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17:08 Uhr - 16.01.2015

Der Praktikus vom 17. Januar

Die Themen: Die «Überraschung» der SNB und die darauffolgende Panik am Schweizer Aktienmarkt, Sunrise IPO soll bald stattfinden und die Anlagestiftung Ethos erhält prominente Unterstützung.

Lieber Investor

Chapeau, Herr Jordan! In einem Punkt muss ich dem Direktionspräsidenten der Schweizerischen Nationalbank die Bestnote 6 geben: Er hat uns alle überrascht. Die Ankündigung vom Donnerstagmorgen um 10.29 Uhr, wonach die SNB (SNBN 1055 -1.12%) den Euromindestkurs von 1.20 Fr. aufgibt, hat auch mich auf dem falschen Fuss erwischt. Chapeau übrigens an dieser Stelle auch an Bruno Gisler, Chefökonom von Aquila, der seinen Kunden am Dienstag geraten hat, den Euro abzusichern.

Bei allem Respekt für den Überraschungseffekt muss ich aber auch eine ungenügende Note an Thomas Jordan geben: War es wirklich nötig, diese Ankündigung mitten in den laufenden Aktienhandel zu werfen? In den Kursen zeigte sich sofort die Marktpanik: Der SMI (SMI 7935.33 -5.54%) verlor in der Spitze im Tagesverlauf mehr als 15%, Holcim (HOLN 60.5 -5.02%), Swatch Group (UHRN 69.3 -6.03%) (UHR 356.2 -6.83%) und Richemont (CFR 69.55 -7.2%) erlitten Verluste von teils über 20%. So ziemlich jede Aktie, auch stocksolide Werte wie Novartis (NOVN 85.55 -4.94%) und Nestlé (NESN 65.2 -6.25%), verloren mehr als 10%. Von einigermassen rationaler Preisfindung keine Spur mehr. Am Ende des Handels am Donnerstag war allein im SMI eine Marktkapitalisierung von 101 Mrd. Fr. verpufft.

Elefant im Porzellanladen

Das ist unnötig. Mir ist schon klar, dass der Schweizer Aktienmarkt eine Preisfindung durchlaufen muss, wenn sich der Franken aufwertet. Der Zeitpunkt der Ankündigung der SNB hat aber bloss eines verursacht: Panik. Wieso kam die Ankündigung nicht vor Handelsbeginn oder nach Börsenschluss? Erinnern Sie sich, wie die SNB vor gut zwei Jahren öffentlich die Kapitalstärke der Credit Suisse (CSGN 18.85 -8.76%) tadelte und einen Kurssturz von gut 10% in den CS-Titeln auslöste? Mir scheint, als seien die SNB-Leute immer noch nicht ganz auf der Höhe, wenn es darum geht, die Konsequenzen der eigenen Kommunikation abzuschätzen. Oder es ist ihnen egal. Wie dem auch sei – aus Sicht des Aktieninvestors hat sich die SNB wie ein Elefant im Porzellanladen verhalten.

Nun denn: Die dreieinhalbjährige Ära des Euromindestkurses ist vorbei. Für mich war schon lange klar, dass es für sie kein glimpfliches Ende mehr gibt. Das einzige schonende Szenario wäre gewesen, wenn die Eurokrise plötzlich verflogen wäre und man die Konstruktionsfehler des Euro behoben hätte. Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios: fast null. Die SNB-Führung muss auch zu diesem Schluss gekommen sein. Hätte sie länger gewartet und die Bilanz weiter aufgebläht, wäre der Exit nur teurer geworden.

Persönlich habe ich am Freitag Dollar gekauft, weil ich nach wie vor davon überzeugt bin, dass der Greenback aufwärts tendiert. Auch zum Franken. Ebenfalls gekauft habe ich einen ETF auf den SLI sowie Einzeltitel, die ich schon hielt und von deren Perspektiven ich überzeugt bin: Novartis, Syngenta (SYNN 283.4 -6.53%), Geberit (GEBN 294 -7.78%), Schindler (SCHN 126.6 -4.81%), Temenos (TEMN 27.45 -4.36%) und Bucher (BUCN 219.9 -5.5%). Zudem habe ich einige Swatch Group erworben. Aber ich halte immer noch viel trockenes Pulver.

Die gute Nachricht für die Banken: Nun sind im Derivategeschäft wieder Absicherungskontrakte für den Euro-Franken-Wechselkurs gefragt. Die benötigte zwischen September 2011 und Januar 2015 im Markt nämlich niemand mehr, weil die SNB diesen Part übernahm.

Sunrise im Regen?

