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09:50 Uhr - 07.09.2022

Navigationshilfe im schwankenden Aktienmarkt

Die Mehrheit der Schweizer Titel hat im laufenden Jahr Kursverluste erlitten. Aktienkennzahlen können eine Auswahlhilfe sein.

Es sind keine guten Zeiten für Aktieninvestments, auch nicht abseits der fünfzig grossen SMI- und SMIM-Titel. Eine Auswertung der FuW zeigt, dass von den 160 kleineren Aktiengesellschaften nur dreissig im laufenden Jahr steigende Kurse erlebt haben. Markante Gewinne zwischen 40 und 90% haben beispielsweise das Technologieunternehmen U-Blox, der Haustechnikspezialist Meier Tobler oder der Detailhändler Valora und das Bauunternehmen Implenia erzielt. Eine Auswahl, auf die man im Januar sehr wahrscheinlich nur zufällig gesetzt hätte.

Mit Blick nach vorn macht das klar, dass der wahre Trumpf im aktuellen Marktumfeld Selektion heisst. Als Leitstern dienen klassische Aktienkennzahlen, beispielsweise die erwartete Dividendenrendite auf Basis der Ausschüttungsprognose für das laufende Jahr, eine tendenziell niedrige Bewertung gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis oder auch beide Kennzahlen in Kombination.

Dividendenrendite beeindruckt

Im Industriebereich fallen dann Sulzer auf. Hier wird die Dividendenrendite voraussichtlich 6,3% erreichen, das KGV beträgt geringe 10. Ähnlich gut schneiden OC Oerlikon ab, bei Burkhalter hingegen stimmt zwar die Rendite, doch die Bewertung ist deutlich höher. Eine ganze Reihe Finanzwerte steht ebenfalls gut da, angefangen bei Bellevue Group, VP Bank, Bank Vontobel und Valiant. Allerdings schiebt sich auch der Telefonverkäufer Mobilezone in die Spitzengruppe vor. Insgesamt warten rund dreissig aller analysierten Aktien mit einer erhofften Dividendenrendite von über 4% auf.

Hinweise auf die Attraktivität von Finanztiteln hat Eugi Burgener, Head Swiss Equity Zürich bei Mirabaud Securities, beobachtet. Vor allem bei den kotierten Kantonalbanken gab es in den vergangenen Wochen einen höheren Umsatz im Aktienhandel. «Da wurden Positionen aufgebaut», ist er überzeugt. Die Banken dürften von steigenden Zinsen profitieren. Besonders spannend findet er die Aktien der Berner Valiant Bank. Sie arbeitet wie eine Kantonalbank, darf aber auch in den Nachbarkantonen Geschäft machen.

Stabilität in der Schweiz

Ausserdem schätzt er in harschen Zeiten wie diesen die Titel  des Haustechnikers Meier Tobler. Er macht sein Geschäft nämlich überwiegend in der Schweiz und muss kaum den Ersatz durch ausländische Anbieter fürchten, auch wenn einige der verbauten Apparate im Ausland bezogen werden. In den kommenden Jahren dürfte Meier Tobler von zahlreichen Investitionen in Energieffizienz profitieren, ausgelöst durch entsprechende staatliche Fördermassnahmen.

Eine unternehmerisch etwas risikoreichere Aktie findet Peter Gachnang attraktiv. Er ist Portfoliomanager für Schweizer Titel bei VI Vorsorge, die 2,7 Mrd. Fr. für institutionelle Anleger, vielfach Pensionskassen, verwaltet. Ascom können nicht nur mit ihrer Dividendenrendite und der tiefen Bewertung punkten. Das Unternehmen bietet vielmehr Zugang zu Themen, auf die man laut Gachnang setzen muss: Digitalisierung im Gesundheitswesen und Optimierung von Arbeitsprozessen im Spital. Aus der Gesundheitsbranche zählen noch Medacta und Siegfried zu seinen Favoriten.

Rezession erwartet

Allerdings ist Gachnang generell vorsichtig für die künftige Entwicklung der Märkte. «Die Baisse ist noch nicht vorbei», glaubt er. Bisher haben die steigenden Zinsen besonders die Wachstumstitel belastet. Der Zinsanstieg dürfte somit zu einem Grossteil in den Kursen eingepreist sein. Gachnang hält jedoch eine Rezession, also eine rückläufige Wirtschaftsentwicklung, für sehr wahrscheinlich. Sie ist noch nicht in den Kursen eingepreist. Als Indikator dafür sieht er die markanten Kursverluste, wenn ein Unternehmen die Gewinnerwartungen verfehlt. Laut Gachnang rechnen die meisten Analysten für 2023 noch mit wachsenden Gewinnen. Weil die Gewinnprognosen kein Rezessionsszenario abbilden, sind sie systematisch zu hoch.

Eine vorsichtige Grundhaltung nimmt auch Eugi Burgener ein. Allgemein sei der Appetit auf Aktien am Markt eher klein. Insbesondere Investoren aus den USA, die sonst oftmals den Trend setzten, hielten sich mit Engagements in Europa zurück. Die Entwicklung der Strompreise bringe grosse Unsicherheit und sei vor allem für Industrieaktien unvorteilhaft. Die Zentralbanken dürften zudem der steigenden Teuerung weiterhin entgegentreten müssen, was wiederum für Wachstumstitel nachteilig sei. «Ich bin deshalb für den Herbst sehr vorsichtig», sagt er.

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