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07:17 Uhr - 02.12.2014

«Wir haben Generika und Biotech im Fokus»

Jérôme Pfund, CEO von Sectoral Asset Management, erklärt im Interview mit der FuW, weshalb er die Aktien von grossen Pharmakonzernen gegenwärtig untergewichtet.

Herr Pfund, was reizt Sie an Investments im Health-Care-Segment?
Die Gesundheitsausgaben steigen in sämtlichen Ländern der Welt seit vielen Jahren stärker als das Bruttoinlandprodukt. Ausserdem ist der Health-Care-Sektor nicht einfach zu verstehen. Das eröffnet beträchtliche Chancen.

Jérôme Pfund bleibt beim Börsenneuling Molecular Partners vorsichtig. Bild: François BonneauIn welchen Bereichen des Gesundheitssektors sehen Sie das grösste Potenzial?
Ich rechne bei Unternehmen, die biotechnologische Medikamente oder Generika anbieten, mit dem höchsten prozentualen Wachstum in nächster Zeit.

Was ist mit den grossen Pharmakonzernen?
Das prozentuale Wachstum bei den grossen Pharmaunternehmen wird wegen der Umsatzgrösse, die sie bereits aufweisen, deutlich geringer ausfallen. Ausserdem ist die Bewertung der Aktien hier in der Zwischenzeit etwas gar massiv gestiegen.

zoomWarum Generika, wo Nachahmerpräparate doch eine viel geringere Marge aufweisen?
Wir setzen vor allem auf Markengenerika. Ihre Margen sind gar nicht so schlecht. Hinzu kommt: Die Gesundheitsausgaben nehmen auch in den Industriestaaten ständig zu. Regierungen und Versicherungen suchen daher nach Sparmöglichkeiten. Sie finden sie unter anderem in preisgünstigen Nachahmerpräparaten. Auch wegen Obamacare wird sich die Nachfrage nach Generika langfristig erhöhen.

Wie sieht es in den Schwellenländern aus?
Auch dort sind wir zuversichtlich. Schwellenländer wie China bauen den Gesundheitssektor stark aus. Ihr Fokus liegt nicht auf innovativen Medikamenten. Die Länder setzen auf eine qualitativ vertretbare,  preisgünstige Massenversorgung und damit ebenfalls auf Generika.

Welche Anbieter von Generika sind besonders vielversprechend positioniert?
Das sind einerseits kleinere Gesellschaften wie Hikma aus London und Aspen (Aspen 38.3 1.32%) aus Südafrika. Doch auch grosse Generikahersteller wie Sun Pharma und Ranbaxy aus Indien sind gut positioniert, um von der wachsenden Nachfrage nach günstigen Arzneimitteln zu profitieren.

Die Valoren der Generikahersteller sind in diesem Jahr noch stärker gestiegen als die Titel von Big Pharma. Finden Sie überhaupt noch attraktive Anlagemöglichkeiten?
Für die Aktien der Generikaunternehmen bezahlt man gegenwärtig im Durchschnitt rund einmal die Gewinnwachstumsrate. Das ist nicht günstig, liegt aber noch im akzeptablen Bereich.

Wie sieht es im Biotech-Sektor aus? Da sind die Kurse ja ebenfalls markant gestiegen.
Auch für den Biotech-Sektor zahlt man derzeit im Schnitt rund einmal die Wachstumsrate. Wir wenden die gleichen Entscheidungsparameter wie bei den Aktien von Generikaherstellern an.

Bei Big Pharma zählen AbbVie und Pfizer (PFE 31.26 0.35%) zu Ihren Favoriten. Warum?
Pfizer erachten wir als günstig bewertet. Im Fall von AbbVie mögen wir die Pipeline. Die Gesellschaft hat ein interessantes Hepatitis-C-Medikament in der Entwicklung. Auch in der Onkologie arbeitet sie an einem aussichtsreichen Wirkstoff.

Das Patent des Hauptprodukts von AbbVie, Humira, läuft 2016 aus. Droht damit nicht die Gefahr, dass das Unternehmen empfindliche Gewinnverluste erleidet?
Nein. Humira ist ein biologisches Arzneimittel. Biosimilars sind nicht so einfach herzustellen wie chemische Wirkstoffe. Das Medikament ist deshalb auch nach dem Patentablauf bis zu einem gewissen Grad vor Billigkonkurrenz geschützt.

Verkauft haben Sie hingegen die Titel des US-Riesen Merck & Co.
Wir zweifeln nicht an den Fundamentaldaten dieses Konzerns. Er verfügt über eine gute Pipeline. Wir erachten die Aktien mittlerweile als hoch bewertet.

