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06:45 Uhr - 05.01.2015

Wie die Schweiz Luft aus der Immobilienblase lassen kann

Singapur macht der Schweiz vor, wie man den Häusermarkt trotz niedriger Zinsen abkühlt. Das Vorbild wird wegen der negativen Zinsen noch wichtiger.

zoomSeit Mitte der Neunzigerjahre lag die Wahrscheinlichkeit einer Immobilienpreisblase in der Schweiz nicht mehr so hoch. Das zeigt zuletzt der Swiss Real Estate Bubble Index der UBS (UBSN 16.5 0.3%) von November 2014 (vgl. Grafik rechts).

Mit der Einführung von Negativzinsen könnte es der Schweizerischen Nationalbank (SNB (SNBN 1069 0.85%)) noch grössere Probleme bereiten, den Immobilienboom im Zaum zu halten. Kann eine Blase mit regulatorischen Massnahmen verhindert werden, wenn die Hypothekenzinsen immer weiter sinken? Singapur hat es vorgemacht. Eine Regulierung, die versucht, trotz der lockeren Geldpolitik eine Blasenbildung zu verhindern, wird makroprudenziell genannt (vgl. Kasten unten).

Preisentwicklung Immobilien SingapurzoomQuelle: Urban Redevelopment Authority Gemäss einer Statistik der staatlichen Urban Redevelopment Authority stiegen die Preise für Wohneigentum in Singapur von Mitte 2009 bis Anfang 2013 – dem Höhepunkt der Immobilienpreise – um 60%  (vgl. Grafik rechts). Seitdem sind sie leicht gesunken. Laut dem Immobiliendienstleister Collier International sind im dritten Quartal 2014 die Wohneigentumsverkäufe fast 40% gefallen. Seit Ende 2008 wurden nicht mehr so wenige Wohnungen und Häuser mehr verkauft.

Abkühlungsmassnahmen in Singapurzoom Seit 2009 hat die Regierung von Singapur versucht, mit immer strengeren Massnahmen den Immobilienboom aufzuhalten (vgl. Tabelle rechts). Neben der Vielzahl an Regulierungen, die Käufer und Verkäufer treffen, werden auch die Banken direkt bei ihrer Hypothekenvergabe beschränkt. So kann ihre Bilanzsumme nur zu 35% aus dem Exposure zu Immobilien bestehen. Im Vergleich: Die Aktiva der Schweizer Raiffeisen-Gruppe bestehen zu über 80% aus Hypothekarforderungen.

Hypothekenvergabe erschwert

Ein weiteres Massnahmenpaket, um den Immobilienboom in Singapur abzukühlen, ist die Erschwerung der Hypothekenvergabe. So können Hypotheken für Zweit- und Drittwohnungen nur mit einer deutlich geringeren Beleihungsquote aufgenommen werden. Bei einer Hypothek mit einer Laufzeit von über dreissig Jahren für eine Drittwohnung dürfen nur 20% des Kaufpreises durch Kredit finanziert werden.

Zusätzlich wurde 2013 eine Regel eingeführt, um Überschuldung zu vermeiden. Banken dürfen nur Hypotheken vergeben, wenn dadurch nicht mehr als 60% des Einkommens des Kunden für den Schuldendienst für alle seine Kredite – einschliesslich Kreditkarten – aufgewendet werden.

Steuern gegen Spekulation

Doch das reicht nicht aus, meint Ravi Menon. Er ist Chef der Monetary Authority of Singapore, der Zentralbank des Stadtstaats. In einer Rede im Mai erklärte er: «Angesichts einer im Übermass vorhandenen globalen Liquidität könnten kreditbasierte Regulierungsmassnahmen nicht ausreichend sein, um das Kreditwachstum und die Vermögenspreissteigerung zu beschränken.»

Daher wurde nicht nur die Hypothekenvergabe erschwert, sondern auch der Häuserkauf durch Steuern teurer gemacht – besonders wenn er nach Spekulation aussieht. Will man sein Haus innerhalb eines Jahres verkaufen, kostet das eine Verkaufssteuer von 16% des Kaufpreises. Dazu kommt eine Kaufsteuer. Für ausländische Käufer beträgt sie 18%. Diese Steuerbeträge können also den Handelspreis einer Wohneinheit um über 30% erhöhen.

