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11:35 Uhr - 07.09.2022

Skandinavische Börse Oslo ragt heraus

Nach dem Lieferstopp für russisches Gas kommen vielleicht nicht kalte, aber sicherlich teure Wintermonate auf uns zu. Aktieninvestitionen in Energie bieten Anlegern eine gewisse Entschädigung.

In gängigen europäischen Blue-Chip-Indizes wie dem Stoxx Europe 600 ist der hohe Norden wenig repräsentiert. Für Anleger ein Nachteil, denn ein Blick zurück zeigt eine deutliche Outperformance der Region. So hat die Börse, abgedeckt durch den MSCI Nordic Countries, seit 2015 einen Kursgewinn von über 55% (in Euro) erzielt, der Stoxx Europe 600 nicht einmal 25%.

Unterdurchschnittlich verlief einzig Finnlands Börse. Ihre schwache Performance lag vor allem an der Aktie des Telekommunikationskonzerns Nokia. Der einstige Highflyer mit einem zwischenzeitlichen Indexgewicht von rund 70% im OMX Helsinki verpasste die technische Entwicklung und wurde von den Anlegern ab Ende 2007 gnadenlos abgestraft.

Neue Zeiten verlangen gezielten Schwerpunkt

Gemeinsam ist allen skandinavischen Ländern, dass fortschrittliche (Dienstleistungs-)Unternehmen dominieren und der Anteil nachhaltiger Gesellschaften sehr ausgeprägt ist. Zudem gilt die Region – übrigens ist jedes Land mit einer anderen Währung ausgestattet – als Hort des Wohlstands dank der grossen Wettbewerbsstärke, der soliden Finanzen sowie einem sehr guten Bildungs- und Infrastruktursystem. So nehmen die vier Staaten im globalen Wohlstands-Ranking, das jährlich vom britischen Legatum Institute veröffentlicht wird und 167 Länder erfasst, denn auch die vordersten vier Plätze ein.

Da jedes Land über spezifische Stärken und Branchen verfügt, ergänzen sie sich zusammen auf gute Weise. Beispielsweise ist Schweden sehr stark in der Industrie, Dänemark im Gesundheitswesen, Norwegen im Ölsektor und Finnland im Bergbau und in der Materialwirtschaft. In alten, «normalen» Zeiten konnte die damit verbundene Diversifikation, etwa bei einem Engagement in den MSCI Nordic Countries, Risiken reduzieren und eine überdurchschnittliche Rendite generieren.

Heute, in Zeiten unterbrochener russischer Gaslieferungen nach Europa, sticht aus Anlegersicht klar ein Land hervor: Norwegen, das derzeit wie kaum ein zweites westliches Land von seinem Energiereichtum profitiert. Wer ausschliesslich auf norwegische Unternehmen setzen möchte, kann sich entweder in Einzelaktien oder in einen ETF (Exchange Traded Fund, börsengehandelter Fonds) auf den norwegischen Aktienindex OBX engagieren. Der MSCI Nordic Countries bietet sich hingegen nicht an, da Norwegen dort mit einem Indexanteil von lediglich mageren 10% vertreten ist.

Energiegeladene Börse Norwegen als Absicherung

Im europäischen Vergleich weist der OBX Oslo 25 mit einem Performanceplus von rund 5% im bisherigen Jahresverlauf das mit Abstand beste Börsenergebnis aus. Getragen wurde die Rendite von Öl- und Gasunternehmen wie Equinor, die aus dem Zusammenschluss der Erdöl- und Erdgasaktivitäten von Norsk Hydro und der Vorzeige-Energiegesellschaft Statoil hervorgegangen ist. Mit einem Anteil von fast 20% ist sie mit Abstand das Schwergewicht im OBX Oslo 25.

Aber auch sonst dreht sich am Börsenplatz vieles um Energie – angefangen bei weiteren Energieunternehmen wie Aker BP und Aker Solutions über Energiezulieferer wie Subsea7 (Bohrtechnik) bis hin zum Unternehmen für geophysikalische Dienstleistungen TGS. Recht hohe Indexanteile entfallen ebenfalls auf energienahe Sektoren wie Chemie, Düngemittel oder Aluminium, deren Inputkosten traditionell zu einem überwiegenden Teil aus Energie bestehen.

