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06:58 Uhr - 06.10.2015

«Viele gute Aktien sind wieder günstig»

Robin Milway, Manager des Dynamic European Equity Fund von EFG Asset Management, setzt nach der jüngsten Korrektur auf Adecco und andere europäische Titel.

Herr Milway, die Börsen haben seit August zum Teil deutlich korrigiert. Sehen wir das Ende des Bullenmarktes?
[info 2R]Die Märkte sind in der Tat schwieriger und anspruchsvoller geworden. Aber ich erwarte weder einen Crash noch den Tod des Superzyklus. Immerhin wird es jetzt wieder deutlich interessanter, an den Börsen zu investieren.

Weshalb?
Es scheint zu einfach, Aktien zu kaufen, wenn alles nach oben geschwemmt wird. Investoren fehlen in solchen Phasen gewisse Anhaltspunkte, die wegen der Hausse ausser Kraft gesetzt werden, wie die Bewertung. Am Ende einer Hausse sind fast alle Aktien überdurchschnittlich hoch bewertet. Wenn die Kurse aber schwankungsanfälliger werden, gibt es wieder Chancen für Stock Pickers.

Die Einbahnstrasse an der Börse, die seit April unterbrochen ist, ist definitiv vorbei?
Ich gehe davon aus. In Europa ist der Effekt des Quantitative Easing, QE, sehr schnell vorübergegangen.

Hat Sie das überrascht?
Es war zumindest bemerkenswert, wie schnell der Effekt der Geldschwemme verpufft ist. Das zeigt uns gleichzeitig auf, dass die Wirkung des billigen Geldes der Zentralbanken allmählich nachlässt. Bereits das QE3 in den USA war bei weitem nicht mehr so effektiv wie das QE1 und das QE2. Zudem kann die Europäische Zentralbank nur das Sentiment antreiben, nicht aber die reale Wirtschaft. Dort gibt es andere entscheidende Treiber, einer davon ist China. Von dort kommen wenig hoffnungsvolle Anzeichen.

Was heisst das für die Aktienkursentwicklung bis Ende Jahr?
Ich denke nicht kurzfristig. Mein Anlagehorizont liegt bei mindestens drei Jahren.

Und Ihre Prognose für 2018?
Die Hoffnung, dass die Märkte zu einer Normalisierung zurückfinden.

Das heisst?
Wir haben derzeit ein ziemliches Durcheinander. Auf der einen Seite die USA, die sich nicht dazu durchringen können, die Leitzinsen zu erhöhen, und auf der anderen Seite China, das mit der Abwertung und der Aktienblase im Sommer für Unruhe an den Märkten gesorgt hat und damit nicht zuletzt die USA davon abhält, die Zinsen zu erhöhen. Hier wäre eine Normalisierung gesund.

Sie managen einen europäischen Aktienfonds. Wie zuversichtlich sind Sie für die Eurozone?
Im Moment bin ich verhalten optimistisch. Die Frage ist, wie stark die Entwicklung in China Europa treffen wird. Europa exportiert rund 2% seiner Waren nach China. Verlangsamen sich die Exporte, gibt dies Druck auf die Margen und auf das Wirtschaftswachstum in Europa. Im schlimmsten Fall droht Europa ein Nullwachstum.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Unternehmensgewinne? Diese liegen noch immer tiefer als 2011.
Das ist sektorabhängig. Die Gesamtsicht ist von den Gewinnrevisionen im Energie- und Rohstoffbereich negativ beeinflusst. Es gibt einzelne Sektoren mit Gewinnwachstum. Ich denke da an Healthcare oder an den Finanzsektor.

Ungewöhnlich ist, dass Sie in einem Europafonds auch auf Schweizer Aktien setzen. Weshalb?
Aus ökonomischen Überlegungen macht es wenig Sinn, europäische Titel von schweizerischen zu trennen. Schweizer Gesellschaften sind genauso paneuropäisch unterwegs wie solche aus der Eurozone. Roche (ROG 260.5 1.76%) (RO 263.25 2.03%) ist einer der globalsten Player überhaupt, Adecco (ADEN 74.05 4.15%) ist stark abhängig von Frankreich und damit sehr europäisch. Wir gehen vom europäischen Bezug aus, nicht vom Ort der jeweiligen Kotierung.

Was spricht dennoch für Aktien von Schweizer Unternehmen?
Die sind in der Regel gut gemanagt, haben ein stabiles Aktionariat und beweisen ein nachhaltiges Wachstum. Besonders gefallen mir die kotierten Gesellschaften, die von Familien verwaltet werden.

