Das breite Sortiment und das Auslandgeschäft verleihen der Lebensmittelgruppe Stabilität, aber der Markt hatte sich mehr erhofft.
Es sind anspruchsvolle Zeiten für die Lebensmittelindustrie. Zwar ist die Nachfrage gut, doch der Umgang mit höheren Preisen wird immer schwieriger. So ergeht es auch Orior (ORON 75.90 +0.80%). Die kleine Lebensmittelgruppe kann das hohe Wachstum nicht wie gewünscht in Profitabilität ummünzen. Diesbezüglich waren die Erwartungen im Vorfeld der Zahlen wohl etwas zu hoch, die Aktien verlieren am Dienstag überdurchschnittlich.
Wie schon bei anderen Nahrungsmittelherstellern ist das Halbjahresresultat von rasant steigenden Preisen und einer stagnierenden bis leicht rückläufigen Marge geprägt. Es sind aber nicht höhere Preise, die zum Wachstum beitragen. Wie CEO Daniel Lutz an einer Telefonkonferenz sagte, war «deutlich über die Hälfte davon» Volumenwachstum. Zum Vergleich: Internationale Food-Multis wie Nestlé (NESN 115.14 -0.02%) kamen zuletzt nur noch knapp auf mehr produzierte Volumen.
Besonders beliebt waren Convenienceprodukte der Marken Fredag, Le Patron oder Pastinella. Dabei war das pflanzliche Sortiment erneut einer der Wachstumstreiber. Orior kommt mit Tofu-Nuggets, Vegi-Schnitzeln oder Bohnen-Burgern in der Schweiz auf einen Marktanteil von rund 30%.
Die Normalisierung der Konsumgewohnheiten mit Abklingen der Pandemie betrifft Orior in zwei Richtungen. Einerseits gehen die Verkäufe über den Detailhandel zurück, da sich die Leute nicht mehr nur zu Hause verpflegen. Dazu passt, dass die Verkäufe über den grössten Einzelkunden Migros (ein Viertel des Gesamtumsatzes) um 11% gesunken sind.
Andererseits wird die Rückkehr der Reisegastronomie zusehends zu einer wichtigen Stütze. Die ab 2019 schrittweise übernommene Casualfood ist an verschiedenen Flughäfen und Bahnhöfen mit unterschiedlichen Verpflegungsformaten präsent. Sie kam auf einen Umsatz von knapp 20 Mio. Fr., was aber immer noch weniger ist als vor der Pandemie.
Nimmt die Reisefreude weiter zu, spürt Orior das überdurchschnittlich, da Casualfood in normalen Zeiten deutlich profitabler ist als die Gruppe insgesamt. Insofern macht es Sinn, dass die Jahresziele weiterhin gelten respektive für den Umsatz gar erhöht werden. Neu erwartet das Management 645 bis 660 Mio. Fr. Zudem geht es weiterhin davon aus, eine Ebitda-Marge von 10 bis 10,3% zu erreichen.
Finanzchef Andreas Lindner erwartet allerdings anhaltenden Preisdruck und teilweise Knappheit. Besonders bei Rohstoffen aus der Schweiz und bei Bioprodukten. Die Preise für Rind- und Schweinefleisch sind an einen automatischen Mechanismus zwischen Industrie und Detailhandel geknüpft. Bei anderen Rohstoffen oder Kunststoff für Verpackungen sind hingegen Verhandlungen mit den Kunden nötig. Ebenfalls schwierig ist es mit der Weitergabe von teurerer Energie.
Unter dem Strich spürt Orior das Auslaufen von deutschen Wirtschaftshilfen (nur noch 2,5 Mio. Fr., nach 5,7 Mio. im Vorjahr). Trotzdem wird das Kapital effizient einsetzt, der ROCE (Return on Capital Employed) steigt auf den höchsten Wert der letzten Jahre.
Beim Erreichen der eigenen Ziele und bei etwas konstruktiveren Marktbedingungen sind Kurse um 90 Fr. wieder möglich. Hinzu kommt die attraktive Dividendenrendite von 3%. Die weitere Wertentwicklung braucht jedoch Zeit.
Die komplette Historie zu Orior finden Sie hier. »
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