Als Kontrast zu den zyklischen sind daneben aber auch defensive Sektoren wie Basiskonsum (Nahrungsmittel, insbesondere Fisch), Telecom sowie dividendenstarke Versicherungen gewichtig vertreten – im derzeitigen garstigen Umfeld also eine recht krisenfeste Kombination. Zudem: Aufgrund des ausgeprägten Anteils an Energieunternehmen kommt ein Engagement am norwegischen Aktienmarkt als Depotbeimischung einer gewissen Absicherung gegen anhaltend hohe Energiepreise gleich. Eine Schutzfunktion, die zumindest im bisherigen Jahresverlauf deutlich erfolgreicher war als über Gold.

Welche Anlagen sich anbieten

Die fortschrittliche Aktienkultur und die florierende Wirtschaft Norwegens, das von der globalen Wachstumsschwäche und folglich Gewinnwachstumsschwäche kaum tangiert wird, sind gute Gründe für ein Aktieninvestment am Börsenplatz Oslo. Wer dies breit aufstellen möchte, dem empfiehlt sich ein Engagement in gängige ETF auf den OBX, die etliche Asset-Manager zu tiefen Gebühren anbieten.

Ein zusätzlicher Hebel und damit Schutz wird durch eine Denomination in der norwegischen Krone erlangt, die sich häufig im Schlepptau der Energiepreise entwickelt und mit einem Wechselkurs von 0.10 Fr./nKr. aktuell moderat bewertet ist. Übrigens: ETF auf den renommierten norwegischen Staatsfonds gibt es zwar auch, dort sind zur Vermeidung von Klumpenrisiken aber ausschliesslich ausländische Werte enthalten.

Wer lieber auf Einzelaktien setzen möchte, dem bieten sich im unerfreulichen gegenwärtigen Börsenumfeld Energie- respektive energienahe Aktienunternehmen an, etwa aus der Energiezulieferindustrie wie Subsea7. Als Anbieter von Bohrtechnik ist sie unlängst ein Joint Venture mit dem norwegischen Dienstleistungsunternehmen der Gas- und Ölexploration Aker Solutions Asa sowie Schlumberger, dem weltweit grössten Offshore-Bohrkonzern, eingegangen.

Subsea7 als führender Spezialist in der Tiefseeexploration ist mit ihren Spezialschiffen denn auch an der Erschliessung des gigantischen Aasta-Hansteen-Gasfeldes – nördlich des Polarkreises und 300 km vor der norwegischen Küste – beteiligt und agiert in 1300 m unter dem Meeresspiegel als Leitungsinstallateur. Via eine 480-km-Pipeline soll aus der unwirtlichen Gegend der europäische Kontinent mit Gas versorgt werden.

Wesentlich beteiligt an diesem Grossprojekt sind gleich mehrere Energiemultis – allen voran Equinor. Nicht nur in Norwegen, sondern in vielen Teilen der Welt betreibt sie Öl- und Gasfelder – von Australien bis hin zu den Vereinigten Staaten. Sehr aktiv ist das Unternehmen, dessen Hauptaktionär der norwegische Staat ist, im Bereich erneuerbarer Energien, wie übrigens auch andere im OBX 25 gelistete Gesellschaften, etwa Nel und Scatec. Im Vergleich zur wesentlich kleineren und unbekannteren Energiegesellschaft Noreco, die im laufenden Jahr bereits ein Performanceplus von 130% erzielt hat, fällt seines mit knapp 60% noch bescheiden aus.

Die genannten und weitere im OBX Oslo enthaltene Werte haben dem derzeitigen garstigen Umfeld standgehalten. Aufgrund der bis auf weiteres herausfordernden Zeiten ist es opportun, sie auch in Zukunft aus Anlegersicht im Auge zu behalten.

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