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10:49 Uhr - 03.05.2016

«Besserer Ausblick für Gewinne in Asien»

Andrew Swan, Leiter asiatische Aktien beim Fondshaus BlackRock, setzt auf Pläne der chinesischen Regierung, die Überkapazität im Industriesektor abzubauen.

Herr Swan, wie steht es momentan um asiatische Aktien?
Die vergangenen fünf Jahre waren schwierig. Es gab keine Rendite und hohe Schwankungen. In den letzten sechs Monaten hat sich die Lage noch verschlechtert, da sich die Probleme in China vergrössert haben. Nicht nur die Situation in China selbst trug dazu bei, sondern auch die Geldpolitik der US-Notenbank Fed. Viele Leute unterschätzen noch, wie wichtig das Fed für die Schwellenländer ist.

Was für einen Effekt hat das Fed denn?
Die Erwartung höherer Zinsen in den USA übte Druck auf die Liquidität und die Währungen in den Schwellenländern aus. Gleichzeitig haben die Wachstumstreiber in Asien ihre Kraft verloren. Das einstige Wachstumsmodell, das von billiger Arbeitskraft, hohen Kapitalinvestitionen und der Ausweitung der Industrie gelebt hat, kam zu seinem Ende. Diese zwei Faktoren – die US-Geldpolitik und das Ende des alten Wachstumsmodells – haben den weiteren Abschwung in der Wirtschaft und im Aktienmarkt ausgelöst.

Wie geht es nun weiter?
Anleger investierten in Asien sehr defensiv, da sie einen Kollaps Chinas wegen der dortigen Probleme im Blick hatten. Im Januar kam es zu einem Crescendo dieser Ängste. Doch dieses Crescendo hat einen bedeutenden Wechsel in der weltweiten Geldpolitik eingeläutet. Seitdem scheint es, dass das Fed eher «dovish» eingestellt ist – also keine Straffung der Geldpolitik anstrebt. Das hat zu einer Abwertung des Dollars geführt und ein stabileres Umfeld für die Schwellenländerwährungen gebracht. Seit Februar sind die Zentralbanker viel geschlossener bei ihrem Kampf gegen die Deflation. Und Deflation ist das, was der Markt fürchtet. Zentralbanken scheinen nun die Inflation antreiben zu wollen.

Das bringt Liquidität in Schwellenmärkte?
Um auf Inflation zu setzen, handelt man riskante Aktien, also Aktien aus Asien und Schwellenländern sowie Grundstoff- und Industriewerte. Diese Sektoren wurden bisher von Anlegern gemieden. Viele glauben, das ist nur taktisch und stimmungsgetrieben. Ich glaube dagegen, es wird länger anhalten. Ich sage nicht, dass es keine Probleme gibt – aber sie sind gut dokumentiert. Und der geldpolitische Wandel wird ein Treiber für die Schwellenländer bleiben. Es gibt auch Wachstumsverbesserungen in China und Indien. Dieses Jahr wird besser für Asiens Wachstum, als wir es für einige Zeit hatten.

Sollte man also Aktien der Schwellenländer übergewichten?
Ja, denn sie sollten die Aktien in entwickelten Märkten mittelfristig übertreffen. Aber das hängt von der Geldpolitik ab. Würde das Fed plötzlich die Inflation als ein Problem sehen, wäre das schlecht für dieses Szenario. Aber meine Einschätzung ist, dass die Geldpolitik noch einige Zeit expansiv bleibt, was die Schwellenmärkte stützt. Auch sind die Bewertungen attraktiv. Und das zu einer Zeit, in der das Wachstum in den USA nachlässt.

Andrew Swan Bild: Gareth Jones PhotographySind die günstigen Bewertungen nicht durch den Abschlag auf Energie- und Industrietitel begründet?
Man sollte nicht den ganzen Index kaufen, sondern auf einzelne Titel setzen. Aber historisch kam die Bewertung des asiatischen Marktes immer wieder zu ihrem Mittelwert zurück. Über die vergangenen fünfzig Jahre hat der Markt seinen Tiefpunkt bei einem Verhältnis von Kurs zu Buchwert von 1 bis 1,2 gefunden. In guten Zeiten stieg er auf ein Kurs-Buch-Verhältnis von bis zu 3. Und nun wurde das Bewertungstief wieder bei 1,2 erreicht.

Wie relevant ist das Kurs-Buch-Verhältnis, wenn die Gewinne zurückgehen?
Seit einiger Zeit sind die Gewinne in Asien unter Druck. Aber es gibt ein Auseinanderlaufen innerhalb des Marktes, und der Gewinnzyklus ist immer noch ziemlich harmlos. Das grösste Gewinnwachstum  haben Unternehmen aus der New Economy verzeichnet und solche, die in direktem Kundenkontakt stehen oder im Technologiesektor tätig sind. Aber nun sieht die Old Economy wieder interessant aus, da die Bewertungen tief sind und es einen klaren Plan in China gibt, Überkapazitäten abzubauen. Das sollte den Gewinnen der Industrie- und der Grundstoffunternehmen helfen.

