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04:57 Uhr - 05.04.2016

US-Grossbanken unter Beschuss

In den USA heizt sich die Too-Big-To-Fail-Debatte neu auf. Sogar Vertreter der US-Notenbank ziehen nun eine Aufspaltung systemrelevanter Finanzkolosse in Betracht.

Der Druck auf Grossbanken wie JP Morgan Chase, Bank of America und Citigroup wächst. Scharfe Kritik kommt dabei aus unerwarteter Richtung: Fed-Distriktnotenbankchef Neel Kashkari sagte an einer Konferenz in Minneapolis, dass er drastische Massnahmen wie eine Zerschlagung nicht ausschliessen wolle, um das Too-Big-To-Fail-Problem in den USA zu lösen.

“Wenn wir das Risiko, das von den grossen Banken ausgeht, wirklich in Angriff nehmen können, dann lassen sich möglicherweise die Auflagen für kleinere Institute lockern”, sagte Kashkari am Montag. Der eigenwillige Präsident des Fed-Distrikts Minneapolis hatte dazu hochkarätige Referenten nach Minnesota eingeladen, zu denen auch scharfe Kritiker der Branche zählen.

Anat Admati, Professorin an der  Stanford University, argumentierte, dass die bisherigen regulatorischen Massnahmen im Bankensektor bei weitem nicht ausreichen. Um eine neue Finanzkrise zu verhindern, brauche es wesentlich höhere Kapitalauflagen. Es geben keinen Grund dafür, warum sich Wallstreethäuser wie JP Morgan übermässig verschulden dürften, meinte Admati.

Beschränkungen und Verbote

Noch einen Schritt weiter ging Adam Posen, Präsident des Peterson Institute for International Economics, einer renommierten Denkfabrik aus Washington. Er plädierte dafür, dass man den Banken diejenigen Geschäfte verbieten müsse, die besonders hohe Risiken bergen. Simon Johnson, Professor am Massachusetts Institute of Technology, forderte, dass keine Bank grösser als 2% des Bruttoinlandsprodukts sein dürfe.

Mit einer öffentliche Fragerunde im Stil einer Bürgerversammlung schloss Kashkari das Programm am Montagabend ab. Dass gerade er sich so stark in der Too-Big-To-Fail-Debatte engagiert, überrascht. Als Präsident einer regionalen Zweigstelle des Federal Reserve hat er offiziell keinen Einfluss, was die Gesetzgebung für systemrelevante Finanzinstitute betrifft. Diese Aufgabe obliegt dem Gouverneursrat der US-Notenbank in Washington.

Hinzu kommt, dass Kashkari in Diensten von Goldman Sachs einst selbst in der Finanzbranche gearbeitet hat. Später spielte er im US-Schatzamt während der Finanzkrise eine wichtige Rolle, als es um die Rettung von Branchenkolossen wie Citigroup und AIG ging. Nach einer gescheiterten Kandidatur für das Amt des Gouverneurs von Kalifornien, trat er schliesslich Anfang Jahr die Leitung des Fed-Distrikts Minneapolis an.

Vorlage für den US-Kongress

Kashkari will in den kommenden Monaten weitere Veranstaltungen zum Thema Too-Big-To-Fail abhalten. Daraus sollen dann konkrete Vorschläge zur strengeren Regulation von Grossbanken resultieren, die er dem amerikanischen Kongress bis Ende Jahr unterbreiten wird. Sein Vorpreschen ist damit auch eine Kritik an der Finanzmarktreform Dodd-Frank, die Präsident Obama im Sommer 2010 feierlich in Kraft gesetzt hat.

Dass Too-Big-To-Fail in den USA ein heisses Thema ist, zeigt sich in den Vorwahlen. Bei den Demokraten hat sich Senator Bernie Sanders den Feldzug gegen Wallstreet zum Kernthema seiner Kampagne gemacht. Für Hillary Clinton erweist sich ihre Nähe zur Finanzbranche derweil als empfindlicher Schwachpunkt. Auch die republikanischen Kandidaten üben scharfe Kritik an den Grossbanken.

Investoren werden ungeduldig

Druck kommt nicht nur aus der Politik. Auf  Antrag des Investors Bartlett Naylor müssen sowohl JP Morgan wie auch Citigroup an der diesjährigen Generalversammlung über eine mögliche Aufspaltung abstimmen. Die Chancen, dass Naylor mit seiner Forderung durchkommt, sind zwar gering. Sogar Analysten des renommierten Investmenthauses  Keefe, Bruyette & Woods kommen jedoch zum Schluss, dass sich eine umfassende Reorganisation von Citigroup für Investoren attraktiv sein könnte.

“Die Bewertung von Citigroup bewegt sich noch immer nahe dem Tief der Finanzkrise”, heisst es in der Analyse von Keefe, Bruyette & Woods. “Wir glauben, dass Citigroup eine der wenigen global systemrelevanten Banken ist, die mit einer erfolgreichen Auftrennung bedeutenden Wert für die Aktionäre freisetzen könnte”, steht darin weiter. Eine solche Massnahme könne zu einer Kurssteigerung von mehr als 50% führen, rechnen die Branchenspezialisten vor.

Dürftige Quartalszahlen

Wie es mit der Too-Big-To-Fail-Debatte weitergeht, dürfte damit nicht zuletzt auch vom Geschäftsgang der Grossbanken abhängen. Kommende Woche warten die Branchenleader artet. Den Anfang machen kommende Woche die Branchenleader JP Morgan Chase und Wells Fargo als erste mit den Resultaten zum vergangenen Quartal auf. Bereits jetzt ist klar, dass vor allem die Resultate im Investment Banking äusserst dürftig ausfallen werden. Die schwachen Zahlen könnten somit Stimmen, die nach einer rigorosen Restrukturierung von Grossbanken rufen, zusätzliche Resonanz geben.

Aus dem Hauptsitz der US-Notenbank ist bislang keine offizielle Reaktion zur Neuauflage der Too-Big-To-Fail-Debatte gekommen. “Wir arbeiten an diesem Thema schon seit einigen Jahren und ich glaube, wir haben dabei sehr substanzielle Fortschritt gemacht”, sagte Fed-Chefin Janet Yellen Mitte März an ihrer letzten Pressekonferenz. Interessant wird vor diesem Hintergrund auch, wie der diesjährige Stresstest für US-Grossbanken ausfällt, zu dem die Resultate Anfangs Sommer erwartet werden.

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