Kapitalanforderungen reichen nicht

Doch hätte es statt der Begrenzung des Immobilienkreditbuchs, der Hypothekenvergabe und der extrem hohen Steuer nicht einen einfacheren Weg gegeben? So wäre es ja denkbar, durch höhere Kapitalanforderungen auf Hypothekenkredite den Banken das Geschäft zu verteuern. In der Schweiz hatte der Bundesrat das im September 2013 mit dem antizyklischen Kapitalpuffer (AZK) versucht: Seit damals mussten Hypotheken mit 1% mehr Eigenkapital hinterlegt werden. Seit Juni 2014 sind es 2%.

Menon zeigt sich pessimistisch über die Wirkung von mehr Kapital: «In einem Boommarkt mit Banken, die in einem starken Wettbewerb stehen, ergeben höhere Kapitalanforderungen nicht ausreichend steigende Kreditzinsen, um die Nachfrage einzuschränken.» Die von ihm zitierten Studien zeigen, dass die Erhöhung der Kapitalanforderungen für Kredite um 1 Prozentpunkt die Kreditzinsen um nur 13 Basispunkte (Hundertstel Prozentpunkte) erhöht.

Massnahmen nicht auf ewig

Doch von Dauer sollen die Massnahmen in Singapur nicht bleiben: Menon glaubt, dass die jetzige Situation «höchst ungewöhnlich» sei. Die derzeitige Politik sei nicht als Basis für ein neues Paradigma der Geldpolitik gedacht. Die Geldpolitik werde in Zukunft wieder ähnlicher aussehen wie in der Zeit vor der Finanzkrise. Aber: «Mehr Zentralbanken werden wohl makroprudenzielle Massnahmen zur Verfügung stehen, die sie von Zeit zu Zeit einsetzen – wenn auch nicht im selben Ausmass wie in Asien in den vergangenen Jahren.»

Das sind vorsichtige Worte, trotzdem haben SNB und Bundesrat in Singapur ein Vorbild, wie sie reagieren können, wenn der Schweizer Immobilienboom durch die Negativzinsen völlig ausser Kontrolle geraten sollte. Der Stadtstaat macht vor, dass man mit spezifischen Massnahmen die Luft aus einer Immobilienblase langsam entweichen lassen kann – man muss sie nicht zum Platzen bringen. Der Nachteil: Nimmt sich die Schweiz ein Beispiel an Singapur, könnte der Häuserkauf hierzulande viel teurer werden.

Warum makroprudenzielle Massnahmen?Als makroprudenzielle Massnahmen definiert der Internationale Währungsfonds (IWF) alle aufsichtsrechtlichen Mittel zur Begrenzung von systemischem Risiko. Systemisch ist ein Risiko, wenn dadurch Teile des Finanzsystems ausfallen könnten und damit die Realwirtschaft geschädigt würde. Wenn etwa der Kollaps einer Bank die Kreditvergabe in der Volkswirtschaft zum Erliegen brächte.

Das systemische Risiko soll durch Regulierung begrenzt werden, da man erkannt hat, dass sich ein Schock im Finanzsystem immer weiter verstärken kann – ein Beispiel ist der Ausfall von Subprime-Schuldnern in den USA ab 2007. Dazu kommt, dass sich die Marktakteure in Zeiten grosszügiger Liquidität stärker verschulden. Ausserdem werden die Bedingungen für Kredite gelockert – auch bei niedriger Kreditwürdigkeit bekommt man Geld. Das macht das Finanzsystem für Schocks noch anfälliger.

Das Finanzsystem soll einen Puffer aufbauen, um solche Schocks besser aushalten zu können – das will man durch makroprudenzielle Regulierung erreichen. Auch soll verhindert werden, dass sich gefährliche Risiken im Finanzsystem aufbauen. Im Immobilienmarkt kann eine lockere Kreditvergabe etwa die Häuserpreise anheizen – trocknet der Strom an Krediten aus, brechen die Preise dann ein.

Der IWF hält in einem Ratgeber an seine Mitarbeiter fest, dass makroprudenzielle Massnahmen keinen exakten Regeln unterliegen dürften. Es ist also nicht wie bei der Geldpolitik, in der oft ein klares Inflationsziel die Hände der Zentralbank bindet – in der Finanzstabilitätspolitik soll man frei agieren dürfen. «Die Quellen für systemisches Risiko können sich verändern, und Kennzahlen können nicht alle Informationen erfassen», erklärt der IWF. Kennzahlen können nur in eine Richtung weisen und signalisieren, ob ein Eingriff angezeigt ist. Aber Entscheidungen müssten auf Basis der Beurteilung aller verfügbaren Informationen gefällt werden. (AT)

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