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13:40 Uhr - 30.01.2015

Ein Freidenker als Finanzminister

Der unkonventionelle Wirtschaftsprofessor Yanis Varoufakis wurde zum Finanzminister Griechenlands ernannt. Er will das Land von seinen Schulden befreien – und danach wieder aus der Politik aussteigen.

Es ist eine positive Überraschung für alle, die einen altbackenen Marxisten als neuen Finanzminister Griechenlands erwartet hatten. Doch der Wirtschaftsprofessor Yanis Varoufakis ist sicherlich auch kein gläubiger Anhänger der gängigen Glaubensgrundsätze der Volkswirtschaftslehre. Die Fehler solcher Paradigmen «entlarvte» er nach eigener Aussage mit Lust während seines mehrjährigen Aufenthalts in den Achtzigerjahren in Grossbritannien. Er habe sich an den dortigen Universitäten, unter anderem Essex und Cambridge, «wie ein atheistischer Theologe in einem mittelalterlichen Kloster gefühlt».

Der unkonventionelle Ökonom muss sich nun schnell an die Politik gewöhnen. Bis zum 28. Februar muss die griechische Regierung mit der Troika – Europäische Union, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds – einen ersten Kompromiss gefunden haben, damit die nächste Hilfstranche ausgezahlt werden kann. Das wird schwierig: Die Regierung hat Kernforderungen der Troika wie Privatisierungen und die Entlassung von Beamten schon zurückgerollt.

Im Jahr 1987 ging es für Varoufakis von Grossbritannien nach Sydney. Die Wiederwahl von Margaret Thatcher sei unerträglich gewesen. In Australien lehrte er unter anderem Spieltheorie, die den Erfolg von Verhandlungsstrategien mathematisch erforscht. Das kann ihm bei den nun anstehenden Verhandlungen mit den Gläubigern Griechenlands sicherlich nützen. Seit seiner Zeit in Sydney besitzt der 53-Jährige auch die australische Staatsangehörigkeit.

Aus Australien «floh» er zurück nach Griechenland – wegen der für ihn inakzeptablen Politik des damaligen konservativen Premiers John Howard. Danach war er unter anderem Chefökonom des Computerspielproduzenten Valve. Das Unternehmen lässt seine Mitarbeiter frei entscheiden, woran sie arbeiten. Varoufakis erkannte damals: «Kapitalistische Unternehmen sind auf dem Weg des sicheren Aussterbens.» Postkapitalistische, dezentrale Organisationen würden folgen.

Varoufakis zeigt sich in Interviews trotz der unorthodoxen Ideen als Pragmatiker.  Sein Ziel sei es, wieder Vernunft in die Debatte um die Probleme Griechenlands zu bringen. Neuverhandlungen über die Schulden des Landes würden auf jeden Fall kommen, denn alle wüssten, dass der Schuldenstand Griechenlands nicht nachhaltig sei. Statt dem Land 2010 einen riesigen Kredit aufzuladen, hätten die Gläubiger Hellas in die Insolvenz gehen lassen sollen. Aber Angela Merkel habe lieber die eigenen Banken retten wollen, statt die Griechen von ihren Schulden zu befreien.

Nun müsse eine Lösung gefunden werden, die für ganz Europa Vorteile biete. Der Austritt Griechenlands aus der Eurozone – «Grexit» – sei keine Option: «Wenn immer ein ‹Grexit› ins Spiel gebracht wird, ist das zutiefst antieuropäisch und destabilisiert die Situation.» Die Folgeeffekte eines solchen Schritts seien nicht zu kontrollieren.

Erst seit Anfang Jahr ist der charismatische Wirtschaftsprofessor auf der politischen Bühne aktiv. Vor seinem Amtsantritt erklärte er, dass er Angst vor der Politik habe und froh wäre, möglichst früh in sein akademisches Leben zurückzukehren. Seinen populären Blog will er trotz seines Ministeramts weiterführen.

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