Ob Versicherungen, Bonuszahlungen oder Eigentumsrechte: Die Forschungsarbeit von Oliver Hart und Bengt Holmström hat viele Anwendungen.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum Sie bei Ihrer Krankenkasse einen Selbstbehalt bezahlen müssen, bevor die Versicherung einspringt? Der Grund dafür sind Anreize: Muss ein Versicherungsnehmer einen Teil der Kosten selbst tragen, wird er nicht unnötig zum Arzt gehen.
Derartige Fragen beschäftigen die Kontrakttheorie in der Volkswirtschaftslehre. Sie denkt darüber nach, wie Verträge optimal gestaltet werden müssen, um bestimmte Ziele zu erreichen.
Harvard- und MIT-Ökonomen geehrt
Nun wurden zwei Ökonomen für ihre Forschungsarbeit im Bereich der Kontrakttheorie mit dem Wirtschaftsnobelpreis geehrt: der gebürtig aus Grossbritannien stammende Amerikaner Oliver Hart, Professor an der Harvard-Universität, und Bengt Holmström, finnischer Ökonom am Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Hart und Holmström teilen sich den Preis je zur Hälfte.
Das Nobelpreiskomitee in Stockholm erklärte am Montag: «Die Beiträge der Preisträger sind von unschätzbarem Wert, uns zu helfen, die Verträge und Institutionen im echten Leben wie auch die Fallgruben beim Aufsetzen neuer Verträge zu verstehen.»
Mit Interessenkonflikt umgehen
Die meisten Verträge sind von einem Interessenkonflikt begleitet. Etwa bei Arbeitsverträgen: Wird ein Arbeitnehmer bezahlt, egal, wie gut seine Leistung ist, wird er kaum das Bestmögliche für seinen Arbeitgeber herausholen.
Ein Mittel, um die Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinen, sind Bonuszahlungen. Bengt Holmström stellte 1979 in einem Aufsatz fest: Solche Zahlungen sollten sich an Ergebnissen orientieren, die Informationen über die Leistung des Arbeitnehmers liefern.
Nicht einfach Aktienkurs als Bonus-Vorbild
Ein Manager sollte demnach nicht einfach am Aktienkurs der eigenen Firma partizipieren. Mehr Informationen bietet, wie sich der Aktienkurs im Verhältnis zu dem anderer Unternehmen im selben Sektor entwickelt hat. Oder: Je zufälliger das Firmenergebnis ist, also nicht von der Leistung des Managers abhängt, umso weniger sollte ein Bonus bezahlt werden.
In den Achtziger- und Neunzigerjahren hat der heute 67-jährige Holmström zusammen mit anderen Ökonomen die Empfehlungen zur Messung von Managerleistungen verfeinert.
Der finnische Ökonom, ausgebildet in Helsinki und Stanford, beschäftigte sich mit der Frage, wie die Erfüllung verschiedener Aufgaben belohnt werden kann – oder wie die Performance eines Teams belohnt werden kann, ohne dass einzelne Angestellte zu Trittbrettfahrern werden und zu sehr von der Leistung anderer Teammitglieder profitieren.
Wenn nicht alles festgeklopft werden kann
Der 68-jährige, an der Cambridge-Universität ausgebildete Oliver Hart hat sich in seiner Forschungsarbeit um die Ausgestaltung unvollständiger Verträge bemüht. Dabei geht es etwa um die Frage, wie ein Vertrag strukturiert werden sollte, der nicht alle zukünftigen Eventualitäten abdecken kann.
Eng damit verbunden ist die Frage der Eigentumsrechte. Wie viel Rechte sollten Investoren gegenüber einem Unternehmer oder Manager haben?
Ein Ergebnis von Harts Forschung: Solange das Ergebnis stimmt, sollte ein Unternehmer frei entscheiden dürfen. Erst wenn sich die Lage verschlechtert, sollten Investoren Mitspracherechte eingeräumt werden.
Ein anderer Anwendungsfall ist, welche Dienstleistungen von privaten oder staatlichen Stellen angeboten werden sollten. Zwar können private Anbieter oft Kosten sparen und Prozesse effizienter machen. Doch Harts Schlussfolgerung war: Normalerweise wird von privaten Anbietern zu viel gespart. Die Qualität der Dienstleistungen sinkt.
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