Der erste familienfremde Chef des Schreibgeräteherstellers Faber-Castell kommt aus der Markenwelt.
Daniel Rogger hat erst wenige Striche am Gesamtbild des von ihm geführten Unternehmens gezeichnet. Was wiegen schon sechs Monate als CEO gemessen an der 256-jährigen Geschichte von Faber-Castell? Dennoch setzt der bald 50-jährige Schweizer einen neuen Farbton: Er ist der erste familienfremde Chef des deutschen Schreibgeräteherstellers. Über acht Generationen hinweg entwickelten die Grafen von Faber-Castell den Bleistift- und Farbstiftspezialisten aus Stein bei Nürnberg zum Konzern mit 8000 Mitarbeitenden und 667 Mio. € Umsatz.
Es ist die lange Geschichte des Hauses, die Rogger fasziniert. Besonders erwähnt er Lothar von Faber, Urenkel des Gründers, der als Vertreter der vierten Generation das Unternehmen internationalisiert hat, sowie Anton Wolfgang, den 2016 verstorbenen Leiter aus der achten Generation. «Familienmitglieder leben die Marke», schätzt Rogger die Mitarbeit auch von Vertretern der nächsten Generation wie Charles Graf von Faber-Castell, der die Premiummarke leitet. «Durch die enge Familienbindung erhöht sich die Glaubwürdigkeit. Unternehmenskultur und Firmengeschichte sorgen für Authentizität», sagt Rogger.
In einem familiären Geschäftsumfeld und in der Welt der Marken fühlt sich der gebürtige Luzerner wohl. Das zeigt ein Blick auf frühere Karrierestationen. Nach einem Start in der Industrie im Controlling von GEC Alsthom wechselte Rogger zur damals von Nicolas G. Hayek patriarchalisch geführten Swatch Group (UHR 381.9 -1.27%). Für Tissot zeichnete er ab 1995 neben dem Controlling für Projekte verantwortlich, die ihn in die Sportwelt zur Formel 1 und zu den Olympischen Spielen in Atlanta führten. Es folgte der erste Auslandposten, als er mit nicht ganz dreissig Jahren Brand Manager in Hongkong wurde. Damals zählte das Vertriebsnetz in China erst dreissig Verkaufspunkte. Heute gehört die Region zu den wichtigsten Märkten Tissots.
Auf Roggers Asienerfahrung wurde 2002 Swatch-Rivale Richemont (CFR 87.6 -0.23%), ebenfalls im Familienbesitz, aufmerksam. Rogger baute während acht Jahren für die Uhrenmarke Jaeger-LeCoultre das Asiengeschäft auf. CEO Jérôme Lambert überzeugte ihn danach zur Rückkehr nach Europa, um die Verantwortung für das internationale Geschäft von A. Lange & Söhne zu übernehmen. In den letzten drei Jahren vor seinem Wechsel zu
Faber-Castell leitete der HSG-Absolvent den Brillenproduzenten Silhouette.
«Uhr, Brille und Schreibgerät sind alles emotionale Produkte», findet Rogger eine weitere Parallele seiner Karriere. Mit ihnen verbringe man viel Zeit und lasse sie nahe an sich herankommen, an die Haut. «Sie drücken die Persönlichkeit des Trägers aus und spiegeln seinen Gemütszustand.»
Für Faber-Castell sieht Rogger noch viel Potenzial, auch ohne Erweiterung der Produktpalette. «Alle drei Säulen haben gute Wachstumschancen, ein Grund zur Markenexpansion besteht nicht», sagt er. Stifte zum Zeichnen und Schreiben könnten in Asien, speziell in China, bekannter gemacht werden, meldet der Asienkenner seine Ambitionen an. In Südamerika ist Faber-Castell bestens etabliert. In Brasilien steht das grösste Werk, das jährlich 1,5 Mrd. Stifte produziert. Und dies CO2-neutral mit Holz aus eigenem Wald, der sich über 10 000 ha Fläche erstreckt. 1 Mio. Setzlinge karibischer Kiefern wurden dort seit den Achtzigerjahren gepflanzt.
«Die Liebe zum Detail und der Wunsch zur Nachhaltigkeit zeigt sich in unserer ganzen Produktionskette, vom Baum bis zum Bleistift», schwärmt Rogger. Für eine Marke sei es «essenziell, alle Produktionsschritte unter einem Dach zu haben». Um zu erfahren, wie Faber-Castell die Unternehmenskultur lebt, hat der CEO bereits dreizehn von fünfzehn Produktionsstätten besucht und in der Minenfertigung an der Maschine sowie in der Rohstiftherstellung gearbeitet.
Noch pendelt Rogger von Wien nach Stein, doch wenn nach der Tochter auch der Sohn das Elternhaus verlässt, ist ein weiterer Umzug angesagt. Im neuen Heim nicht fehlen darf ein Teppanyaki-Grill. Die darauf gezauberten Köstlichkeiten tragen Roggers kreative Handschrift. Wie für Familie und Gäste möchte er auch in seiner Arbeit für
Faber-Castell farbige Akzente setzen.
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