Welche Erwartungen haben sie an das Krebsimmuntherapeutikum Keytruda von Merck (MRK 60.52 0.2%) an, das vor kurzem die Zulassung für den Verkauf in den USA erhalten hat?
Das Marktpotenzial für die neuen immuntherapeutischen Wirkstoffe ist gross. Entsprechend hart ist aber auch die Konkurrenz in diesem Bereich.

Der gesamte Markt für Krebsmedikamente gilt als heftig umkämpft. Wie gehen Sie damit als Investor um?
Es empfiehlt sich, in der Onkologie nicht auf Unternehmen mit nur einem Behandlungsansatz zu fokussieren. Gewinner werden diejenigen Gesellschaften sein, die möglichst viele unterschiedliche Behandlungsziele in der Entwicklung haben und damit nach einzelnen Misserfolgen nicht auf dem Abstellgleis landen.

Spricht das auch für den Marktführer in der Onkologie, Roche?
Die Ausgangslage für Roche ist zweifellos gut. Roche verfügt nicht nur über eine vielfältig gefüllte Pipeline. Das Unternehmen versteht auch sein Geschäft bestens. Das hat es zuletzt bei der Weiterentwicklung der HER2-Krebstherapie gezeigt, die ja ein voller Erfolg ist.

Roche versucht sich auch bei neurologischen Krankheiten. Sehen Sie in diesem Bereich bereits Anlagechancen?
Unternehmen, die an der Entwicklung von Wirkstoffen gegen neurologische Krankheiten sind, stehen nicht in unserem Fokus. Die Vorgänge im Gehirn sind schwer zu verstehen. Die Wissenschaft fängt gerade erst an, die Zusammenhänge zu erkennen. Hinzu kommt, dass klinische Studien sehr zeitaufwendig und schwierig zu konzipieren sind.

Wie beurteilen Sie das Potenzial der Pipeline von Novartis (NOVN 93.15 -0.37%)?
Sehr erfolgsversprechend ist das Herzmedikament LCZ696. Wie es aussieht, hat Novartis mit dem Wirkstoff den Behandlungsstandard auf ein neues Niveau gehoben. Ausserdem ist der Markt für innovative Arzneimittel gegen Herzprobleme weniger umkämpft als das Geschäft mit neuartigen Präparaten gegen Krebs.

Wie attraktiv ist die Bewertung der Valoren von Novartis und Roche auf dem gegenwärtig erreichten Niveau?
Wir halten beide Titel in unserem Portefeuille. Die etwas höhere Bewertung von Roche im Vergleich zu den Novartis-Titeln erachten wir als gerechtfertigt, weil Roche mehrheitlich über Biologika in ihrem Pharmaangebot verfügt. Das verleiht auch nach Patentverlusten Sicherheit vor zu starken Umsatzverlusten.

Wie begegnen Sie dem Preisdruck, der in der Pharmaindustrie herrscht?
Wir investieren einerseits in sehr innovative Unternehmen, deren Medikamente wegen ihres hohen medizinischen Nutzens in einem Therapiegebiet jeweils die Gesamtgesundheitskosten sinken lassen. Für solche Arzneimittel sind Versicherer nach wie vor bereit, mehr Geld auszugeben. Auf der anderen Seite legen wir in Gesellschaften an, die qualitativ gute, aber preisgünstige Generika anbieten.

Im ersten Halbjahr meldete die Pharmaindustrie eine Vielzahl grösserer Akquisitionen. Mittlerweile ist es etwas ruhiger geworden. Ist die Übernahmewelle verebbt?
Die US-Regierung hat griffige Massnahmen ergriffen, um amerikanischen Unternehmen im Ausland Zukäufe zu erschweren, die primär der Steueroptimierung dienen. In der Pharmaindustrie werden wir aber immer Übernahmen sehen. Es gibt viele kleine, innovative Unternehmen, denen die Mittel für teure Studien oder Marketingaktivitäten fehlen. Ausserdem erleichtern die vielen Börsengänge von Biotech-Unternehmen in den Vereinigten Staaten übernahmefreudigen Gesellschaften den Akquisitionsprozess.

In der Schweiz ist nach einer mehrjährigen Zäsur mit Molecular Partners wieder ein Biotech-Unternehmen an die Börse gelangt. Haben Sie die Gesellschaft im Auge?
Wir haben uns die Aktien angeschaut. Die Partnerschaft mit Allergan werten wir als Vorteil. Wir sind uns allerdings nicht sicher, ob die Moleküle von Molecular Partners (MOLN 22.4 -0.22%) nicht zu starke Nebenwirkungen haben. Wir warten weitere Studiendaten ab.

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