Sunrise scheint kein Glück zu haben: Seit vergangenem Herbst beobachtet der Börsenaspirant das Geschehen an den Märkten. Und was muss das Management sehen? Rivalin Orange wird im November an Xavier Niel verkauft. In Frankreich lehrte der Unternehmer die dortigen Mobiltelefonie-Anbieter mit aggressivem Preiskampf das Fürchten. Die Nachricht des Verkaufs von Orange hatte daher unmittelbare Folgen für Swisscom (SCMN 515 -2.74%). Die Aktien des Platzhirsches sanken an einem Tag 8%. Für Sunrise hiess dies: Die erreichbare Bewertung im Börsengang wird niedriger ausfallen als gehofft – mit der Konsequenz, dass das IPO vertagt wurde.

Diese Woche sah Sunrise nun endlich die Zeit gekommen, zum Sprung an die Börse anzusetzen – noch bevor im Frühling Orange an Niel übergeht und sein Einfluss sichtbar wird. Aber jetzt fegt die SNB-Panik über die Schweiz. Die Unsicherheit und Volatilität ist auf ein Niveau gestiegen, das Neuzugänge an die Börse für gewöhnlich nicht mehr zulässt. Wird es also wieder nichts mit dem IPO? Nein, denn die einzige SMI-Position, die am tiefroten Donnerstag zu Handelsschluss grün aufleuchtete, war: Swisscom.

«Alles on Track für das IPO», höre ich beruhigende Worte eines Freundes aus dem Umkreis von Sunrise. Wie Swisscom hat Sunrise kaum eine Anfälligkeit gegenüber Fremdwährungen. Starke Franken bestimmen den Cashflow. Die angepriesene Dividendenstory habe in der neuen Situation nur an Strahlkraft gewonnen, höre ich. Die Zinsen drehen in den negativen Bereich: Sogar zehnjährige Eidgenossen haben seit Freitag eine negative Rendite. Das Interesse, besonders von ausländischen Investoren, an einer hohen Dividendenrendite in Franken sei zusätzlich gestiegen, tönt es optimistisch.

Ob auch die derzeitige Sunrise-Eignerin CVC bereits vor dem Börsendebüt ihrer Portfoliogesellschaft einen satten Währungsbuchgewinn auf ihrem Frankeninvestment hat einstreichen können, liegt im Dunkeln. Der Sonnenaufgang aber wird erwartet: Das Börsendebüt von Sunrise soll stattfinden, sobald die Wolken über den Aktienmärkten sich lichten, wird mir versichert.

Prominente Unterstützung

Der Fall Sika (SIK 2822 -4.73%) wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Die Anlagestiftung Ethos legt sich für die Minderheitsaktionäre ins Zeug, die wegen des Verkaufs der Stimmenmehrheit der Familie Burkard an Saint-Gobain  Kursverluste hinnehmen mussten. Nun erhält Ethos Unterstützung: Zur Wochenmitte haben der Bill & Melinda Gates Foundation Trust, Cascade Investment, Fidelity Worldwide Group und Threadneedle Investment gemeldet, dass sie sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen haben. In einem «Letter of Support» unterstützen sie das Management von Sika in seinem Kampf um die Sicherung des Unternehmens.

Nur einen Tag später formierte sich eine weitere Supportgruppe. Sie will Ethos im Kampf für den Antrag auf Streichung der Opting-out-Klausel unterstützen. Diese ermöglicht es Saint-Gobain (SGO 33.29 -0.28%) nämlich, rund 52% der Stimmrechte mit nur 16% des Kapitals zu übernehmen, ohne den übrigen Aktionären ein Pflichtangebot zu unterbreiten.

Das klingt zwar schön, doch der Antrag auf Streichung der Opting-out-Klausel ist chancenlos, weil die Familie natürlich nicht auf ihr Stimmrecht verzichtet. Und, mit Verlaub: Das Gewicht der unzufriedenen Aktionäre ist gering. Die Gruppe um die Gates Foundation bringt es auf 4,6% der Stimmen, die Ethos-Gruppe auf rund 1,5%. Immerhin: Wenn sie bewirken, dass sich die Politik ernsthaft mit der Opting-out-Problematik befasst, wäre schon etwas gewonnen.

Entscheidend für den Ausgang des Zwistes und damit die Zukunft von Sika ist nicht die Abstimmung über das Opting-out an der a.o. GV, sondern ob sich das Management von Sika und Saint-Gobain arrangiert. Wie ich erfahren habe, haben gestern Freitag die ersten Gespräche zwischen der Familie Burkard, dem Sika-Management und Saint-Gobain stattgefunden. Im Interesse des Unternehmens kann ich nur hoffen, dass sich die Kontrahenten finden.

Ihr Praktikus

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