Die Bundesbank hat bereits für 2020 eine Zinsentlastung verbucht. In den Bilanzen der deutschen Geldhäuser dürfte die aber bis 2022 zu spüren sein.
Negative Zinsen auf Bankkonten sind in Deutschland wie in der Schweiz für einige ein grosses Ärgernis. Zumindest für vermögende Anleger und Unternehmen mit vielen flüssigen Geldmitteln. Es werde immer öfter eine Zinsgebühr fällig, berichten deutsche Medien derzeit fast im Wochentakt.
Doch jetzt zeigt sich, dass dieses Gebaren der Banken immer weniger berechtigt erscheint. Der Grund liegt in der Rettungspolitik während der Pandemie. Denn die Banken werden dieses und nächstes Jahr von einem Zinsgeschenk der Europäischen Zentralbank (EZB) in Milliardenhöhe profitieren.
Erste Zahlen belegen – bisher kaum beachtet –, wie stark die EZB zusammen mit den nationalen Notenbanken die Kreditinstitute des Währungsraums subventioniert. Unter dem Strich hat allein die Deutsche Bundesbank im vorigen Geschäftsjahr rund 1 Mrd. € an Zinsentlastung verbucht, wie sie in ihrem im März veröffentlichten Geschäftsbericht schreibt.
Ziel dieser Stützung ist zwar in erster Linie, dass die Banken ihr Kreditgeschäft nicht kürzen und die Liquiditätsversorgung der Wirtschaft aufrechterhalten. Als willkommener Nebeneffekt können sie aber so die Last der negativen Einlagenzinsen kompensieren.
In Deutschland kassiert die Bundesbank für das Eurosystem der Notenbanken die seit 2014 geltenden Zinsen auf die Bankeneinlagen bei der EZB. Sie liegen aktuell bei –0,5%. Die Negativzinsen sollen die Institute aber nicht bestrafen, wie einige Kritiker oberflächlich behaupten.
Mit den Negativzinsen will die EZB erreichen, dass die Geldmarktzinsen – zum Beispiel für einen Tag – sinken und so auch die positiven Kreditzinsen der Banken mit längeren Laufzeiten drücken. Seit Oktober 2019 gelten zudem wie in der Schweiz Freibeträge auf die EZB-Einlagen der Banken, um ihre Profitabilität zu schonen.
Deutsche Banken sind allerdings überdurchschnittlich von Negativzinsen betroffen: Durch Kapitalflucht und andere Transaktionen sind in den vergangenen Jahren unter dem Strich viele liquide Mittel aus anderen Euroländern nach Deutschland geflossen.
Banken nutzen dieses Geld auf ihren Zentralbankkonten aber nur für Geschäfte und Transaktionen mit anderen Banken oder Regierungen. Deswegen bleibt das deutsche Bankensystem seit Jahren auf dem Cash bei der Bundesbank sitzen, auf das die Zinsgebühren fällig werden (vgl. Grafik 1). Daran ändert auch das Kreditgeschäft mit Kunden nichts.
Mit dem Pandemienotprogramm werden die Geldhäuser allerdings entlastet. Damit das Kreditgeschäft mit den Kunden nicht zusammenbricht, beschloss der EZB-Rat im April und im Dezember, den Banken zusätzliches Zentralbankgeld (Liquidität) zu verleihen: für jeweils drei Jahre gegen Sicherheiten (z.B. Anleihen), aber ohne Zinsen zu verlangen.
Stattdessen zahlt die EZB in diesen TLTRO (Targeted Longer-Term Refinancing Operations) genannten Geschäften jetzt eine Prämie, die regulär bei 0,5% liegt. Sie kann aber von 24. Juni 2020 bis 23. Juni 2022 auf 1% steigen, wenn die Banken ihr Kreditgeschäft mit den Kunden mindestens konstant halten.
Selbst wenn eine Bank ihr geliehenes Cash auf ihrem Zentralbankkonto nicht los wird, bekommt sie dafür also am Ende noch eine Nettoprämie von 0,5% (nach Abzug der Zinsgebühr von 0,5% auf die Einlagen).