Keine Sorge, dass sich der Fall Sika (SIK 3087 1.68%) wiederholen könnte?
Solange die Besitzerfamilie die Kapitalstruktur des Unternehmens versteht, habe ich wenig Zweifel. Entscheidend ist oft die Generation. Schwierig wird es meist ab der dritten oder der vierten Generation, wenn die Erben nicht mehr darauf aus sind, den Gewinn zu maximieren, sondern ihren Lifestyle zu finanzieren. Anstelle einer Familie kann aber auch eine Stiftung die nachhaltige Entwicklung garantieren. Schauen Sie sich mal die dänische Pharmagesellschaft Novo Nordisk an. 26% der Aktien werden von der unternehmenseigenen Stiftung gehalten, die damit auch der grösste Aktionär ist. Sie beeinflusst die wichtigen Unternehmensentscheide, als Pensionsstiftung denkt sie über eine längere Periode als nur von Quartal zu Quartal.

Wie wählen Sie Aktien für Ihren Fonds aus?
Mich interessieren vier Punkte: der Cashflow, die Qualität des Managements, das Wachstum sowie die Bewertung an der Börse. Ich kann nicht voraussagen, welche Titel an Wert gewinnen oder verlieren. Aber ich will Unternehmen finden, von denen ich glaube, dass sie in Zukunft grösser, bedeutender und profitabler als heute sind. Mein Team spricht mit den CEO sowie mit anderen Personen aus den Unternehmen, um das Innenleben zu spüren.

Welche Schweizer Aktien gefallen Ihnen nach der jüngsten Korrektur?
Ganz klar Adecco. Noch muss der neue CEO aufzeigen, wie er den Konzern führt. Aber er kennt das Geschäft in Frankreich, und darin könnte der Schlüssel zum Erfolg liegen. Gelingt es Frankreich, zu nachhaltigen Wachstumsraten zurückzukehren, wird Adecco besonders profitieren.

Weitere Kaufgelegenheiten in der Schweiz?
Derzeit fokussiere ich mich weniger auf Schweizer Titel. Sie haben weniger korrigiert als europäische Aktien. Dort gibt es bessere Einstiegsmöglichkeiten. Viele gute Unternehmen sind durch den Kurssturz wieder mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 bewertet und haben gut und gerne 20 bis 30% Potenzial nach oben. Titel wie Nestlé (NESN 74.7 1.84%) sind für mich aber ein Stabilitätsanker im Portfolio. Von Nestlé halte ich deshalb immer 3 bis 5% im Fonds.

Wo greifen Sie bei europäischen Titeln zu?
zoomAttraktiv sind zum Beispiel die Aktien der holländischen Bank ING, die seit August 20% korrigiert haben. Ebenfalls stark gelitten haben Sodexo (SW 76.03 2.88%), ein französisches Facility-Management-Unternehmen, der deutsche Automobilzulieferer Continental (CON 195 1.11%) und das belgische Postunternehmen Bpost. Bei diesen Titeln sehe ich gute Chancen, dass sie den Markt schlagen.

Ist Volkswagen (VOW 112.3 1.17%) nach dem jüngsten Kurscrash ein Titel, bei dem Investoren als Contrarians einsteigen könnten?
Für Stock Pickers ist VW kaum ein Thema. Das Unternehmen erzielt auf dem Kapital einen tiefen Ertrag, das Business ist sehr komplex, sie sind in einem unglaublich kompetitiven Markt tätig – und vor allem ist die Gesellschaft sehr gross geworden. Für mich steht Volkswagen heute da, wo BP nach dem Macondo-Unglück im Golf von Mexiko vor fünf Jahren stand. Auch damals war ich kein Käufer von BP-Aktien.

Ist es ein Alarmzeichen, wenn Unternehmen sehr gross werden?
Durchaus. Auch bei Zurich Insurance (ZURN 247.1 3.04%) frage ich mich, ob diese Gesellschaft inzwischen nicht zu gross und zu komplex geworden ist, um in sie zu investieren. Grundsätzlich mag ich das Property-&-Casualty-Versicherungsgeschäft, Zurich hat 3 Mrd. auf der Bilanz, die sie an die Aktionäre ausschütten könnte, die Dividendenrendite von 6% ist gesichert, das Management hat einen guten Track Record. Ich bin gespannt, was der neue Chef der Nichtlebensparte bewegen wird.

Grossbritannien ist eines der Hauptthemen Ihres Fonds. Weshalb?
Das ist eine bewusste Entscheidung, auch aus Benchmark-Überlegungen. Unsere Messgrösse ist der Index MSCI Europe, der zu 30% aus britischen Aktien besteht. Zudem ist es ein Markt, der im IT-Bereich fantastische Unternehmen aufweist.

Welche Titel haben Sie dort im Blickfeld?
Ich glaube stark an das Potenzial von Spire Healthcare (SPI 4.862 0.66%), der grössten britischen Betreiberin von privaten Spitälern. Auch die dortigen Banktitel könnten wieder interessant werden.

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