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14:57 Uhr - 12.01.2017

Trump lässt Pharmaanleger erschauern

Der künftige US-Präsident hält die Arzneimittelhersteller in der Preisgestaltung für skrupellos. Anleger reagieren verunsichert. Bei Experten im Fokus stehen nun neue Preismodelle für die Alterskrankenkasse Medicare.

Wird Donald Trump für die Pharmabranche vom Paulus zum Saulus? Das fragen sich Investoren seit der Pressekonferenz des künftigen US-Präsidenten vom Mittwoch nervös. Auch Kritik an PersonalpolitikDer künftige US-Präsident Donald Trump kritisierte die Pharmabranche in seiner Rede vom Mittwoch nicht nur wegen den hohen Preisen, die sie für ihre Medikamente verlangt. Auch monierte er deren Personalpolitik. «Die Branche versorgt uns zwar mit ihren Produkten, lässt sie aber im Ausland herstellen», sagte er. Damit schlägt er in dieselbe Kerbe wie zuvor bei Apple. Auch da kritisierte Trump dass der IT-Konzern in China und Vietnam produzieren lässt. Um den Unternehmen die Produktion in den USA schmackhaft zu machen, versprach Trump bereits im November Steuerrabatte und schlankere Gesetze. Die Aktien der grossen Arzneimittelhersteller wie Biogen (BIIB 287.11 -3.59%), Mylan, AbbVie und Bristol-Myers (BMY 56.8 -5.3%) Squibb haben allesamt zwischen 3,5 und 5% an Wert verloren. Auch die Schweizer Branchengrössen Novartis (NOVN 72.4 -2.75%) und Roche (ROG 235.5 -2.2%) notieren heute Donnerstag über 2% tiefer.

«Pharmaunternehmen gehen bei der Preisgestaltung von Medikamenten über Leichen», sagte Trump in seiner Rede. Deshalb wolle er die Preise der Arzneimittel neu verhandeln. Ist Trump, dem bislang verglichen mit seiner Wahlkampfkontrahentin Hillary Clinton eine freundlichere Haltung gegenüber Pharma nachgesagt wurde, also trotz allem ein Schreckgespenst für die Arzneimittelhersteller?

Experten wiegeln ab

«Es scheint unwahrscheinlich, dass Trump nun das gesamte Gesundheitssystem auf den Kopf stellt und landesweit neue Verhandlungsprozesse implementieren wird», schreibt Ronny Gal, Analyst bei Bernstein Research. «Das wäre äusserst schwierig zu bewerkstelligen und auch nicht zielführend», so sein Fazit. Das US-Gesundheitssystem ist hoch komplex. Es beruht weit stärker auf marktwirtschaftlichen Prinzipien als das europäische, und vor allem sind weit mehr Akteure daran beteiligt. All das auf den Kopf zu stellen, wäre wohl selbst für Trump zu viel.

Allerdings erachtet Gal spezifische Eingriffe durchaus als möglich. So könnte er beispielsweise Reformen bei den staatlichen Krankenkassen anstreben. Die Alterskrankenkasse Medicare zahlt jährlich rund 112 Mrd. $ für Medikamente. Das sind 26% der gesamten Ausgaben für verschreibungspflichtige Arzneimittel in den USA.

Gezielte Reformvorschläge sind so oder so bereits im Gang

Die zuständige Stelle für Medicare (CMS) prüft derzeit bereits ein neues Vergütungssystems bei den Ausgaben für Medikamente, die ambulant verabreicht werden dürfen. Für sie zahlte Medicare 2015 gemäss CMS insgesamt rund 8 Mrd. $. Das sind 7% der Ausgaben, die Amerikaner für verschreibungspflichtige pharmazeutische Produkte aufwenden. Seit 2007 sind diese Ausgaben im Schnitt jährlich 13% gestiegen.

Nach Aussagen der CMS sind die Kosten auch deshalb gewachsen, weil falsche Anreize in der Vergabe der Medikamente gesetzt wurden. So erhalten die Ambulatorien für ihre Arbeit heute per Gesetz eine Marge von 6% auf den bezahlten Preis eines Medikaments. Je höher der Preis, desto höher auch die Provision der Ärzte. Dieser falsche Anreiz soll nun durch einen Fixkostenbeitrag minimiert werden.

Doch nicht nur das ist der CMS ein Dorn im Auge. Sie will auch die Pharmakonzerne in die Pflicht nehmen und den Preis eines Medikaments stärker von seinem Nutzen abhängig machen. Zur Diskussion stehen deshalb indikationsbasierte Vergütungsmodelle und eine von Medicare festgelegte Vergütungsobergrenze je Arzneimittel.

Frage-Antwort-Spiel nach den Verlierern

Sollte sich Trump tatsächlich von solchen Vorschlägen überzeugen lassen, dürften das als Erste die Hersteller von Medikamenten gegen Krebs, gegen die Augenkrankheit AMD und gegen rheumatoide Arthritis spüren. Diese Arzneimittel werden in den USA häufig ambulant verabreicht. Zu den Unternehmen mit starkem Exposure in diesen Wirkstoffkategorien zählen unter anderem Roche, Novartis, Regeneron, Amgen (AMGN 156.62 -1.35%) und Merck (MRK 61.63 2.85%) Serono.

Noch ist unklar, wo und ob Trump überhaupt aktiv werden wird. Dennoch könnte er letztendlich zum Damoklesschwert für die Pharmabranche werden. «Was Anleger am meisten scheuen ist Unsicherheit und gerade die ist mit Trumps Aussagen gestern wieder aufgekommen», sagt Ivo Staijen, von der auf Healthcare-Anlagen spezialisierten Beteiligungsgesellschaft HBM Healthcare (HBMN 100.3 0.3%).

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