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18:14 Uhr - 05.02.2016

«Das Umfeld ist enorm herausfordernd»

Tidjane Thiam, CEO der Credit Suisse, betont seine langfristige Orientierung und hält an den Zielen fest, zu denen er die Grossbank mit dem Umbau führen will.

Tidjane Thiam will die Credit Suisse (CSGN 14.95 1.49%) umbauen und hat dazu im Dezember über 6 Mrd. Fr. frisches Kapital bei den Aktionären geholt. Seither ist der Aktienkurs ein Viertel eingebrochen, und die Titel kamen mit der Präsentation des Jahresergebnisses erneut unter starken Abgabedruck. Angesichts der Marktsituation und der Versäumnisse der Vergangenheit, die immer deutlicher werden, kommen Zweifel auf, ob der neue CEO seine ehrgeizigen Ziele für die Bank zeitgerecht wird erreichen können.

Herr Thiam, Sie kamen zu Credit Suisse, um Wachstum und Zuversicht zu bringen. Jetzt haben die Märkte gedreht, und Sie stehen voll im Gegenwind. Wie fühlt sich das an?
Zur PersonCredit Suisse hat mit Tidjane Thiam einen Versicherungsmann auf den Chefsessel gehievt. Bevor der 54-Jährige zur Grossbank kam, leitete er sechs Jahre die britische Versicherung Prudential, davor war er Europachef bei Aviva. Der Fussballfan war zunächst Berater bei McKinsey. Thiam studierte Mathematik, Physik und Betriebswirtschaft an französischen Eliteschulen. Von 1994 bis zum Putsch 1999 arbeitete er für seinen Heimatstaat Elfenbeinküste, zuletzt als Minister für Planung und Entwicklung. Der Chevalier der französischen Ehrenlegion ist neben seinem Job bei CS im Wirtschaftsrat des britischen Premierministers tätig.
Der Markt hat sich nicht gegen uns im Besonderen gedreht. Das Umfeld ist jedoch enorm herausfordernd geworden. Die Welt sieht komplett anders aus als zu der Zeit, in der wir unsere Strategie entwickelt haben. Schauen Sie sich den Bankensektor an. Wir haben noch nie solche Kurssprünge bei Ergebnispräsentationen gesehen. Es ist eine sehr aussergewöhnliche Ergebnissaison. Am Donnerstag traf es uns. Manchmal gerät der Markt in eine Stimmung, in der einzig das Schlechte wahrgenommen wird. In unseren Resultaten gab es viel, was positiv und ermutigend ist. Der Markt hat jedoch auf die Probleme im Investment Banking fokussiert.

Der Aktienkurs der CS ist eingebrochen. Wie beurteilen Sie die Situation?
Der Turnaround wird viel Zeit beanspruchen. Ich habe das von Anfang an betont und gewarnt, dass 2015 und 2016 schwierig werden. Wir tun das, was wir angekündigt haben. Der Markt wird uns keine Vorschusslorbeeren gewähren. Das braucht erfahrungsgemäss Zeit.

Bei Ihrer Ankunft formulierten Sie Gewinnziele. Diese waren von Beginn weg ambitioniert. Sind sie nun unerreichbar geworden?
Wir stehen erst im zweiten Monat des Weges, und wir haben weitere 35 Monate vor uns. Wir haben uns langfristige Ziele gesetzt. Es ist zu früh, die Zielerreichung für unmöglich zu erklären.

Sie halten an den Zielen fest?
Ja. Das Sentiment im Markt kann innerhalb eines Quartals von der einen Seite auf die andere kippen. Man kann die Strategie einer so grossen Bank nicht danach ausrichten. Grosse Erfolge erreicht man nicht mit Taktieren.

Sie haben jedoch den ursprünglichen Fokus auf Wachstum bereits in Richtung Kostenkontrolle verschoben.
Nein, das Kostenziel bleibt unverändert. Seit Beginn haben wir das Ziel formuliert, 3,5 Mrd. Fr. einzusparen. Gleichzeitig wollen wir 1,5 Mrd. investieren. Für den Fall, dass sich das Umfeld eintrübt, haben wir uns vorbehalten, die Einsparungen zu beschleunigen und zurückhaltender zu investieren. Das ist genau das, was wir jetzt tun. Doch es braucht wenig, und das Sentiment schwenkt wieder auf Wachstum um.

Credit Suisse hat ein beträchtliches Engagement im Öl- und Gassektor.
Unser Engagement im Öl- und Gassektor ist nicht besonders hoch, und wir haben die Bilanz dafür. Im letzten Quartal verbuchten wir 600 Mio. Fr. Bewertungsverluste auf Finanzanlagen. 127 Mio. stehen in Verbindung mit Öl und Gas. Alle unsere Kredite an den Sektor sind gedeckt.

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Wenn der Ölpreis um die 30 $ bleibt, verlieren die Kreditdeckungen ihren Wert.
Die Ölpreise schwanken stark, das macht mir keine Sorgen.

Welche Positionen machen Ihnen Sorgen?
Im Bereich Festverzinsliche hatten wir einen Superzyklus, doch jeder hätte wissen müssen, dass dies wieder drehen wird. Dennoch haben wir in unseren Büchern Geschäfte angetroffen, die nicht zu Credit Suisse passen, und eliminieren diese Positionen. Wir fanden ein Inventar an Kreditpapieren, die ich niemals gekauft hätte und die wir abgebaut haben. Die Verluste hätten sonst noch viel höher ausfallen können.