Bedeutet ein Kapazitätsabbau nicht, dass manche Firmen nicht überleben werden?
Wir sind sehr vorsichtig bei der Auswahl der richtigen Unternehmen. Gesellschaften, die einen Kostenvorteil haben und eine gute Bilanz vorweisen, werden hohe Gewinne einstreichen. Diese Unternehmen können eine grössere Macht bei der Preissetzung ausspielen, da es weniger Wettbewerber gibt. Vor einem Jahrzehnt profitierten diese Sektoren vom Anstieg der Nachfrage. Diese Zeit kommt nicht mehr zurück. Heute geht es nicht um eine höhere Nachfrage. Daher müssen sich Anleger darum sorgen, auf das richtige Pferd zu setzen statt auf den ganzen Sektor. Koreanische Stahlunternehmen etwa könnten von der Kapazitätsreduktion in China profitieren, während chinesische Stahlproduzenten riskant sein könnten, da man sie auffordern wird, sich zusammenzuschliessen.

Sind Unternehmen in Asien darauf vorbereitet, dass das alte Nachfragewachstum nicht zurückkommt?
Das ist ein Anpassungsprozess. Unternehmen schauen weniger auf ihren Marktanteil, sondern versuchen, ihre Gewinnmarge auszubauen. Das zeigt sich nun in den Zahlen. Das Wachstum der Kapitalinvestitionen im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt hat sich verlangsamt. Dieses Verhältnis läuft entgegengesetzt zu den Gewinnmargen. Wächst die Kapazität schnell, fallen normalerweise die Margen. Der Gewinnausblick ist für die nächsten Jahre besser als für die vergangenen Jahre.

Sie haben die gute Performance von Technologietiteln erwähnt. Zählen dazu auch Unternehmen aus China?
Es gab fantastische Investments im Internetsektor. Auch Gesundheitsunternehmen bieten gute Gelegenheiten. Der Hintergrund dafür ist, dass die chinesische Regierung viele Massnahmen ergriffen hat, um Unternehmen bei der Technologie nach vorne zu bringen. Mit viel Geld wurden die Ausweitung, die Geschwindigkeit und die Qualität von Technologie und Online-Diensten gefördert. Das steht im Gegensatz zu Indien. Dort gibt es das gleiche Potenzial, aber da der koordinierte Ansatz und die Infrastruktur fehlen, liegt man dort etwa sechs Jahre zurück.

Die Technologiefirmen in China kopieren nicht nur westliche Ideen?
In mancher Hinsicht führen sie die Welt an. Ein Beispiel dafür ist, wie Finanzdienstleistungen online abgewickelt werden und darum herum neue Geschäftsmodelle gebaut werden. So nutzt etwa ein Internetunternehmen Daten aus sozialen Medien, um daraus ein eigenes Kreditratingsystem abzuleiten. Dank solchen Innovationen können Kunden innerhalb von dreissig Sekunden über einen vorher genehmigten Kredit auf ihrem Bankkonto verfügen. Die Online-Unternehmen nehmen den Banken ihre Stellung als Mittelsmann weg. Dieser Sektor wächst sehr schnell und ist in China einzigartig.

Wie ist Ihre Meinung zu chinesischen Banken? Um die scheint es nicht gut zu stehen.
Wir sind den Banken gegenüber negativ eingestellt. Unsere Erwartung einer steigenden Inflation spielen wir nicht über die Geldhäuser. Wir setzen lieber auf die Sektoren Energie, Grundstoffe und zyklischer Konsum. Die Banken zahlen einen Preis für die Exzesse der Vergangenheit. Schlechte Schulden wurden angehäuft, und die Gewinne sind unter Druck. Aber Banktitel laufen am besten spät im Konjunkturzyklus. Sollte die Erholung anhalten, könnten die Geldhäuser profitieren. Ausserdem plant die Regierung, den Schuldenüberhang im Finanzsystem abzubauen. Das sollte man in den nächsten zwölf Monaten im Blick haben.

Was ist Ihr Lieblingsmarkt in Asien?
Das Wachstum lässt den indischen Markt sehr stark aussehen. Aber man muss genau auswählen, was man dort kauft. Es gibt sehr teure Aktien. Wir bevorzugen Titel, die eher im Gleichschritt mit dem inländischen Zyklus laufen, also keine defensiven Titel. Viele Anleger fokussierten sich zu sehr auf die defensiven Aktien. Aber die sind nun teuer zu einer Zeit, in der es nach einem höheren Wachstum aussieht.

Welche Sektoren bevorzugen Sie in Indien?
Wir setzen auf Unternehmen aus dem  Marketing- und dem Dienstleistungsbereich sowie auf den Finanzsektor und Versorger. In entwickelten Märkten gelten Versorger nicht als zyklische Titel, in Indien sind sie es aber. Sie haben eine hohe Volatilität beim Unternehmensgewinn. Die Gewinnschwankungen sind in Nachfrageänderungen, aber auch Schwierigkeiten bei der Weitergabe von Kosten begründet. Wir investieren zudem in eine wachsende Stromkapazität in Indien. Die grosse Herausforderung ist, dass mehr als 200 Mio. Inder keine Elektrizität haben. Die Regierung unter Premier Narendra Modi will die Elektrizitätsversorgung ausbauen. Das generiert Wirtschaftswachstum und zieht Auslandinvestitionen an.

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