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13:18 Uhr - 20.08.2018

Wie passive Anlagen die Märkte bewegen

ETF-Mittelflüsse bewirken Kursschwankungen. Der Effekt ist aber moderat und vorübergehend.

Der Erfolg kotierter Indexfonds (Exchange Traded Funds, ETF) ist nicht aufzuhalten. Immer mehr Investoren, seien es Profis oder Privatanleger, setzen in ihrem Portfolio solch passive Anlageprodukte ein. Weltweit werden rund 5 Bio. $ über ETF angelegt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Anleger erhalten mit ETF einen diversifizierten, transparenten und kostengünstigen Zugang zu den verschiedensten Märkten. Und sie haben die Möglichkeit, einen Wertschriftenkorb jederzeit über die Börse zu handeln.

Das rasante Wachstum hat aber auch seine Kehrseiten. Die populärsten ETF sind inzwischen mehr als doppelt so schwer wie der grösste Hedge Fund. Allein der älteste und grösste amerikanische ETF, der SPDR S&P 500 (SP500 2850.13 0.33%) ETF Trust mit dem Kürzel SPY, umfasst  270 Mrd. $.  In den USA machen ETF mittlerweile bereits rund ein Drittel des Börsenhandels aus.

Das kann in den Augen der Kritiker nicht ohne Folgen bleiben. Sie befürchten etwa, ETF könnten die Finanzmärkte wackliger und instabiler machen. Solche Sorgen sind nicht unbegründet: Empirische Studien zeigen etwa, dass der zunehmende Einsatz von ETF dazu führt, dass sich die einzelnen Aktien häufiger alle in die gleiche Richtung bewegen. Deshalb kommt jeweils auch der Kurs des Indexschwergewichts Nestlé (NESN 81.8 0.39%) unter Druck, wenn Investoren aus Angst vor einem Abschwung über Indexverkäufe das Aktiengewicht reduzieren – auch wenn das Geschäft des Nahrungsmittelkonzerns wenig konjunkturabhängig ist.

ETF erhöhen Volatilität

Für Aufsehen sorgten jüngst die Resultate einer Studie, an der unter anderen der Tessiner Finanzprofessor Francesco Franzoni mitgearbeitet hat. Die Autoren fanden heraus, dass kotierte Indexfonds die Volatilität der zugrundeliegenden Wertpapiere erhöhen. Sie kommen zum Schluss, dass jene Aktien, die zu einem grossen Anteil von ETF gehalten werden, systematisch stärker schwanken als Titel mit geringem ETF-Engagement.

Eine wichtige Rolle spielen laut Franzoni die Hochfrequenzhändler und andere kurzfristig orientierte Investoren. Sie benützten besonders gerne ETF, weil der Handel von ETF sehr liquid und günstig ist. Zudem ist anders als bei Futures kein Einschuss (Margin) erforderlich und das Rollen der Kontrakte entfällt.

Die höheren  Schwankungen könnten theoretisch daher kommen, dass dank der ETF die Aktienkurse schneller auf Fundamentaldaten reagieren. Doch empirisch hält dieser Einwand gemäss den Autoren nicht stand. ETF verbesserten den Preisfindungsmechanismus nicht, sondern sorgten nur für mehr «Lärm».

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine neue Studie von S&P Global Market Intelligence, dem Forschungsarm des Indexanbieters S&P Global. Der Befund: Zu- und Abflüsse in ETF beeinflussen die Kurse der zugrunde liegenden Wertpapiere. Um bis zu 3,7 Prozentpunkte (Pp.) zusätzlich könnte ein sensibler Titel wie der Ölförderer Apache pro Handelstag durch ETF-Flüsse bewegt werden, und bis zu 2,5 Pp. der Gesamtindex. Gleichzeitig gibt der Autor Daniel Sandberg aber Entwarnung. Der Effekt sei auch unter extremen Annahmen moderat und nur vorübergehend. Die Gefahr, dass es wegen ETF zu Marktverwerfungen kommen könne, werde wohl überschätzt.

Sandbergs hat die Zahlen mit Hilfe eines Modells geschätzt. Im Zentrum steht die Idee, dass sich Liquiditätsschocks von den passiven Anlagen auf Einzeltitel über einen Arbitrage-Mechanismus übertragen. Im Falle eines positiven Schocks führt die erhöhte Nachfrage nach einem ETF zu einem Preisaufschlag gegenüber dem inneren Wert des unterliegenden Wertpapierkorbs. Die sogenannten AP (Authorized Participants) – die für die Schaffung oder Einlösung von ETF-Anteilen zugelassenen Wertpapierhändler, meist Banken –  haben dann einen Anreiz, den relativ günstigen Wertpapierkorb zu kaufen und gegen neue ETF-Anteile einzutauschen.

Dieses Arbitrage-Geschäft sorgt dafür, dass sich der Preis des kotierten Indexfonds und der interne Wert angleichen, und bei einem Fondszufluss auch die Kurse der unterliegenden Wertpapiere steigen. In einem effizienten Markt fallen ETF-Kurs und Wertpapierpreise wieder auf das Ausgangsniveau zurück, da sich fundamental nichts geändert hat.

Februar-Crash als Beispiel

Am Beispiel der Börsenkorrektur im Februar lässt sich der Kurseffekt der ETF-Abflüsse illustrieren. Am 8. Februar verlor der Index S&P 500 an einem Tag fast 4%. Der Rückschlag ging mit einem Abfluss aus dem SPDR ETF in der Höhe von 25 Mrd. $ in der ersten Februarwoche einher.

Sandbergs Auswertungen zeigen, dass an diesem Tag jene Titel, die zu einem grossen Anteil vom ETF gehalten werden, überdurchschnittlich gefallen sind. Der aus den Abflüssen aus Indexfonds resultierende Preisdruck erklärt laut Sandberg rund ein Drittel der Börsenverluste. Und wie im Arbitrage-Modell vorhergesagt,  kam es auch im Februar wenig später zu einer Umkehr des Effekts.

 

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