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16:49 Uhr - 07.02.2020

Eine halbe Million Jobs, die es niemals gab

Die Bilanz zum US-Beschäftigungswachstum der Regierung Trump, welche in der Rede zur Lage der Nation noch gefeiert wurde, verliert an Glanz.

Die Ereignisse der vergangenen ­Woche dürften dem Ego von US-Präsident Donald Trump weiteren Auftrieb verliehen haben. Seine Ansprache zur Lage der Nation ist von den meisten Mitgliedern der «Grand Old Party» im Kongress mit frenetischem Beifall gefeiert worden. Nur wenige Stunden später ist Trump durch den Senat im Amtsenthebungsverfahren von allen Anklagepunkten freigesprochen worden. Das Debakel der demokratischen Vorwahlen in Iowa rundete aus republikanischer Sicht eine gelungene Woche ab.

In seiner Rede zur Nation mit dem Titel «Das grossartige amerikanische Comeback» rühmte der Präsident besonders den Zustand der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts, der so gut sei wie nie zuvor. Mit der Veröffentlichung des Arbeitsmarktberichts am Freitag machte ihm das Statistikamt BLS allerdings einen kleinen Strich durch die Wahlkampfrechnung.

Bösartige Revisionen

Denn mit einem Schlag gingen der US-Wirtschaft 514 000 Jobs verloren. Die jährlich durchgeführte Benchmark-Revision der Beschäftigungszahlen macht deutlich, dass der tatsächliche monatliche Jobzuwachs von März 2018 bis März 2019 doch deutlich tiefer liegt als ursprünglich berichtet. Insgesamt wurden über diese zwölf Monate etwa 2 Mio. Stellen geschaffen, statt der zuerst berichteten 2,5 Mio.

Entsprechend wurde der Stellenzuwachs im Jahr 2018 von ursprünglich 2,7 Mio. auf 2,3 Mio. gekürzt. Damals hatten die Steuersenkungen für Unternehmen temporär noch einen Schub an neu geschaffenen Stellen bewirkt. Selbst das Jobwachstum für das Gesamtjahr 2019 wurde leicht nach unten revidiert. Seit dem Amtsantritt von Trump lag somit das Beschäftigungswachstum in jedem Jahr tiefer als noch im letzten Amtsjahr von Präsident Barack Obama. Das Momentum nimmt zudem seit 2018 eher ab.

Die neuen revidierten Daten basieren auf den Abgaben, welche die Unternehmen abführen müssen für Jobs, die unter die staatliche Arbeitslosenversicherung fallen. Die Steuerdaten sind verlässlicher als die Unternehmensumfrage, die zur Ermittlung des monatlichen Stellenwachstums durchgeführt wird. Im Gegensatz zu anderen Ländern wird bei der Payroll-Erhebung nicht die Zahl der Beschäftigten ermittelt, sondern die Anzahl von Stellen. Eine Person, die mehrere Jobs gleichzeitig ausübt, wird auch mehrfach gezählt.

Jobrevisionen hin oder her, tatsächlich ist der Arbeitsmarkt in den USA nach über zehn Jahren Erholung von der Finanzkrise überaus gesund. Im Januar brummte der Jobmarkt, nicht zuletzt dank des ungewöhnlich freundlichen Winterwetters. Der Einzelhandel, der Bausektor, Gaststätten und die Vergnügungseinrichtungen zeigten sich überaus einstellungsfreudig.

Jetzt hilft der Zensus

Das Stellenplus im Privatsektor letzten Monat betrug 206 000 statt der erwarteten 155 000. Die separat erhobene Arbeitslosenquote stieg von 3,5 geringfügig auf 3,6%. Die Beschäftigungsquote der Personen im Alter zwischen 25 und 54 Jahren rundet das Bild des gesunden Arbeitsmarkts ab. Die Quote ist nochmals leicht auf 83,1% gestiegen – das höchste Niveau seit der Finanzkrise. Doch trotz Vollbeschäftigung und Arbeitskräftemangel in vielen Sektoren bleibt das Lohnwachstum eher verhalten.

Über die kommenden Monate wird der Stellenmarkt indes mächtige Unterstützung bekommen, wenn auch nur temporär. Die in der Verfassung festgeschriebene Pflicht zur grossen Volkszählung alle zehn Jahre wird erfahrungsgemäss bis Mai für eine massive Rekrutierungswelle sorgen. Ab April werden Hunderttausende von temporär Beschäftigten demografische Daten sammeln, aufarbeiten und auswerten. Doch der Zensus ist schon Monate vorher beschäftigungswirksam.

Basierend auf Erfahrungen der vorhergehenden Jahrzehnte wird das Stellenplus im Mai einen Höhepunkt erreichen. 2010 wurden so bis Jahresmitte über 500 000 Staatsangestellte mehr ausgewiesen. Die Tendenz ist von einem Jahrzehnt zum Nächsten steigend, trotz zunehmender Technologisierung. Mit diesem Stellenzuwachs wird Trump sicher auftrumpfen.

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