Aktivistische Investoren wie Carl Icahn waren bislang vorwiegend in den USA tätig. Nun nehmen sie auch andere Regionen ins Visier. Was das für die Unternehmen bedeutet.
Wenn immer der US-Milliardär Carl Icahn bei einem kotierten Unternehmen einsteigt, klettert der Puls des Managements in die Höhe. Denn aktivistische Investoren wie Icahn verfolgen einen klaren Plan, wie sie mit deutlichen Forderungen an die Führungsetage zu mehr Rendite kommen.
Das kann die strategische Ausrichtung des Unternehmens oder die Zusammenstellung der Führungsetage betreffen. Andere Forderungen zielen auf die Ausschüttungspolitik oder auf die Abspaltung von Unternehmensteilen ab.
Zum Beispiel bei Apple (AAPL 106.94 -0.59%): Zwischen August 2013 und April 2016 kaufte Icahn Aktien im Wert von mehreren Milliarden Dollar. Mit dieser Beteiligung gelang es ihm, den Computerkonzern dazu zu bringen, die Aktionäre stärker am milliardenhohen Gewinn zu beteiligen: Apple erhöhte zwischen 2013 und 2016 die Summe der Gesamtausschüttungen um 50 Mrd. auf 250 Mrd. $.
Auch in der Schweiz aktiv
Auch in der Schweiz sind die aktivistischen Investoren tätig. Zum Beispiel der schwedische Hedge Fund Cevian Capital, der beim Industriekonglomerat ABB (ABBN 21.41 -0.14%) Druck macht, das Energiegeschäft teilweise oder ganz abzuspalten.
Oder Veraison, hinter der der zCapital-Gründer Gregor Greber und der ehemalige Sonova-Chef Valentin Chapero stehen. Veraison hat sich in den vergangenen Monaten in verschiedene Schweizer Unternehmen wie Ascom (ASCN 17.15 0.59%), Goldbach Group, Komax (KOMN 241.1 -0.41%), Mikron (MIKN 6.64 0.61%) oder Leonteq (LEON 63 -3.08%) eingekauft. In diesen Gesellschaften sieht sie Potenzial, «mit ihrem Engagement eine erhebliche Wertsteigerung zu erzielen». So lautet ihre offizielle Begründung.
Ob Icahn, Cevian oder Veraison: Sie sind Aushängeschilder einer Branche, die in den vergangenen Jahren stark zugelegt hat. War es vor fünf Jahren eine Handvoll Hedge-Fund-Manager, die als Aktivisten auftraten, sind es heute über achtzig. Dazu kommen zahlreiche Multistrategie- und Event-Driven-Fonds, die ebenfalls regelmässig als Aktivisten auftreten.
Vor allem in den vergangenen achtzehn Monaten ist deutlich Bewegung in den Aktionärsaktivismus gekommen, wie eine Studie der US-Investmentbank J.P. Morgan aufzeigt. Interessant sind vor allem drei Feststellungen.
Aktivismus wird globaler
Lange Zeit waren aktivistische Aktionäre hauptsächlich in den USA tätig gewesen. In den vergangenen zwei Jahren haben sie vermehrt Ziele ausserhalb Nordamerikas anvisiert, hauptsächlich in Europa, Asien und Australien, wie die Grafik zeigt.
So ist die Zahl der aktivistischen Kampagnen ausserhalb der USA binnen Jahresfrist um 39% auf 227 gestiegen.
Europa am stärksten im Fokus
Das grösste Wachstum weist Europa auf. Die Zuwachsrate innerhalb eines Jahres beläuft sich auf 62%. Damit hat Europa Australien überholt und ist nun der zweitgrösste Markt für aktivistische Aktionäre hinter den USA, wie die Grafik zeigt. In Asien hat die Zahl der Kampagnen 46% zugelegt, Australien hinkt mit einem Plus von 10% deutlich hinterher.
Je nach Region konzentrieren sich die Aktivisten auf andere Kernpunkte. In Europa standen zuletzt hauptsächlich die Zusammenstellung des Verwaltungsrats (44% der Vorstösse) und die Maximierung des Shareholder Value (25%) auf dem Programm.
In Asien hingegen zielen 40% der Kampagnen auf die Maximierung des Shareholder Value. In den meisten Fällen ging es darum, die Ausschüttung an die Anteilseigner zu erhöhen. In Australien wiederum betrafen acht von zehn Fällen die Zusammensetzung des Verwaltungsrats beziehungsweise die Abwahl von einzelnen Vertretern.
Gegenvorschläge haben es schwerer
Aktivistische Investoren bringen sich nicht nur beim Management, sondern auch an den jährlichen Generalversammlungen ein. In den vergangenen Jahren hatten sie an diesen Anlässen verstärkt dem Verwaltungsrat auf die Finger geschaut und bei Bedarf eine Neubesetzung gefordert.
Interessanterweise zeigt die Studie von J.P. Morgan, dass die grossen institutionellen Anleger wieder vermehrt den Vorschlägen des Managements folgen. Wurde 2014 nur in jedem zweiten Fall den Vorschlägen des Managements gefolgt, waren es in diesem Jahr bislang 70%.
J.P. Morgan führt diese Quotenerhöhung darauf zurück, dass heute der Dialog zwischen Management und wichtigen Aktionären bereits im Vorfeld der Generalversammlung intensiv geführt wird. Oftmals fordern gerade die aktivistischen Investoren je nach Grösse ihrer Beteiligung eigene Vertreter im Verwaltungsrat.
Unternehmen müssten heute viel proaktiver und deutlicher mit ihren Aktionären kommunizieren, folgert J.P. Morgan. Früher habe es gereicht, Berater zu engagieren, die allfällige Vorstösse von aktivistischen Investoren frühzeitig erkannt und daraufhin eine Verteidigungsstrategie aufgesetzt hätten.
Dazu kommt, dass heute immer weniger grosse Investoren ihre Stimmrechte an Aktionärsberater wie ISS oder Glass-Lewis auslagern. Investmenthäuser wie BlackRock, Vanguard und Schroders setzen nun auf interne Corporate-Governance-Teams, die Abstimmungsempfehlungen vorgeben und darauf achten, dass sie über die verschiedenen Anlagevehikel konsistent umgesetzt werden.
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