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18:19 Uhr - 27.05.2016

Twint-Chef: «Wir wollen das Zahlungsverhalten ändern»

Thierry Kneissler, Chef der fusionierten mobilen Bezahldienste Twint und Paymit, kämpft gegen alte Gewohnheiten und neue Wettbewerber.

Er ist der CEO der PostFinance-Tochter Twint und wird im neuen Gemeinschaftsunternehmen mit Paymit ebenfalls den Chefposten übernehmen. Im Interview mit «Finanz und Wirtschaft» erklärt Thierry Kneissler, wie die neue Twint aufgebaut sein wird, wie die Nutzerzahlen gesteigert werden sollen und wo er die grösste Konkurrenz ortet.

Thierry KneisslerThierry Kneissler (45) ist seit 2015 CEO der PostFinance-Tochter Twint. Zuvor führte der Schweizer seit 2008 die Abteilung Unternehmensentwicklung und war Mitglied der Geschäftsleitung von PostFinance. Kneissler war nach seinem Volkswirtschaftsstudium an der Universität Bern sowie am University College Cork, Irland, bei der Berner Kantonalbank als Projektleiter tätig. An der Universität St. Gallen (HSG) absolvierte er 2001 ein Executive MBA. 2003 trat er bei PostFinance als Projektleiter ein. Kneissler lebt in Bern, ist verheiratet und Vater zweier Kinder.Herr Kneissler, Ende März wurden die gemeinsamen Gespräche angekündigt. Jetzt steht die Fusion. Wie verliefen die Verhandlungen?
In einer aussergewöhnlichen Geschwindigkeit. Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Gespräche enorm konstruktiv verliefen. Alle Parteien wollten von der ersten Minute an eine gemeinsame Lösung, daran bestand nie ein Zweifel.

Am Ende sollen sich die operativen Fragen als schwieriger erwiesen haben. Sprich: Gründet man ein gemeinsames Unternehmen, wer bringt was ein, wer hat wo das Sagen?
Das habe ich nicht als speziell schwierig erlebt. Da gab es normale Verhandlungen, aber keine Konflikte. Die Fragen waren nun mal da und mussten gelöst werden. Gerade im technischen Umfeld wissen wir noch nicht, wie es im Endeffekt aussehen soll, aber das kann man jetzt noch nicht erwarten, schliesslich sassen auch nicht alle Tech-Spezialisten mit am Tisch.

Am Ende hat sich Ihre Seite dann aber doch stark durchgesetzt. Das neue Unternehmen trägt den Namen der jetzigen PostFinance-Tochter Twint und erhält mit Ihnen auch gleich den jetzigen Chef.
Zum Namen: Es gibt zwei etablierte Marken – Paymit und Twint. Es hätte keinen Sinn gemacht, eine völlig neue Marke zu schaffen, damit hätte man einfach Wert vernichtet. Am Ende haben wir uns für den Namen entschieden, der für das Geschäftsmodell besser geeignet ist. Denn wir machen nicht nur Payment, sondern auch Mehrwertleistungen. Zudem wird es ein umfassendes optisches Rebranding geben. Zur Führungsstruktur: Da müssen Sie die Eigentümer fragen. Diese haben mich als CEO am geeignetsten empfunden. Ausserdem ist mit Jürg Weber, CEO des SIX-Geschäftsbereichs Payment Service, ein Paymit-Vertreter Verwaltungsratspräsident.

Die Eigentümer des neuen Unternehmens sind die fünf grössten Banken der Schweiz und die SIX. Wie gross sind jeweils ihre Anteile an Twint?
Das kommunizieren wir nicht.

Werden die Teams von Twint und Paymit jetzt zusammengelegt, oder werden Stellen abgebaut?
Im Detail ist das noch nicht definiert. Grundsätzlich sollen beide Teams zusammengeführt werden. Es wird Platz für alle haben. Das Twint-Team besteht heute aus fünfzehn Leuten, das wird sich ungefähr verdoppeln.

Wo wird der Sitz des neuen Unternehmens sein, Zürich oder am jetzigen Twint-Sitz Bern?
Der juristische Sitz wird in Zürich sein. Gearbeitet wird vorerst noch an beiden Orten.

Sie sind offen für alle Übertragungstechnologien. Aber ist es nötig, jetzt, wo Twint auch über die normalen Zahlterminals an den Kassen gehen kann, dort die eigens installierten Bluetooth-Schnittstellen beizubehalten?
Wir sehen die beiden Technologien als ergänzend. Der Bezahlprozess über Bluetooth ist schneller und einfacher, dafür sind die Terminals, wo via QRCode bezahlt wird, schon praktisch überall vorhanden. Beide Lösungen haben ihre Daseinsberechtigung. Die Händler können die für ihre Bedürfnisse optimale Lösung wählen.

Wie viele Nutzer haben Paymit und Twint heute?
Im Moment haben wir zusammen rund eine halbe Million Kunden und mehrere tausend Transaktionen pro Tag.

Das ist nicht viel.
Die Zahlen sind natürlich noch nicht da, wo wir sie gern hätten. Daran arbeiten wir jetzt. Dank dem Zusammenschluss kann man die gemeinsame App an ganz neuen Standorten nutzen. Wir wollen eine Veränderung im Zahlungsverhalten der Menschen bewirken, und das braucht Zeit, wenn Sie mal an die Geschichte der Kreditkarte denken.

Wie wollen Sie diese Veränderung herbeiführen?
Durch verschiedene Dinge. Durch mehr Akzeptanzstellen, durch verstärktes Marketing für die eine Schweizer Lösung und natürlich mit unseren Mehrwertleistungen. Sie können Kundenkarten in der App hinterlegen, Angebote darüber erhalten. Sie werden mehr als nur Payment machen können.

Ab wann werden Sie mit der neuen Twint Gewinn schreiben?
In den nächsten ein bis zwei Jahren werden wir noch investieren. Dann wird auch Ertrag kommen. Wir sind hier in einem völlig neuen Geschäft, das schwer prognostizierbar ist.

Twint hat heute sehr tiefe Transaktionskosten für die Händler. Wird das so bleiben?
Wir werden ein anderes Preismodell haben, das hängt mit dem Vierparteienmodell zusammen. Die Acquirer werden in Zukunft die Preise für die Händler festlegen.

Werden denn die Nutzer irgendwann für Twint zahlen müssen?
Das ist nicht vorgesehen.

Überwiegend wird in der Schweiz immer noch mit Bargeld gezahlt, der Rest mit Karte. Zudem wird bald die internationale Konkurrenz Apple den Markt für mobiles Bezahlen betreten. Kämpfen Sie hier nicht eine Zweifrontenschlacht?
Die wirkliche Konkurrenz liegt wie gesagt im erlernten Nutzerverhalten der Leute. Wenn mehr mobile Bezahllösungen in die Schweiz kommen, beschäftigen sich die Leute auch mehr damit, und dann werden wir auch Erfolg haben. Wir sind überzeugt von dem, was wir machen.

Wenn Sie Erfolg in der Schweiz haben, werden Sie ins Ausland expandieren?
Das ist eine Option. Technologie ist letztlich grenzüberschreitend. Aber jetzt liegt unser Fokus erst einmal ganz auf der Schweiz.

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