen führte massgeblich dazu, dass aus einem operativen Verlust von 23,9 Mio. Fr. ein Plus von 3,2 Mio. Fr. resultierte. Zudem profitierte das Unternehmen von einer Steuergutschrift. Damit erzielte Santhera einen Nettogewinn von 5,9 Mio. Fr.

Guter Start ins laufende Geschäftsjahr

Das laufende Geschäftsjahr begann positiv: Wie CEO Thomas Meier am Dienstag anlässlich des Swiss Biotech Day gegenüber Investoren mitteilte, nahm Santhera bereits im ersten Quartal 2016 mit dem Verkauf des Medikaments Raxone gegen die seltene Augenkrankheit Lebersche Optikusneuropathie (LHON) 3,3 Mio. Fr. ein.

Im vergangenen Geschäftsjahr belief sich der gesamte Umsatz auf  4,3 Mio. Fr. Ein Grossteil dieser Performance erzielte Santhera im zweiten Halbjahr 2015 in Deutschland und Frankreich, nachdem Raxone im September in Europa zugelassen worden war. Wie Meier erklärte, wurden bis Ende März 2016 in ganz Europa ungefähr 220 Personen mit Raxone behandelt.

Die Priorität liege aktuell beim weiteren Ausbau des Vertriebsnetzes, so Meier. Alleine im ersten Quartal 2016 hat er die Belegschaft von 59 auf 65 Mitarbeiter erhöht. Fast die Hälfte davon ist für den Vertriebsausbau von Raxone zuständig. Neben dem Ausbau der LHON-Franchise bereitet sich das Unternehmen vertriebstechnisch auch schon auf den Markteintritt mit Raxone bei Patienten vor, die an der muskulären Erbkrankheit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) leiden.

Weitere Details zu den grossen Vertriebsvorhaben liess sich Meier nicht entlocken. Branchenkenner Bob Pooler rechnet aufgrund der Indikations-Erweiterung auf Duchenne-Patienten neu mit möglichen Spitzenumsätzen von über 450 Mio. Fr. für Raxone. Pooler erstellt im Auftrag von Santhera Analysen zum Unternehmen. Die neuen Schätzungen liegen markant höher als bislang alleine für die Erblindungskrankheit LHON in Europa mit 60 Mio. Fr. prognostiziert wurde.

Rote Zahlen drohen erneut

Doch die grossen Umsätze liegen noch in der Zukunft, aktuell muss Santhera hohe Investitionen tätigen. Weitere Markteinführungen, Zulassungsanträge und eine Studie im Zusammenhang mit Raxone dürften sich auf der Kostenseite auch im laufenden Jahr deutlich bemerkbar machen, sagte CEO Meier gegenüber der Finanznachrichtenagentur AWP. Da zudem weitere positive Einflüsse durch Aufwertungen ausbleiben dürften, rechnet der Santhera-Chef mit einem Rückfall in die roten Zahlen.

Bereits rückblickend sind die Kosten stark gestiegen: Mit den hohen Entwicklungskosten für zulassungsrelevante Studien und Anträge bei der Gesundheitsbehörde haben sich die Ausgaben bei Santhera von 2014 auf 2015 mit 10,5 Mio. Fr. verdoppelt. Auch der Verwaltungs- und allgemeine Aufwand verdoppelte sich beinahe auf 8,2 Mio. Fr.

Alleine für die Markteinführung von Raxone in den osteuropäischen Ländern und dem Baltikum ist Meier mit der Vertriebsgesellschaft Ewopharma eine Kooperation eingegangen. «Dort macht es Sinn, einen Partner zu haben, da uns die notwendige Erfahrung fehlt.»

Ausbau bei häufigeren Krankheiten

Auch der Einstieg in die muskuläre Erbkrankheit DMD verursacht Kosten. Die entsprechende Zulassung könnte laut CEO Meier sowohl in der EU wie auch in den USA bereits im ersten Quartal nächsten Jahres erfolgen. Die Anträge will Meier in Europa und den USA im zweiten Halbjahr 2016 bei der Gesundheitsbehörde einreichen. Zudem läuft aktuell eine zweite zulassungsrelevante Studie mit Raxone, für Duchenne-Patienten, die gleichzeitig mit Steroiden behandelt werden.

Neben DMD soll der Santhera-Wirkstoff Raxone bald auch im lukrativen Multiple-Sklerose-Markt zum Einsatz kommen. Gerade kürzlich sorgte Pharmariese Roche (ROG 243.4 0.37%) mit positiven Studiendaten seines Wirkstoffes Ocrelizumab für Aufsehen. Meier, so scheint es, möchte auf diese Erfolgswelle aufspringen und von der aktuell hohen Wahrnehmung der Krankheit in der Öffentlichkeit profitieren. In Zusammenarbeit mit dem Nationalen Gesundheitsinstitut der USA (NIH) arbeitet Santhera aktuell an einer Phase-II-Studie bei MS-Patienten, die an der seltenen primär progredienten Form der MS leiden. Die Auswertung der Studiendaten erwartet CEO Meier gegen Ende 2017.

Reicht das Finanzpolster?

Bei den grossen Vertriebs- und Forschungsanstrengungen drängt sich die Frage auf, ob das Biotech-Unternehmen über ausreichend finanzielle Mittel verfügt. «Santhera ist mit einem Finanzpolster von knapp 70 Millionen Fr. gut aufgestellt, um die Entwicklung von Raxone voranzutreiben und die entsprechenden Zulassungsprogramme zu stemmen», so Meier.

Die Aktien von Santhera haben ohne fundamentalen Grund fast die Hälfte ihres Gewinns wieder abgegeben, den sie im Vorfeld wegen Zulassungsfantasien für DMD gemacht hatten. Professionelle Investoren halten sich derzeit mit Käufen von Biotech-Unternehmen generell zurück. Anleger können mit einem Engagement getrost abwarten, und die weitere Entwicklung um DMD verfolgen.

Hier finden Sie die gesamte Historie zu Santhera. »

Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.

Seite empfehlen



Kopieren Sie den Link [ctrl + c] und fügen Sie ihn in ein E-Mail ein [ctrl + v]. Aus Sicherheitsgründen ist kein Versand von E-Mails direkt vom VZ Finanzportal möglich.