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12:50 Uhr - 10.06.2016

Die Bezahl-Revolution wird ausbleiben

Apple Pay soll in die Schweiz kommen. Doch mehrere Gründe sprechen hierzulande gegen einen Siegeszug der mobilen Bezahllösung.

Die Schweiz soll um eine mobile Bezahllösung reicher werden. Nächste Woche könnte der Tech-Riese Apple (AAPL 99.65 0.72%) an seiner Entwicklerkonferenz am Hauptsitz in Cupertino die Lancierung seines Dienstes Apple Pay in der Schweiz ankündigen. Das berichtete am Dienstag das Online-Portal Finews.

Bei Apple hält man sich bedeckt. «Es könnte möglich sein», sagt eine Sprecherin zu «Finanz und Wirtschaft». «Das werden Sie am Montag sehen.» Die Marke Apple Pay ist zumindest schon seit Februar dieses Jahres in der Schweiz eingetragen.

Gemäss dem Bericht soll Apple die Tessiner Cornér Bank als Kreditkartenherausgeberin gewonnen haben. Dort will man sich zu einer möglichen Lancierung von Apple Pay überhaupt nicht äussern. Die Stillschweigeabmachungen, die Apple mit ihren Partnern schliesse, seien sehr streng. «Sie wissen gar nicht, was wir alles unterschreiben mussten», sagt eine mit der Sache vertraute Person. «Am Montag können wir mehr sagen.»

Schweiz scheint prädestiniert

Die Schweiz wäre erst das siebte Land, in dem Apple Pay eingeführt wird. Bisher ist der Dienst erst in den USA, Kanada, China, Australien, Singapur und Grossbritannien aktiv. Unbestätigten Berichten zufolge stehen als Nächste Spanien und Frankreich auf Apples Liste.

Das Ziel des Tech-Riesen ist, seine mobile Bezahllösung in allen «signifikanten Märkten» einzuführen. Dabei spielen jeweils die Verbreitung von Apple-Produkten, die Akzeptanz von Kredit- und Debitkarten sowie das Vorhandensein von kontaktlosen Bezahlterminals eine Rolle.

Zumindest anhand zweier dieser Kriterien ist die Schweiz prädestiniert für die Einführung. Kontaktloses Bezahlen ist mittlerweile an vielen Verkaufsstellen vor allem bei den grossen Detaillisten Migros und Coop möglich, und in kaum einem anderen Land ist der Anteil an Apple-Smartphones so hoch wie in der Schweiz. Jedes zweite Handy trägt hierzulande den Apfel.

Wird Apple nun also den Markt für mobiles Bezahlen in der Schweiz übernehmen und die heimischen Anbieter Paymit und Twint, die sich im Herbst zusammenschliessen werden, verdrängen? So einfach ist die Sache dann doch nicht. Der Tech-Riese hat mehrere Hürden vor sich, wie auch die Erfahrungen des Bezahldienstes in anderen Ländern zeigen.

Die Kartenherausgeber als Torwächter

Die Zahlung mit Apple Pay läuft zwar kontaktlos über den im iPhone eingebauten NFC-Chip (Near Field Communication) – eine schon einige Jahre alte Technologie. Schlussendlich wird aber über eine jahrzehntealte Zahlungsmethode abgerechnet: die Kreditkarte. Diese wird in der Apple-Pay-App virtualisiert.

Damit der Nutzer seine Kreditkarte aber überhaupt in sein iPhone übertragen kann, muss Apple eine Vereinbarung mit den Kartenherausgebern (Issuern) schliessen. In der Schweiz sind das UBS (UBSG 14.01 -1.55%), PostFinance, Cembra Money Bank (CMBN 66.95 -1.03%), Cornér Bank sowie Swisscard (zu jeweils 50% im Besitz von Credit Suisse (CSGN 12.24 -2.47%) und American Express) und Viseca, deren Aktionariat aus den Kantonalbanken, Raiffeisenbanken und weiteren Regionalbanken besteht.

Bisher scheint Apple nur die Cornér Bank auf ihrer Seite zu haben. UBS, PostFinance, Viseca und Cembra stehen nach eigenen Angaben nicht in Kontakt mit dem US-Unternehmen. Swisscard will sich dazu nicht äussern. Will ein Apple-Nutzer nächste Woche also Apple Pay in der Schweiz ausprobieren, braucht er zunächst eine Karte, herausgegeben von der Cornér Bank. Diese hat nach eigenen Angaben rund 1,4 Mio. Kreditkarten in der Schweiz im Umlauf, insgesamt sind gemäss Daten der Schweizerischen Nationalbank aktuell 6,2 Mio. Kreditkarten auf dem heimischen Markt.

Tech-Riese verlangt hohe Gebühren

«Apple startet nie flächendeckend mit allen Issuern», sagt Thomas Fromherz, Mobile-Payment-Experte beim Softwareentwickler Netcetera. Noch heute gebe es in den Ländern, in denen Apple den Bezahldienst ausgerollt habe, Issuer respektive Banken, die sich der Partnerschaft verweigern.

