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17:25 Uhr - 17.08.2017

«Dufry und Swatch Group sind ein Kauf»

Michael Clements, Fondsmanager von SYZ Asset Management, setzt auf unterbewertete Titel. Chancen sieht er in der Schweiz und im europäischen Finanzsektor.

Herr Clements, Europa ist inzwischen die meistempfohlene Anlageregion. Sie müssen derzeit richtig gefragt sein.
Interessanterweise sprechen alle darüber, aber kaum jemand macht es. Alle Investoren, die ich treffe, sind in europäischen Titeln entweder untergewichtet oder haben eine neutrale Position. Dafür sind die meisten immer noch in den USA übergewichtet.

Obschon amerikanische Aktien seit längerem nicht mehr wirklich günstig sind?
Das scheint die Mehrheit der Anleger offenbar nicht zu interessieren. Für uns heisst dieses Desinteresse aber auch, dass im europäischen Markt durchaus noch etwas drinliegt. Denn das Umfeld ist wirklich so gut wie schon lange nicht mehr. Die Wirtschaft brummt, und die politischen Risiken haben sich deutlich abgeschwächt.

Die deutschen Wahlen im Herbst beunruhigen Sie nicht?
Wir erwarten keine Überraschung und entsprechend keinen Einfluss auf die Börse.

Der Euro hat sich in den vergangenen Wochen deutlich aufgewertet. Was heisst das für die Unternehmensgewinne?
Das mag bei einigen Unternehmen die Gewinne kurzfristig positiv oder negativ beeinflussen, je nach regionaler Aufteilung von Kosten und Umsatz. Ich investiere jedoch aufgrund fundamentaler Einschätzungen. Wenn ich einen Titel kaufe, halte ich ihn für mindestens fünf Jahre. Ob der Euro kurzfristig stärker wird, spielt deshalb eine untergeordnete Rolle.

Als Contrarian kaufen Sie Titel, die sonst kaum jemand haben will. Was bietet sich in der Schweiz an?
Wir halten aktuell zwei Titel. Bei Swatch Group (UHR 374 -0.87%) kaufen wir seit Anfang 2015 zu, daneben sind wir in Dufry (DUFN 155 0.65%) investiert.

Swatch Group hat sich in den vergangenen zwölf Monaten kräftig erholt. Sind die Aktien noch ein Kauf?
Definitiv. Das Unternehmen wird von Nick Hayek gut geführt, die Bilanz ist stark, das Markenportfolio breit diversifiziert. Und über Swatch Group können wir die Schwellenländer abdecken.

Was heisst das genau?
Ich bin Contrarian. Ich warte also, bis etwas völlig aus der Mode fällt. Mit Swatch Group kann ich gleich zwei solche Themen abdecken: Die vorübergehende Schwäche im Luxusgütermarkt und der Rückzug der Investoren aus den Schwellenländern. Der grösste Markt für Swatch Group ist China. Es ist zwar kein eigentliches Schwellenland mehr, hat aber einen grossen Einfluss auf diese. Ebenso halten wir Aktien der Vermögensverwalter Aberdeen und Ashmore, die auf Anlagen in Schwellenländern spezialisiert sind.

Im Gegensatz zur Konkurrenz ist Swatch Group gegenüber Smartwatches zurückhaltend. Ist das ein Risiko?
Nein, Smartwatches sind ein Massenmarkt. Uhren wie die Apple (AAPL 159.525 -0.89%) Watch sind allenfalls eine Bedrohung für das Tiefpreissegment von Swatch. Der Rest wird davon aber nicht tangiert.

Weshalb investieren Sie in Dufry?
Mit Dufry erhalte ich Zugang zu zwei spannenden Themen: Ich kann am wachsenden Luftfahrt-Business partizipieren und profitiere vom Monopol, das Duty-Free-Anbieter besitzen. Wer auf den Flug warten muss, verbringt einen Teil der Wartezeit in Shops. Denken Sie an die L’Oréals, Danones und Hermès (RMS 442.85 0.28%) dieser Welt. Mit Dufry erhalte ich diese Marken zum halben Preis.

Wie meinen Sie das?
Konsum- und Luxusgütertitel sind in den vergangenen Jahren tendenziell teurer geworden. Dufry ist hingegen halb so hoch bewertet, bietet aber in ihren Shops Produkte dieser Unternehmen an. Das treibt den Umsatz an.

HNA, Grossaktionär von Dufry, ist in den vergangenen Wochen in die Schlagzeilen gekommen. Es ist nicht klar, wie sich der chinesische Konzern finanziert. Beunruhigt Sie das als Aktionär?
Nein. HNA ist ein grosser Aktionär. Falls sie ihre Beteiligung abstösst, gibt es kurzfristig ein Angebotsüberhang, der den Aktienkurs drücken dürfte. Viel wichtiger ist aber, dass Dufry über die Duty-Free-Läden von der wachsenden Reiselust der Chinesen profitieren kann.

