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11:54 Uhr - 27.04.2015

Vater des Erfolgsmodells Hongkong

Zu Zeiten der Kronkolonie setzte der liberal gesinnte Finanzstaatssekretär John James Cowperthwaite sein Modell der «Positive Non-Intervention» durch. Das führte zu einem dauerhaften Aufschwung.

Was müssen arme Länder als Erstes tun, um wohlhabender zu werden? Das nationale Statistikamt schliessen. Das war ein Credo, dem John James Cowperthwaite gegen jede Modeströmung nachlebte. John James Cowperthwaite Bild: ZVGIn seiner Zeit als Finanzstaatssekretär der Kronkolonie Hongkong, von 1961 bis 1971, liess er nur ganz wenige, oberflächlichste Daten erheben. Als die irritierte Regierung in London Inspekteure nach Hongkong entsandte, steckte Cowperthwaite die Emissäre buchstäblich ins nächste Flugzeug zurück.

Als ihn der grosse Monetarist Milton Friedman später fragte, weshalb er Statistiken denn für gefährlich halte, sagte Cowperthwaite, sie lieferten Vorwände für staatliche Interventionen. Sobald aber der Staat gegen vermutete Übel angehe, störe er die Marktkräfte. Cowperthwaites Abneigung gegen den Zahlen- und Formelfetischismus in der Ökonomik muss Keynesianern das Blut in den Adern gefrieren lassen. Seinerzeit hätte er es in London, wo bei Labour wie bei Tories der sozialistische Zeitgeist herrschte, nicht weit gebracht.

Sir John – geboren vor einem Jahrhundert, am 25. April 1915, geadelt anno 1968 – war ein Liberaler ohne Wenn und Aber. Was er zu seinem Grundvertrauen in den Markt und zum Misstrauen gegenüber der Bürokratie immer wieder sagte, könnte von Friedrich August von Hayek stammen. «Die aggregierten Entscheidungen einzelner Geschäftsleute, die in einer freien Wirtschaft persönlich urteilen, mögen zwar oft falsch sein, doch auf die lange Sicht werden sie höchstwahrscheinlich weniger Schaden anrichten als zentralistische Verfügungen einer Regierung – und gewiss würde der Schaden rascher behoben.»

Cowperthwaite kam aus Edinburgh und studierte in St. Andrews Wirtschaft. Seine geistige Heimat war die schottische Aufklärung: Ferguson, Hume und vor allem Adam Smith. Er war ein unbeirrbarer Freihändler, ein Praktiker mit viel «Common Sense». 1946 sandte ihn Whitehall nach Hongkong, dessen wirtschaftlichen Kurs er ab 1961 verantwortete. Cowperthwaite richtete dabei den Kompass in erster Linie darauf aus, Dummheiten anderer zu verhindern.

In den Nachkriegsjahren lag das Durchschnittseinkommen in Hongkong weit unter demjenigen im Mutterland. In der Epoche der Entkolonialisierung, just als Cowperthwaite im Amt war, sagte der ausgesprochen linke schwedische Ökonom Gunnar Myrdal Afrika eine grosse Zukunft und Asien chronische Armut voraus (Myrdal erhielt 1974, zusammen mit Hayek, den Nobelpreis).

Cowperthwaite wusste und machte es besser. Er verfolgte kompromisslos einen Ansatz, den er «Positive Non-Intervention» nannte: niedrige Steuersätze, keine Zölle, keine Subventionen, keine öffentlichen Schulden, keine hinderliche Bürokratie – Prinzipien statt Statistiken. Dieses Laissez-faire liess  Hongkong zügig zu Grossbritannien aufschliessen bzw. es überholen, während sich das Königreich heillos im dirigistischen Sumpf verirrte. Junge afrikanische Staaten wie Ghana oder Nigeria – deren Wirtschaftsleistung pro Kopf in den frühen Sechzigerjahren höher war als diejenige in den geschickt und geschäftsfreundlich regierten Ländern Hongkong, Singapur, Südkorea oder Taiwan – gerieten hoffnungslos ins Hintertreffen.

John Cowperthwaite brauchte sich nicht wählen zu lassen. Seine Entschlossenheit und sein Erfolg inspirierten jedoch Margaret Thatcher. Die nahm es auf sich, das ruinierte Grossbritannien zu sanieren. Das Beispiel Hongkongs, wo sich die  Nachfolger mehr oder weniger an Cowperthwaites Linie hielten, brachte offensichtlich selbst die Kommunisten in Peking ins Grübeln. Seit dem Handwechsel 1997 lassen sie Hongkong wirtschaftlich einigermassen gewähren. Vor allem aber kontrastierte der Aufschwung Hongkongs krass mit der marxistisch-maoistischen Misere in der Volksrepublik. China hat daraus gelernt und sich und damit die Welt verändert. Nicht zuletzt dank John Cowperthwaite.

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