AHV-Reform vorantreiben und Schuldenbremse beibehalten. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Arno Schmocker.
Gesunde Staatsfinanzen und solide Haushaltpolitik sind kein Selbstzweck. Die Schweiz kann die Ausgaben zur Bewältigung der Coronakrise von bislang über 40 Mrd. Fr. weit besser schultern als andere Länder. Weder Sparprogramme noch Steuererhöhungen sind notwendig. Zwar ist der budgetäre Handlungsspielraum für einige Jahre eingeschränkt, doch ist das mit Blick auf die Spendierfreudigkeit der Politik nicht unbedingt ein Nachteil.
Im neusten, vierten Bericht zu den Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen 2019 bis 2050 geht das Finanzdepartement davon aus, dass die Pandemie auf Dauer bloss einen geringen Einfluss auf die Entwicklung der Staatsrechnung hat. Voraussetzung ist, dass die Coronaschulden, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, bis Ende dieses Jahrzehnts über Haushaltüberschüsse und Zusatzausschüttungen der Nationalbank von jährlich 1,3 Mrd. Fr. abgebaut werden. Die Vernehmlassung dazu ist gerade abgeschlossen worden.
Eine grössere Herausforderung für die Schweiz könnte der Klimawandel werden. Mangels Verfügbarkeit wissenschaftlicher Grundlagen sind seine Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen jedoch kaum abzuschätzen, sodass sich der Bericht wohlweislich mit qualitativen Angaben («insgesamt negative, aber moderate Folgen») begnügt.
So bleibt die demografische Entwicklung der Schweiz, namentlich die Alterung der Bevölkerung, der grösste Belastungsfaktor für die öffentlichen Haushalte. Gemäss Szenarien des Bundesamts für Statistik wird das Verhältnis der über 65-Jährigen zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bis 2050 auf 56% steigen; Mitte der Neunzigerjahre waren es 31%. Das belastet die Sozialwerke enorm, weil viel weniger Vollzeitbeschäftigte eine Rente zu finanzieren haben. Die Alterung treibt auch die Gesundheitskosten in die Höhe.
In einem Positivszenario des Berichts wird der Anteil der Bundesschulden am Bruttoinlandprodukt (BIP) im Zeitraum 2019 bis 2050 von 25 auf 45% steigen, im Negativszenario auf 50%. Man mag die Schultern zucken und darauf hinweisen, dass die EU-Nachbarländer schon heute eine doppelt so hohe Quote haben. Aber langfristiges Ziel der Schweiz müsste es sein, den Schuldenanteil am BIP unter 30% zu stabilisieren.
Zwei Elemente sind wichtig. Die Schieflage der AHV gefährdet den Bundeshaushalt am meisten. Soll das Vorsorgewerk bis Ende des Jahrzehnts einigermassen im Lot bleiben, ist das voraussichtlich in der Wintersession vom Parlament mit Verzögerung beschlossene Reformvorhaben AHV 21 ein Muss. Danach ist eine weitere, grundlegendere Reform aufzugleisen.
Will sich die Schweiz langfristig einen grossen finanzpolitischen Handlungsspielraum für unvorhergesehene, gravierende Ereignisse erhalten, sollte sie sich überdies hüten, an der Schuldenbremse zu rütteln. Vor zwanzig Jahren vom Stimmvolk zu 85% gutgeheissen, hat sie sich als sehr wirksames finanzielles Ausgleichinstrument erwiesen.
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