Positionen, die Sie kürzlich entdeckt haben?
Dazu kann ich nichts sagen, ausser, dass wir angemessene Massnahmen ergriffen haben. Wir wollen eine stabile Investmentbank, die die Risiken im Griff hat. Deshalb führen wir die Investment-Banking-Einheiten über das zugeteilte Kapital und nicht über Gewinnziele. Der Aktienkurs der CS würde in die Höhe schiessen, wenn wir die Investmentbank schliessen. Aber das wäre kurzfristig. Wir glauben an den Bereich. Gleichzeitig räumen wir auf.

Probleme hat auch die Vermögensverwaltung. Asien war im Schlussquartal die einzige Region mit positivem Nettoneugeld.
Auch im International Wealth Management verzeichneten wir gutes Neugeld. Abflüsse erklären sich aus der Regularisierung unversteuerter Gelder. Wir haben diese angestrebte Bereinigung auf bis zu 10 Mrd. Fr. veranschlagt. Tatsächlich lagen die Abflüsse darunter. In Asien zogen wir 17,8 Mrd. Fr. Neugelder an. Das ist mehr als jede andere Bank, inklusive asiatischer. Das ist eine bemerkenswerte Leistung.

Ist Ihr Glaube an den positiven Trend in Asien intakt?
In Asien werden wir unsere Investitionen nicht zurückfahren. Sie sind gegenwärtig profitabel und werden uns langfristig sehr weit bringen. Asien wird in Zukunft einen gewichtigen Teil der Weltwirtschaft ausmachen. Diese Überzeugung hat sich aufgrund eines einzelnen Quartals nicht verändert. Meine persönliche Erfahrung mit Asien ist, dass die beste Strategie ist, antizyklisch vorzugehen. Man muss die Investitionen intensivieren, wenn alle anderen davonrennen. In Asien zählt Verbindlichkeit. Sie zahlt sich langfristig aus.

Einen grossen Einbruch fürchten Sie nicht?
Nein, Asien wird sich nicht in Luft auflösen – dort leben 70% der Weltbevölkerung. Falls eine Wachstumsverlangsamung kommt, werden andere den Mut verlieren und zu Dumpingpreisen verkaufen. Und wir werden kaufen.

Im Dezember haben Sie über 6 Mrd. Fr. neues Kapital aufgenommen und bereits 2 Mrd. davon verbrannt. Reicht das Kapital, um Ihre Umbaupläne umzusetzen?
Credit Suisse war in ihrer Geschichte noch nie so gut kapitalisiert wie heute. Sie ist in einer stärkeren Position denn je. Ich möchte gar nicht daran denken, wo wir stehen würden, hätten wir kein frisches Kapital aufgenommen. Es hätte sehr ungemütlich werden können. Wir haben das Richtige getan. Wir müssen in einer sehr herausfordernden Zeit restrukturieren.

Reicht das vorhandene Kapital dafür aus?
Eine Funktion von Kapital ist, uns alle bei negativen und/oder unerwarteten Ereignissen zu schützen. Es gibt die Ansicht, dass Kapital nicht angetastet werden darf. Das entspricht jedoch nicht der Realität. Wenn Kapital vorhanden ist, wird es eines Tages einen Schock absorbieren. Dafür hat eine Bank Kapital. Ich bin sehr zufrieden, dass wir die 6 Mrd. aufgenommen haben und damit arbeiten können. Denn der zweite Grund, Kapital zu haben, besteht darin, dass es einem erlaubt, Kontinuität zu wahren und nicht mit dem Wind gehen zu müssen, von Quartal zu Quartal.

…was früher zu Kritik an CS geführt hat.
Das ist Teil unserer Geschichte. Es ist nicht möglich, eine Strategie zu verfolgen, wenn man sich immer um das Kapital sorgen muss. Jetzt wollen wir zeigen, was Credit Suisse erreichen kann, wenn genügend Kapital vorhanden ist.

Dennoch gibt es eine Bardividende. Haben Sie Ihre Wachstumsambitionen gestutzt?
Ich gehe die Dinge sehr vorausschauend an. Wir wurden kritisiert, dass wir nur 40% des freien Betriebskapitals als Dividende ausschütten wollen. Doch wenn wir die Rate höher angesetzt hätten, müssten wir die Dividende kappen, wenn die Dinge schlecht laufen. Ich werde mir nicht selbst Fesseln anlegen. Diskussionen mit Investoren zeigten jedoch, dass sie Dividende als disziplinierendes Element schätzen. Denn das Management muss besorgt sein, Cash zusammenzukriegen. Ausserdem bieten wir wahlweise eine Aktiendividende. Der Mittelabfluss für die Barausschüttung wird relativ klein ausfallen.

Sie vertrösten die CS-Aktionäre bis 2018. Hat dies die Aktionärsstruktur verändert?
Die Kernaktionäre haben einen Zeithorizont von drei bis fünf Jahren. Natürlich gibt es auch Investoren, die den kurzfristigen Erfolg suchen. Das heisse Geld bestimmt den Aktienkurs. Langfristig bin ich von der Effizienz der Märkte überzeugt, kurzfristig nicht.

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