Ein Beispiel: Die zweitgrösste Bank Deutschlands, die genossenschaftliche DZ Bank, hat sich mit 17,8 Mrd. € an den TLTRO-Geldleihegeschäften mit der EZB beteiligt, wie sie auf Nachfrage mitteilt. Ihr Kontosaldo bei der EZB ist von Ende 2019 bis Ende 2020 allerdings um 16 Mrd. € gestiegen.
Als Bruttoprämie konnte die DZ Bank für das Geschäftsjahr 2020 bislang jedoch nur eine Prämie von 0,5% (41 Mio. €) verbuchen, aber noch nicht die ganzen 1% als Ertrag. Dies liegt daran, dass die erste Referenzperiode für die Messung des relevanten Kreditvolumens erst Ende März 2021 endet.
Für die Bundesbank ist das anders, sie rechnet bereits im Jahresabschluss 2020 aus Vorsichtsgründen mit dem Aufwand, der sich aus der 1%-Prämie ergibt. So kommt sie auf einen Anstieg der Zinsaufwendungen aus Refinanzierungsgeschäften von 338 auf 1773 Mio. €.
Im Gegenzug steigt der Zinsertrag auf Einlagen der Kreditinstitute aber nur von 2366 auf 2726 Mio. €, wobei hier nun auch die Freibeträge in einem vollen Jahr durchschlagen.
Unter dem Strich entlastet die Bundesbank die Geldhäuser als Ganzes somit um 1075 Mio. € (vgl. Grafik 2), wobei jedes Jahr durchaus auch unterschiedliche Banken betroffen sein können.
Das grösste Kreditinstitut, die Deutsche Bank (DBK 10.50 -0.25%), hat sich im vergangenen Jahr 22 Mrd. € in den TLTRO-Geschäften geliehen und plant, die Summe aufzustocken. Das Management geht davon aus, dass die Bruttoprämie von 0,5 auf 1% im ersten Halbjahr 2021 steigen wird.
Das viertgrösste Haus, die Commerzbank (CBK 5.28 +0.34%), hat sich im vergangenen Jahr mit einem Volumen von 32,3 Mrd. € beteiligt. Seit Sommer ist bereits bekannt, dass die staatliche KfW, das drittgrösste Institut des Landes, sich im Juni eine Summe von 13,4 Mrd. € geliehen hat.
Die Förderbank schreibt der FuW: «Die Mittel wurden aufgenommen, weil der Erwartungswert ihrer Verzinsung wirtschaftlich günstiger war als der einer alternativen Mittelaufnahme der gleichen erwarteten Laufzeit.»
Die KfW, über die viele Notkredite der Regierung laufen, veröffentlicht am Donnerstag im Geschäftsbericht die Höhe ihrer EZB-Einlagen.
Die fünf grössten Banken in Deutschland kommen damit bereits auf gut 110 Mrd. €, die sie sich bei der EZB geliehen haben. Dies entspricht rein rechnerisch einer Nettozinsprämie (0,5%) von rund 550 Mio. € in diesem Jahr, wenn diese Mittel auf den Zentralbankkonten der Institute bleiben.
Das fünftgrösste Geldhaus in Deutschland, die Hypovereinsbank, gehört als Teil der italienischen UniCredit zu den Auslandbanken in Deutschland. Sie hat sich im vergangenen Sommer 25,7 Mrd. € geliehen, wie dem Halbjahresbericht zu entnehmen ist.
Klar ist aber, dass vor allem deutsche Banken von der Rettungspolitik der EZB profitieren. Wie die Bundesbank auf FuW-Anfrage mitteilt, ist die Summe, die Auslandbanken und Töchter ausländischer Banken in Deutschland in den Refinanzierungsgeschäften im vergangenen Jahr geliehen haben, zwar gestiegen: um 20 Mrd. € auf 38 Mrd. €.
Doch der Anteil der ausländischen Institute an der Refinanzierung aller Banken in Deutschland ist von 24 auf 11% gesunken. Bei einem Anstieg der gesamten Refinanzierungssumme um rund 265 Mrd. € entfielen also 245 Mrd. € auf inländische Institute.
Ein Grossteil davon dürfte somit auch auf kleinere Banken und Sparkassen entfallen. Sie alle haben wie die grösseren Geldhäuser derzeit offensichtlich weniger Grund, Negativzinsen an ihre Kunden weiterzugeben.
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