Seit längerem ist die Volatilität tief, börsenbewegende Anlässe halten sich in Grenzen. Lassen sich noch verkannte Perlen finden?
Es ist schwieriger geworden. Als Stockpicker würden wir stärkere Kursausschläge bevorzugen. Unsere beste Zeit ist dann, wenn Panik hinsichtlich einzelner Titel herrscht und kurzfristig orientierte Anleger diese Titel auf den Markt werfen. Unser Vorteil ist, dass wir aus insgesamt 3500 europäischen Aktien nur 30 für unser Portfolio aussuchen müssen.

Wo finden Sie derzeit vielversprechende günstige Titel?
Wir gehen in der Regel von Szenarien aus. Nehmen wir beispielsweise die tiefe Volatilität. Wir fragen uns, wer unter Druck kommt und wer profitiert, wenn die Schwankungen eines Tages wieder zunehmen. Zu diesen Titeln gehört beispielsweise der britische Finanzdienstleister IG Group (IGG 666.5 0%), der hauptsächlich Differenzkontrakte anbietet. Nimmt die Volatilität zu, steigt auch deren Umsatz. Ein anderes Beispiel ist Flow Traders (FLOW 24.28 0.23%), Europas führender Market Maker für den Handel mit Exchange Traded Funds. Damit profitiere ich längerfristig vom Wachstum passiver Produkte und steigender Volatilität. Beide Titel sind derzeit ziemlich günstig, weil sie in Zeiten tiefer Schwankungen niemand will.

Nicht jeder günstige Titel hat Qualität. Wie gehen Sie bei der Wahl einer Aktie vor?
Die Auswahl ist oftmals eine Gratwanderung zwischen einem Titel mit Potenzial und einer Value-Falle. Wir machen bei Titeln, die uns interessieren, eine genaue Analyse. Es dauert deshalb bis zu acht Wochen, bis wir eine Aktie kaufen. Wir unterhalten uns mit Vertretern der Industrie und analysieren die Zahlen genau. Dabei muss man auch bereit sein, Fehler zu machen.

Was heisst das?
Niemand ist in der Lage, ausschliesslich positiv performende Titel zu halten. Warren Buffett, der Star der Value-Investoren, hat eine Erfolgsquote von rund 70%. Wir liegen im Schnitt bei sechs von zehn Aktien richtig. Entscheidend ist aber, dass wir Aktien auf attraktivem Preisniveau kaufen. Dann ist das Gewinnpotenzial weitgehend uneingeschränkt, das potenzielle Verlustrisiko aber ziemlich limitiert.

Wo sehen Sie Chancen für Contrarians?
Interessant ist der italienische Finanzsektor – allerdings nicht die Banken, sondern deren Gegenseite. Aus unserer Sicht machen Investments in Unternehmen Sinn, die überfällige Forderungen der Banken verwalten. Mit einem Volumen von rund 300 Mrd. € hat Italien den grössten Markt für Non Performing Loans in Europa. Es ist ein spannender Weg, von der sich abzeichnenden Lösung im italienischen Finanzsektor zu profitieren, ohne direkte Bankrisiken eingehen zu müssen. Wir setzen hier auf den Marktführer Eurocastle.

Ein möglicher Auslöser von grösseren Börsenschwankungen könnte Grossbritannien sein, falls die Austrittsverhandlungen scheitern sollten. Ein Thema für Sie?
Wir bereiten uns gedanklich für diesen Fall vor. Es gibt viele britische Titel, die bei einer Panikreaktion deutlich günstiger zu haben wären. Ich gehe davon aus, dass vor allem zyklische Unternehmen betroffen sein werden, die im Inland tätig sind. Wir konzentrieren uns deshalb vor allem auf Bereiche wie Zeitarbeit, Immobilien und Touristik.

Welche Namen haben Sie im Fokus?
Zum Beispiel Personaldienstleister wie Hays oder PageGroup, Immobilienmakler wie Foxtons oder Countrywide, aber auch die Baumarktkette Travis Perkins. Angesichts der bevorstehenden Risiken sind diese Unternehmen derzeit noch zu hoch bewertet.

Haben solche Szenarien auch Einfluss auf Ihre Cash-Position? Liegt diese nun tendenziell höher?
Nein, ich werde von den Fondsbesitzern dafür bezahlt, immer maximal investiert zu sein. Ich halte eine Cash-Position von 5%. Das genügt, um Abflüsse abzufedern und allenfalls eine neue Position aufzubauen.

Ihre grösste Position ist der britische Finanzdienstleister Paragon. Weshalb?
Paragon ist der führende Hypothekarkreditanbieter für Wohnungskäufer, die die Liegenschaften anschliessend weitervermieten. Dieser Markt erfuhr regulatorischen Änderungen. Auch hier ist die Bewertung günstig, die freie Cashflow-Rendite ist zweistellig. Risiken wie ein Anstieg der Kreditausfallraten oder ein grösserer Einbruch im Immobilienmarkt dürften bereits eingepreist sein.

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