Aus Kohlenstoff lässt sich ein grüner Energieträger erzeugen. Die Herausforderung bleibt gross.
Kohlendioxid (CO2) hat einen schlechten Ruf. Der Rückstand aus organischen Verbrennungen ist die Hauptursache der vom Menschen verursachten Klimaveränderung. Denn die Moleküle sind wesentlich am sogenannten Treibhauseffekt beteiligt: In der Atmosphäre absorbiert das CO2 die von der Erde reflektierte Infrarotstrahlung, die Luft erwärmt sich und kann nicht entweichen. Die Temperatur auf der Erde steigt.
Dennoch gelangt Tag für Tag mehr CO2 in die Atmosphäre. Seit 1980 hat die Kohlendioxidkonzentration um ein Fünftel zugenommen, wie aus den Daten der US-Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA hervorgeht. Die Umweltdebatte dreht sich deshalb seit Jahrzehnten darum, wie man die weltweite CO2-Emission reduzieren kann.
Aber atmosphärisches Kohlendioxid ist nicht per se schlecht. Durch eine Umwandlung könnte es wieder als Energieträger genutzt werden. Die Idee dahinter ist einfach: Die Masse der Kohlenstoffatome auf der Erde bleibt stets konstant. Wenn Erdöl zur Energiegewinnung genutzt wird, gelangt Kohlenstoff aus dem Boden durch die Verbrennung im Motor oder in der Heizung in die Luft. Die Menge dieser Kohlenstoffemissionen beträgt 10 Mrd. Tonnen jährlich. An der Gesamtbilanz hat sich nichts verändert, aber in der Atmosphäre hat die höhere Kohlenstoffkonzentration Folgen.
Methanol als Lösung
Seit Jahrzehnten untersuchen Forscher, wie die Umwandlung vom Abfallprodukt CO2 zum Treib- und Brennstoff gelingen kann. Eine Lösung verspricht Methanol. Das chemisch betrachtet einfachste Alkoholmolekül (CH3OH) könnte aus Kohlendioxid und Wasserstoff synthetisiert werden. Es ist bei normalen Druckverhältnissen und Raumtemperatur flüssig.
Bisher wird Methanol aber vor allem aus dem Erdgas (Erdgas 3.15 -2.72%) Methan hergestellt und findet insbesondere in der Pharmaindustrie breite Anwendung. Aber auch Kunstfasern werden auf der Basis von Methanol hergestellt. Schon länger ist ausserdem bekannt, dass bei der Verbrennung von Methanol Energie frei wird, die effizient zum Heizen und zur Stromproduktion genutzt werden kann. Bereits in den 1970er Jahren fuhren in den USA gemäss Angaben der US-Behörde für Alternative Treibstoffe AFDC mehrere Tausend Fahrzeuge mit einem Methanolmotor.
Der Alkohol weist gegenüber Benzin und Diesel Vorteile auf. Einerseits geht die Verbrennung weniger schnell vonstatten, wodurch die Explosionsgefahr geringer ist. Andererseits gelangen deutlich weniger Schmutzpartikel in die Luft, denn Methanol wird in seiner Reinform verbrannt. Benzin und andere fossile Brennstoffe dagegen enthalten eine Vielzahl von zusätzlichen Stoffen. Zudem sind Umweltkatastrophen beim Transport von Methanol unwahrscheinlich. Der Alkohol bindet sich mit Wasser und wird so neutralisiert, ohne dass die Umwelt zu Schaden kommt.
Gleichzeitig könnte für Methanol grösstenteils die bestehende Infrastruktur verwendet werden. Da es wie Benzin und Heizöl in flüssiger Form transportiert und verbrannt wird, müssen weniger logistische Anpassungen gemacht werden als zum Beispiel für Energie aus Wasserstoff.
Tieferer Brennwert
Dennoch konnte sich der Alkohol neben den herkömmlichen fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle (Kohle 79.1 -1%) nie durchsetzen. Gründe dafür sind gemäss der AFDC vor allem der tiefe Preis der fossilen Energieträger und die Investitionskosten, die eine Umstellung auf Methanol mit sich bringt. Ein Faktor könnte aber auch der tiefere Brennwert des Methanols sein. Die Reichweite eines Autos würde sich bei der Verbrennung derselben Menge des Alkohols anstelle von Benzin etwa halbieren.
Zudem löste der Methanolmotor das Kohlendioxidproblem bisher nur in der Theorie. Denn durch die Herstellung aus Methan gelangt noch immer Kohlendioxid aus einem fossilen Brennstoff in die Atmosphäre. Methanol ist somit nicht klimafreundlicher als eine Gasheizung.
