Vor dem Treffen des Ölkartells am Freitag hat sich der Ölpreis deutlich erholt. Doch mittelfristig droht erneut Ungemach.
Die Opec dürfte vor ihrem Treffen am kommenden Freitag in Wien etwas entspannter sein als auch schon. Der Preis für europäisches Rohöl der Sorte Brent (Brent 55.664 1.13%) hat sich in den vergangenen Wochen oberhalb von 55 $ je Fass eingependelt. Weltweit sinkt der Lagerbestand: Die seit gut neun Monaten geltende Förderkürzung der Organisation erdölexportierender Länder scheint endlich zu greifen.
Vor ziemlich genau einem Jahr hatten erste Hinweise auf eine gemeinsame Massnahme der Opec-Staaten und anderer Produzenten wie Russland zur Beschränkung des Produktionsvolumens dem Ölpreis etwas Auftrieb verliehen. Mit der Ankündigung der nationalen Quoten beim Treffen in Wien Ende November folgte die Bestätigung des Vorhabens: Brent verteuerte sich zwischenzeitlich auf knapp 57 $ je Fass.
Tatsächlich setzte das Ölkartell die angekündigte Drosselung auf 32,5 Mio. Fass pro Tag praktisch vollständig um. Doch das weltweite Ölüberangebot hielt sich hartnäckig. Insbesondere die Reaktion der US-Schieferölproduzenten war unterschätzt worden. Zwischen Oktober 2016 und August 2017 stieg das Fördervolumen gemäss der US-Energiebehörde EIA um ein Siebtel auf 9,5 Mio. Fass pro Tag.
Bemühungen zahlen sich kurzfristig aus
Jetzt zahlen sich die Bemühungen doch noch aus – zumindest kurzfristig. Die weltweite Rohölnachfrage ist im dritten Quartal unerwartet stark gestiegen und dürfte das Angebot übertreffen, wie die Internationale Energieagentur (IEA) schreibt. Hinzu kommt, dass die US-Ölindustrie ihre Produktion im Sommer etwas weniger schnell ausgebaut hat. Zuletzt war sie wegen des Hurrikans «Irma» sogar gesunken: Viele Bohrstellen im Golf von Mexiko stellten den Betrieb im Vorfeld des Unwetters aus Sicherheitsgründen ein.
Damit rückt der angestrebte Fünfjahresdurchschnitt beim Lagerbestand näher. Zuletzt lag er in den Industriestaaten noch knapp 100 Mio. Fass über diesem Referenzwert der Opec. Das sind gemäss der IEA 28% weniger als Anfang Jahr. Für das vierte Quartal erwartet die Agentur einen weiteren Rückgang des Bestands um 20 bis 30 Mio. Fass – wenn das Ölkartell an seinem gegenwärtigen Produktionsniveau von 32,7 Mio. Fass pro Tag festhält.
2018 droht erneut Überangebot
Mittelfristig aber dürfte diese Massnahme nicht reichen, um den Ölmarkt zu stabilisieren. Bereits Anfang 2018 droht gemäss der IEA erneut ein Überangebot. Denn die US-Produzenten könnten sich schnell erholen und im kommenden Jahr Rekordmengen aus dem Boden pumpen. Eine weitere Kürzung der Förderung durch die Opec zeichnet sich angesichts der zuletzt positiven Stimmung vor dem Treffen am Freitag nicht ab.
Damit habe das Ölkartell den Kampf gegen die US-Schieferölförderung endgültig verloren, sagt Ed Morse, Rohstoffexperte von Citigroup (C 71.15 0.78%), gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Das Potenzial dieser Produzenten sei noch nicht ausgereizt.
Auch Nitesh Shah vom ETF-Anbieter ETF Securities erwartet, dass das US-Fördervolumen im kommenden Jahr nochmals deutlich steigen wird. Derzeit seien viele Vorkommen zwar erschlossen, aber noch nicht angebohrt. Hält sich der Preis für US-Leichtöl West Texas Intermediate noch etwas über 50 $ je Fass, sei es wahrscheinlich, dass auch diese Bohrstellen genutzt würden. Damit könnten die USA ihre Produktion auf knapp 10 Mio. Fass pro Tag ausbauen. Für Optimismus am Ölmarkt ist es wohl noch etwas früh.
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