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16:14 Uhr - 28.09.2017

Zwanzig Jahre arbeiten für ein Eigenheim

In vielen Metropolen steigen die Immobilienpreise ungebrochen. Doch nicht überall ist die Gefahr einer Blasenbildung gleich gross.

Ein Fünftel mehr in einem Jahr: Wer in Toronto oder Hongkong Wohneigentum erwerben will, muss deutlich mehr bezahlen als noch vor zwölf Monaten. Aber auch in den europäischen Städten Amsterdam und München sowie im australischen Sydney kostet das Eigenheim heute durchschnittlich gut 10% mehr als 2016. Das geht aus dem diesjährigen UBS-Blasenindex für die globalen Häusermärkte hervor.

Zum dritten Mal hat die Grossbank die Transaktionspreise im Wohneigentumssegment in den Metropolen rund um den Globus untersucht. Anhand verschiedener Merkmale berechnet sie einen Wert, der die Wahrscheinlichkeit einer Blase am lokalen Immobilienmarkt wiedergeben soll.

Schlange stehen für eine Wohnung

Die Situation in Toronto hat sich vergangenes Jahr zugespitzt. Weil Vancouver und andere Gebiete an ihre Grenzen stossen, spürt die ostkanadische Metropole vermehrt die starke Nachfrage nach Wohneigentum. In einigen Landesteilen herrscht bereits eine Spekulationsblase am Immobilienmarkt. Niedrige Zinsen heizen diese Entwicklung an. Ebenso der schwache kanadische Dollar, der dazu führt, dass viele Ausländer in den Metropolen Wohnungen erwerben und die Preise nach oben treiben.

Auch Hongkong ist ein Extremfall. Die Hoffnung auf eine weitere Wertsteigerung wie in den letzten Jahren treibt die Leute dazu, auch bei den jetzigen Preisen noch Schlange zu stehen, um sich eine eigene Wohnung zu sichern, berichtet Matthias Holzhey, Leiter der UBS-Studie. Selbst wenn sie bis zu zwanzig Jahre arbeiten müssen, um sich das Wohneigentum leisten zu können. Entsprechend gross ist auch das Risiko einer Blasenbildung am Immobilienmarkt.

Preisanstieg ist nicht gleich Überhitzungsgefahr

In fast allen der zwanzig untersuchten Grossstädte haben sich die Eigenheime nochmals verteuert. Dass die Überhitzungsgefahr dennoch nicht überall gleich gross ist, hat mit der lokalen Wirtschaftslage zu tun. So hat das allgemeine Preisniveau in Amsterdam bisher mit dem schnellen Anstieg der Immobilienpreise mithalten können. Gleiches gilt für die Einkommen, die in der Stadt deutlich höher sind als allgemein in den Niederlanden.

Ähnlich ist die Situation in San Francisco. Auch dort deuten die starken Fundamentaldaten darauf hin, dass die Wirtschaft mit den steigenden Wohnungspreisen mithalten kann. Dadurch sei die Blasengefahr weniger gross als in anderen Städten. Dies, obwohl dank den tiefen Zinsen die Finanzierungskosten weniger hoch sind als vor zehn Jahren.

Die meisten Märkte sind überbewertet

Grundsätzlich sind aber die meisten Märkte überbewertet. Das zeigt sich in der Bezahlbarkeit des Wohnraums. Neben Hongkong gelten auch London, Paris, Singapur, New York und Tokio als unbezahlbar. In diesen Städten müssen gut ausgebildete Angestellte mehr als zehn Jahre arbeiten, um sich eine 60-Quadratmeter-Wohnung nahe dem Zentrum leisten zu können. Dagegen gelten Boston, Los Angeles und Chicago als bezahlbar. Das ist kein Zufall. In vielen Regionen der USA haben sich die Hauspreise selbst in den städtischen Gebieten nur sehr langsam von der Immobilienkrise 2007/08 erholt.

Angesichts der hohen Belastung durch die Eigenheimpreise sei das Korrekturrisiko auch in Gebieten mit weniger auffälligen Preisbewegungen zumindest mittelfristig gross, ergänzt Holzhey. Gerade in Städten, die sich im roten Bereich befinden, lohne es sich, als Hauskäufer vorsichtig zu sein.

Die grösste potenzielle Gefahr geht dabei von steigenden Zinsen aus. Die UBS (UBSG 16.46 0.24%) sieht die Wahrscheinlichkeit eines kleinen Zinsanstiegs mittelfristig deutlich höher als zuvor. Der damit verbundene Anstieg der Finanzierungskosten könnte gemäss Claudio Saputelli beim gegenwärtigen Preisniveau bereits schwerwiegende Folgen für die Marktstabilität haben.

Anziehende Hypothekarsätze, stagnierende Preise

Im Grossraum New York zum Beispiel haben die anziehenden Hypothekarsätze bereits dazu geführt, dass weniger Häuser verkauft werden und die Preise stagnieren. «Der Boom in Manhattan ist aber ungebrochen und hebt die Innenstadt noch deutlicher vom Umland ab», schränkt Holzhey ein.

Zusätzliche Gefahren sehen die UBS-Analysten in der Politik. Politische Entscheide haben unmittelbare Folgen für den Häusermarkt, ob gewollt oder nicht. In London sind nach dem Votum zum Austritt aus der Europäischen Union (EU) im Juni 2016 die Preise kaufkraftbereinigt bereits rückläufig. Damit hat sich Situation in der englischen Metropole etwas relativiert. Ob es aber zu einer langsamen Normalisierung oder zum Einbruch am Immobilienmarkt kommt, hängt auch weiterhin von der Politik und den Gesprächen mit der EU ab.

Schweiz im «relativ harmlosen Bereich»

Im Vergleich zu vielen der internationalen Grossstädte ist die Situation in den Schweizer Städten gemäss Holzhey in einem «relativ harmlosen Bereich». Insbesondere im Vergleich zu den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren sei die Entwicklung heute nicht besorgniserregend.

Das hat auch mit der regionalen Entwicklung und den starken Fundamentaldaten zu tun. Wer könne, kaufe sich immer noch ein Eigenheim. Aber wegen der guten Anbindung mit dem öffentlichen Verkehr und der höheren Löhne in den stadtnahen Gebieten weichen die Käufer schnell auf Aussenquartiere, die Agglomeration oder gar auf ländliche Gebiete aus.

Sowohl Zürich als auch Genf gelten gemäss dem UBS-Immobilienblasenindex aber als überbewertet. «Die Schweizerische Nationalbank tut daher gut daran, auch weiterhin vor dem hohen Preisniveau zu warnen», sagt Saputelli. Denn längerfristig könnten auch in der Schweiz die Zinsen und damit die Hypothekarbelastung steigen. Dann braucht es nicht viel für eine Immobilienblase.

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