Restrukturierungsarbeiten vermiesen dem Luxusgüterkonzern ein gutes Jahresergebnis. Kursrückschläge bieten jedoch Kaufchancen.
Seit Monaten boomt der Verkauf von Luxusgütern. Hersteller von Schmuck, Uhren und Handtaschen berichteten zuletzt über hohe Wachstumsraten. Entsprechend hoch waren die Erwartungen des Marktes an Richemont (CFR 93.62 -5.45%) – und er lag falsch. Die Analysten und Anleger berücksichtigten zu wenig, dass Richemont nach der Uhrenkrise noch immer mit Aufräumarbeiten beschäftigt ist.
Für das abgelaufene Geschäftsjahr 2017/18, das Ende März abgeschlossen wurde, rapportierte der Luxusgüterkonzern am Freitag ein geringes Umsatzwachstum von 3% auf knapp 11 Mrd. €. Auffällig ist vor allem das schwache letzte Quartal. Nach den ersten neun Monaten hatte Richemont beim Umsatz noch einen Zuwachs von 10% vermeldet.Auch die Gewinn- und Margenentwicklung überzeugte nicht. Der Betriebsgewinn (Ebit) kletterte 5% auf 1,84 Mrd. €, die Ebit-Marge legte geringfügig auf 16,8% zu.
Die Aktionäre dürfen sich voraussichtlich auf eine neuerliche Dividendenerhöhung freuen. Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlungeine um 10 Rp. höhere Ausschüttung von 1,90 Fr. je Aktie.
Umsatztreiber waren einmal mehr die beiden Schmuckmarken Cartier und Van Cleef & Arpels, die den Umsatz um 9% steigern konnten. Der Uhrenbereich mit Marken mit IWC, Vacheron Constantin, Piaget und Panerai erlitt wegen den Lagerrückkäufen ein Minus von 6%.
Ein Problemfall bleibt weiterhin der Geschäftsbereich «Andere», der alle anderen Aktivitäten (Leder, Schreibwaren, Bekleidung) umfasst. Mit dem Verkauf von der Marke Shanghai Tang ist ein erster Schritt gemacht worden. Weitere werden wohl noch folgen müssen. Man darf auf die nächsten Handlungen gespannt sein.
Drei Gründe für die Enttäuschung
Es sind vor allem drei Faktoren, die das Ergebnis von Richemont verhagelt haben. Erstens drückte der über die vergangenen Monate erstarkte Euro, die Rechnungswährung des Konzerns, auf die Profitabilität. In Lokalwährungen wies Richemont wenigstens ein Wachstum von 8% aus.
Zweitens war Richemont in den vergangenen Monaten noch immer stark damit beschäftigt, die Auswirkungen der Uhrenkrise aus der Welt zu schaffen. Händler, die auf vollen Lagern sitzen, bestellen keine neuen Modelle. Deshalb bot Richemont weiterhin Hand, Ladenhüter zurückzukaufen. Im vergangenen Geschäftsjahr belief sich diese Rückrufaktion auf 208 Mio. €, ein Jahr zuvor belief sich das Volumen auf 249 Mio. €. Mit dem Rückkauf von Uhren will der Konzern verhindern, dass diese schliesslich auf Graumarkt-Kanälen veräussert werden. Denn dies könnte den Ruf der Marken beeinträchtigen, wenn Uhren auf Drittkanälen mit Preisabschlägen veräussert werden.
Drittens lahmte der Verkauf von teuren Uhren in Europa, wo der Verkauf um 3% nachgab – ganz im Gegensatz zu Asien (plus 12%).
Optimistischer Blick in die Zukunft
Doch nun sollten die Aufräumarbeiten beendet sein. «Wir gehen davon aus, dass keine weiteren Lagerrückkäufe mehr nötig sind», sagte Finanzchef Burkhard Grund an einer Telefonkonferenz. Richemont sei nun für die kommenden Jahre und Jahrzehnte gut aufgestellt. Cartier-Chef Cyrille Vigneron sagte, dass er davon ausgehe, dass die demographische Entwicklung – immer mehr Leute, die sich teure Güter leisten können – der Luxusindustrie in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren Wachstum beschert.
Im Ausblick äussert sich Verwaltungsratspräsident und Mehrheitsaktionär Johann Rupert gewohnt zurückhaltend. Nach wie vor sieht er die Richemont-Marken wie Cartier, IWC oder Piaget am Markt gut positioniert, um langfristige Erfolge zu erzielen. Weiter wird das Senior Executive Committee, also der Geschäftsleitung, um eine Funktion und Person ergänzt. Eric Vallat zum Leiter Fashion&Acceories ernannt.
Ähnlich wie Mitbewerber Swatch Group (UHR 483.4 -1.59%) betonte Richemont anlässlich der Zahlenpräsentation, dass man kurzfristige Kursschwankungen in Kauf nehme, um das Unternehmen langfristig auf Erfolgskurs zu halten. «Auf Mehrjahressicht haben Anleger mit der Richemont-Aktie eine ausgezeichnete Rendite erzielt», sagte Finanzchef Grund.
Börse reagiert negativ
Die Börse reagierte auf das Ergebnis erwartungsgemäss deutlich negativ. Zu Handelsbeginn gaben die Aktien 7% nach, im Laufe des Tages erholten sie sich nur geringfügig. Dabei dürfte es sich hauptsächlich um Gewinnmitnahmen handeln. Denn am Tag vor der Zahlenpublikation kletterten die Titel in Erwartung einer positiven Überraschung auf ein Allzeithoch von 99.02 Fr.
Praktisch unter Dach und Fach ist auch die Übernahme der Online-Plattform Yoox Net-a-Porter (YNAP). Inzwischen sind 95% der Aktien Richemont angedient worden. Der Konzern erhofft sich vom Zukauf eine zusätzlichen Zugang zu digitalen Verkaufskanälen. Die Plattform soll weiterhin Richemont-unabhängig betrieben werden und allen Luxusmarken offenstehen.
Angesichts der schlechter als erwartet ausgefallenen Zahlen reduziert «Finanz und Wirtschaft» die Gewinnschätzungen für die Geschäftsjahre 2018/19 und 2019/20 um je 15% auf 3,04 resp. 3.35 Fr. je Aktie. Darauf basierend sind die Aktien noch immer stolz bewertet. Sollten die Kurse in den kommenden Handelstagen weiter nachgeben, bietet sich langfristig orientierten Anlegern eine gute Möglichkeit, mit Richemont in den wachsenden Luxusgütermarkt zu investieren.
Die komplette Historie zu Richemont finden Sie hier. »
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