Justizmininisterin Karin Keller-Sutter äussert sich zu den Schweizer Brexit-Vorbereitungen und sagt, was die zwei Länder voneinander unterscheidet.
Obschon für die Landesregierung die Sommerferien begonnen hat, reiste die FDP-Bundesrätin am Mittwoch für einen Arbeitsbesuch nach London. In den Gesprächen mit britischen Amtskollegen ging es unter anderem darum, wie die Schweiz die Folgen eines harten Brexit abfedern kann, sowie um einen Erfahrungsaustausch in Bezug auf Verhandlungen mit der Europäischen Union (EU). Im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft» äussert sich die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) aber auch zu den kürzlich eingeleiteten Gegenmassnahmen der Schweizer Börse.
Frau Bundesrätin, die Schweiz bemüht sich, mit Grossbritannien auch in der Zeit nach Brexit die gute Zusammenarbeit fortführen zu können. Läuft alles nach Plan?
Uns ist wichtig, dass wir die Zusammenarbeit mit Grossbritannien auch nach dessen Austritt aus der Europäischen Union möglichst lückenlos weiterführen können. Vieles konnte bereits geregelt werden, wie etwa beim Handel oder beim Luftverkehr oder bei den Versicherungen. Am Mittwoch habe ich mit meinem britischen Amtskollegen ein Auffangabkommen über die gegenseitige Zulassung von Arbeitskräften unterzeichnet. Dieses tritt nur im Falle eines No-Deal-Brexit in Kraft und. stellt sicher, dass Arbeitnehmer aus beiden Ländern auch in diesem Fall im andern Land eine Stelle antreten können. Es ist grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2020 befristet.
Auch bezüglich der polizeilichen Kooperation ist man sich grundsätzlich einig geworden. Weshalb ist diese Zusammenarbeit wichtig?
Ich habe mit meinem britischen Amtskollegen eine Absichtserklärung unterzeichnet. Bei einem harten Brexit ist Grossbritannien nicht mehr Teil des Schengener Informationssystems, das möchten wir damit kompensieren. Aber auch unabhängig davon besteht ein beidseitiges Bedürfnis nach einer vertieften Zusammenarbeit bezüglich Terrorbekämpfung und Verhinderung von Geldwäscherei. Beide Länder haben ja einen wichtigen Finanzplatz, den man für Straftaten missbrauchen kann. Das wollen wir auch nach einem Brexit vermeiden können.
Ist die Schweiz nun auf alle möglichen Formen von Brexit vorbereitet?
Ja, wir sind auf die verschiedenen Szenarien vorbereitet. Dies entspricht auch der Strategie des Bundesrats. Wir haben seit jeher intensive Beziehungen mit Grossbritannien, einem unserer wichtigen Handelspartner. Deshalb sind wir bestrebt, mit bilateralen Abkommen Lücken zu vermeiden.
Ist es in Westminster ein Thema, wie die Schweiz mit der Europäischen Union verhandelt?
Grossbritannien ist natürlich interessiert, wie unsere Situation mit dem Rahmenabkommen aussieht, wie unser Verhältnis mit der EU geregelt ist und welche Erfahrungen wir in unseren Verhandlungen machen. Meine Gesprächspartner haben aber auch mit einer gewissen Ernüchterung zur Kenntnis genommen, dass der bilaterale Weg, den die Schweiz schon kennt, zwar erfolgreich, aber auch steinig sein kann. Er bedingt, dass man immer wieder verhandelt – und in unserem Fall auch dem Volk erklären muss, weshalb es Anpassungen gibt, wie etwa zuletzt mit der Übernahme der Waffenrichtlinie.
Muss Grossbritannien erst noch in dieser Rolle des permanenten Verhandelns ankommen?
Nach über vierzigjähriger Zugehörigkeit zur EU ist in Grossbritannien die reale Vorstellung, nicht mehr Teil der Union zu sein, wohl noch nicht da. Grossbritannien steht noch bevor, was wir im Alltag leben. Wir müssen uns ständig mit unserem wichtigsten Handelspartner verständigen, was manchmal klappt, manchmal aber auch mühsam sein kann.
Welche Tipps kann Bundesbern Grossbritannien auf den Weg geben?
Es liegt nicht an uns, Tipps zu geben. Die Schweiz und Grossbritannien sind in zwei ganz verschiedenen Situationen. Im Gegensatz zu den Briten haben wir die bilateralen Verträge mit der EU, das gibt uns eine Basis. Bei uns geht es also nicht um grundsätzliche Fragen wie derzeit für Grossbritannien, sondern darum, ob es einen Rahmen zur Stabilisierung des bestehenden Verhältnisses gibt. Und demnächst auch um die Frage, was das Volk zur Begrenzungsinitiative sagt und ob es bereit ist, den bilateralen Weg mit einer Kündigung der Personenfreizügigkeit in Frage zu stellen. Und dann haben wir auch das Risiko, dass es Retourkutschen gibt wie bei der Verweigerung der Börsenäquivalenz.
Stichwort Börsenäquivalenz: Der Bundesrat hat per 1. Juli den Plan B in Kraft gesetzt. Seither dürfen Schweizer Aktien nur noch an Schweizer Börsenplätzen gehandelt werden. Ist der Bundesrat mit der Umsetzung zufrieden?
Wir waren vorbereitet. Und der Bundesrat hat jetzt zur Kenntnis nehmen können, dass seine Gegenmassnahmen keine Unruhe ausgelöst haben und die Märkte die zusätzlichen Handelsvolumen problemlos absorbieren konnten. Wir können jedoch nicht zufrieden sein mit dem eigentlichen Auslöser, mit der Verweigerung der Börsenaquivalenz durch die EU und dem damit verbundenen Verlust des Zugangs der Schweizer Börse zu den EU-Handelsplätzen. Diese Massnahme steht in keinem sachlichen Zusammenhang mit den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.