Das liegt zum einen an den Gebühren: Apple verlangt relativ hohe Transaktionsgebühren von 0,15% des Transaktionspreises. In den USA sei dies noch vertretbar, so Fromherz, weil die Gebühren, die die Herausgeber bei jeder Kartennutzung erhalten, allgemein höher sind. In Europa wurden sie allerdings auf 0,3% herunterreguliert – und Apple will nun die Hälfte davon für sich.

«Den Banken passt das natürlich nicht», sagt Fromherz, weswegen Apple es eher schwer habe, die Issuer im Besitz der Banken zu überzeugen. In der Schweiz sind die Gebühren mit 0,7% zwar noch etwas höher als in der EU. Doch per 1. August 2017 werden sie auf 0,44% gesenkt. Allerdings: Der Druck auf die Issuer werde steigen, Apple Pay zuzulassen, ist Fromherz überzeugt.

Schutz der heimischen Bezahllösung

Doch hierzulande könnte für die Issuer noch ein Grund gewichtig sein, sich Apple Pay zu verweigern: die eigene nationale Bezahllösung der heimischen Bankenszene, Paymit und Twint. Für die beiden Dienste, die sich unter dem Namen Twint im Herbst zusammenschliessen werden, stellt Apple Pay eine ernstzunehmende Konkurrenz dar. Sie könnte auf Distanz gehalten werden, würde man ihr den Zugang zu den Karten verweigern.

Apple macht schliesslich etwas Ähnliches, indem das Unternehmen seinen NFC-Chip für andere Anbieter sperrt. Auch deswegen ist Twint den Umweg über die Übertragungsform Bluetooth gegangen und hat zahlreiche Coop-Kassen mit einer eigenen Schnittstelle dafür ausgestattet.

Die Issuer wollen sich zu diesen Planspielen nicht wirklich äussern. Auch bei Twint hält man sich bedeckt, solange Apple Pay noch nicht offiziell lanciert ist.

Cash is King

Neben den Hürden, die Issuer und Konkurrenten darstellen, sprechen aber noch zwei Gründe gegen den Erfolg mobiler Zahllösungen: die Gewohnheit und die bestehenden Möglichkeiten für kontaktloses Zahlen.

Mit welchem Mittel vor allem gezahlt wird, ist von Land zu Land unterschiedlich. In Skandinavien ist beispielsweise bargeldloses Zahlen weit verbreitet. Jeder dritte Däne nutzt heute Mobile Pay, die App der Danske Bank (DANSKE 25.16 -0.79%). In Südeuropa ist dagegen Bargeld vorherrschend. Die Schweiz, obwohl technikaffin, ist, wenn es ums Zahlen geht, eher südländisch.

Bargeld hält sich hierzulande hartnäckig als Zahlungsmittel Nummer eins. 1990 wurden rund 90% aller Transaktionen in bar beglichen. Obwohl das Plastikgeld seither eine weite Verbreitung erfahren hat, wird heute immer noch bei rund 60% aller Transaktionen Cash gezückt. Um den Rest streiten sich die Karten. Obwohl Paymit und Twint seit vergangenem Jahr auf dem Schweizer Markt sind, hat das Zahlen via Handy bisher keinen signifikanten Anteil an den Transaktionen, wie auch Twint-CEO Thierry Kneissler im FuW-Interview einräumt.

Siegeszug unwahrscheinlich

Kontaktloses Zahlen ist heute bereits mit den Karten möglich – vor allem an der Ladenkasse ist die Kartenzahlung schneller als jede App. Und dennoch hat es diese Zahlform schwer hierzulande: Obgleich 85% der Kreditkarten in der Schweiz NFC-fähig sind, wird nur rund jede siebte Transaktion kontaktlos abgewickelt.

Hinzu kommt, dass die Schweizer die Debitkarte bevorzugen, bei der direkt eine Abbuchung vom Bankkonto vorgenommen wird. Den erwähnten 6,2 Mio. Kreditkarten in der Schweiz stehen über 10 Mio. Debitkarten gegenüber. Von diesen sind zurzeit aber nur rund 10% NFC-fähig. So geht nur jede 72. Transaktion mit einer Debitkarte kontaktlos vonstatten.

Die Zahlungsgewohnheiten ändern sich hierzulande nur langsam. Selbst in den USA, dem Herkunftsland von Apple Pay, wo der Dienst jeden Issuer an Bord hat, sind die Nutzungszahlen noch vergleichsweise gering.

Ein Siegeszug mit wehenden Fahnen von Apple Pay ist also unwahrscheinlich. Zum einen könnten sich die Issuer schlicht verweigern, zum anderen kann man heute schon mit der Karte rasch kontaktlos bezahlen. Doch daran müssen sich Herr und Frau Schweizer erst einmal richtig gewöhnen.

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