Einen neuen Ansatz schlug 2005 der ungarisch-amerikanische Forscher und Nobelpreisträger George Andrew Olah in einem Essay vor. Er propagierte, Kohlendioxid aus der Luft zu filtern, um daraus den Alkohol zu synthetisieren. Doch der Prozess blieb lange Zeit ineffizient und zu teuer. Es fehlte ein Katalysator.
Durchbruch gelingt
Erst im Januar 2016 gelang der Durchbruch. Forscher aus Kalifornien produzierten erstmals bei relativ tiefer Temperatur und damit deutlich günstiger Methanol direkt aus CO2 und Wasserstoffgas. Kürzlich meldete Innogy (IGY 35.77 0.18%), Tochter des deutschen Energiekonzerns RWE (RWE 15.78 0.13%), einen weiteren wichtigen Schritt: Es sei gelungen, mit einem Filter genügend atmosphärisches CO2 für die Methanolsynthese zu gewinnen. Dieses grüne Methanol ist klimaneutral: Durch die Verbrennung würde einzig das zuvor gebundene CO2 frei.
Der jüngste Erfolg darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Synthese grosse Mengen externer Energie benötigt. Laut Schätzungen von Silent Power, einem Schweizer Unternehmen, das sich der Energieproduktion aus Methanol verschrieben hat, werden für die Herstellung von 1 Kilogramm Methanol etwa 12 Kilowattstunden (kWh) Energie benötigt.
Der Alkohol selbst hat einen Brennwert von 5,5 kWh je Kilogramm. Das Zuger Unternehmen geht davon aus, dass in einem effizienten Kleinkraftwerk gut 43% der Ursprungsenergie nutzbar gemacht werden können. Zumindest um zu heizen, denn bei der Stromgenerierung werde nicht der ganze Wirkungsgrad ausgeschöpft.
Für die Produktion des grünen Methanols muss zudem eine Vielzahl von Faktoren erfüllt sein. Einerseits braucht es eine effiziente Anlage für die Synthese. Andererseits sollte das Kraftwerk in der Nähe von Wasser stehen, um über den nötigen Wasserstoff zu verfügen, und die erneuerbare Energie aus Überschüssen der Solar- oder Windstromproduktion beziehen.
Trotzdem erhält Methanol politische Unterstützung. Die Europäische Union hat in den letzten Jahren mehrere Projekte lanciert, um die Forschung und Produktion von klimaneutralen Energieträgern wie Methanol voranzutreiben. Auch in der Schweiz zeigt die Energiepolitik und -forschung in diese Richtung.
Konkrete Pläne zur Energiegewinnung sind noch in den Kinderschuhen, und die von Olah propagierte Methanolwirtschaft ist derzeit eine Vision. Aber der Alkohol könnte zukünftig an Bedeutung gewinnen, darauf deuten die wissenschaftlichen und politischen Bemühungen hin.
Methanol-Energie in der SchweizAuch in der Schweiz spielen klimaneutrale Energieträger eine wichtige Rolle bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen. Im März hat der Nationalrat die Regierung beauftragt, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Betreiber, Importeure und Hersteller von Fahrzeugen, die mit CO2-neutralen Treibstoffen betankt werden, reduzierte Emissionswerte angerechnet erhalten. Das freut hiesige Unternehmen, die bei der Energiegewinnung auf Methanol setzen.
Climeworks, ein Spin-off der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, gewinnt mithilfe eines wiederverwendbaren Filters atmosphärisches CO2 für verschiedene Zwecke. Der Prozess ist dank der tiefen Betriebstemperatur energiesparend, und die durchschnittliche Kohlendioxidkonzentration in der Luft ist ausreichend. Aus dem gewonnen Kohlendioxid kann unter Beigabe von Wasserstoff und mithilfe von erneuerbarer Energie klimaneutrales Methanol synthetisiert werden.
Silent Power aus Zug hat sich dagegen auf die kommerzielle Energiegewinnung aus Methanol spezialisiert. Das Unternehmen will in Kleinkraftwerken Strom und Wärme aus dem Alkohol herstellen und vertreiben. Dass dies möglich ist, zeigen die Testkraftwerke, die bereits in Betrieb sind. Die Vision von Gründer und Geschäftsleiter Urs A. Weidmann ist eine karbonneutrale Wirtschaft. Langfristig soll der Kreislauf durch die Verwendung von Methanol aus CO2 und erneuerbarer Energiequellen geschlossen werden. Derzeit stammt der Alkohol aber auch bei Silent Power noch aus der herkömmlichen Herstellung.
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