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11:00 Uhr - 27.01.2015

«Ich hoffe, dass sich die Gläubiger Griechenlands bewegen»

Der LSE-Ökonom Paul De Grauwe erwartet im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft» eine Einigung zwischen Griechenland und seinen Gläubigern.

Der Ökonom Paul De Grauwe fordert von den Gläubigern Griechenlands Kompromissbereitschaft, um Schlimmeres zu verhindern. Er kritisiert die EZB als eine nicht neutrale, politisch aktive Institution.

Herr De Grauwe, kann sich die neue griechische Regierung mit ihren Gläubigern einigen?
Ich denke, dass sich die Gläubiger bewegen werden. Es wäre keine Lösung für die Gläubiger, sich nicht in die Richtung von Syriza zu bewegen. Sie werden der neuen Regierung wahrscheinlich erlauben, nach Hause zu kommen und zu sagen: Wir haben gewonnen. Deswegen erwarte ich eine Art von Kompromiss.

Sie sagen also, die Gläubiger werden Syriza erlauben, das Gesicht zu wahren?
Die Alternative wäre, Syriza nichts zu geben. Damit würden die Gläubiger die Griechen zu einer extremen Entscheidung zwingen – den Euro zu verlassen. Ich hoffe und erwarte, dass das nicht passiert, aber ich bin mir nicht sicher.

Zu den nächsten Schritten bei Verhandlungen zwischen Griechenland und den Gläubigern – worauf kann man sich am schwersten einigen?
Am schwersten wird es wohl, sich auf Sparprogramme und Reformen zu einigen. Es wird einfacher, sich etwa auf eine Umschuldung zu einigen, indem etwa die Laufzeiten verlängert werden. Das würde allen erlauben, das Gesicht zu wahren. Die Gläubiger müssten nicht erklären, dass sie Griechenland die Schulden erlassen haben. Gleichzeitig würde mit einer Umschuldung effektiv die Schuldenlast Griechenlands gelockert – das wurde schon zuvor getan. Aber eine Einigung bei der Sparpolitik und den Strukturreformen wird schwieriger zu erzielen sein. Syriza hat schon angekündigt, dass die Ausgaben durch eine Steigerung des Mindestlohns und der Pensionen erhöht werden. Das wird sicherlich schnell mit den Sparzielen kollidieren.

Wer wird mehr bei den Verhandlungen nachgeben müssen, Griechenland oder die Gläubiger?
Das ist schwer zu sagen. Griechenland wird wahrscheinlich mehr nachgeben müssen, da es nicht in einer starken Verhandlungsposition ist. Aber entscheidend ist, dass es auch auf der anderen Seite Bereitschaft zu einem Kompromiss gibt.

Dieses Jahr werden auch in Portugal und Spanien Wahlen abgehalten. Wenn Griechenland erfolgreich ist bei den Verhandlungen, würde es die Wähler in diesen Ländern nicht ermutigen, neue Verhandlungen zu verlangen?
In diesen Ländern laufen die gleichen politischen Prozesse wie in Griechenland ab. Bewegt sich die Gläubigerseite nicht, wird es keine Lösung für die politischen Probleme dort geben. Wir sehen nun, dass die politischen Auswirkungen der Sparprogramme viel stärker sind als zuvor angenommen. Darauf muss man reagieren. Fehlen von Kompromissbereitschaft würde es wahrscheinlicher machen, dass es in den anderen Ländern politische Umwälzungen und noch extremere Reaktionen gibt.

Heisst das, dass die Regierungen in Spanien und Portugal versuchen werden, ihre Sparziele neu auszuhandeln?
Diese Regierungen könnten versuchen, neue Abmachungen zu treffen, nach dem, was in Griechenland geschehen ist. Ich kann mir vorstellen, dass in Spanien nun eine gewisse Nervosität bezüglich Podemos herrscht.

Vergangene Woche hat die EZB ein Quantitative Easing, QE, also den Ankauf von Staatsanleihen, beschlossen. Verhindert das eine Panik an den Finanzmärkten nach den griechischen Wahlen?
Das Quantitative Easing ist bahnbrechend und hat die Finanzmärkte milde gestimmt. Dank ihm sind die Märkte weniger ängstlich. Und es erleichtert die Schuldenlast der Staaten etwas.

Es gibt Sorgen, dass die EZB keine Liquidität mehr für griechische Banken bereitstellen könnte, falls etwa die griechische Regierung die Sparziele nicht mehr erreichen will. Würde das die EZB nicht zu einem politischen Akteur machen?
Die EZB ist ganz sicher ein politischer Akteur, sie hat politische Positionen eingenommen. Als Teil der Troika interveniert sie in vielen Ländern auf eine sehr aggressive Art. Das ist unglücklich, denn die EZB sollte politisch unabhängig sein, und Politikern ist untersagt, bei ihr hineinzureden. Aber die Zentralbank selbst mischt sich ständig ein – und das sollte nicht geschehen.

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