Wer ist der US-Bundesrichter, der sich in der Klage gegen die argentinische Regierung auf die Seite der US-Hedge-Funds geschlagen hat?
Am Montag ist der Zinstermin für argentinische Staatsanleihen verstrichen, ohne dass die Gläubiger bedient wurden. Bis zuletzt hatte Argentinien taktische Manöver unternommen, um das Urteil des US-Bundesrichters Thomas P. Griesa zu umgehen. Er hatte entschieden, dass Argentinien sämtliche Anleihenbesitzer fristgerecht bedienen muss – und nicht nur diejenigen, die sich an den skandalösen Umschuldungen in den Jahren 2005 und 2010 beteiligt hatten. Die Regierung stellt auf stur. Sie argumentiert, ihre Reserven reichten nicht, um alle Forderungen zu begleichen, und hat 532 Mio. $ an die Bank of New York Mellon überwiesen, um wohlgesinnte Gläubiger zu bezahlen.
Griesa durchschaute das Spiel. Am Freitag verbot er der Bank, das Geld auszuzahlen, bezichtigte Argentinien, sich «explosiv» zu verhalten, und veranlasste, das Geld nach Argentinien zurückzuschicken. Alles andere sei eine Missachtung des Gerichts. Nun ist eine dreissigtägige Nachfrist in Kraft getreten. Sie soll für Verhandlungen zwischen den Parteien – vier US-Hedge-Funds vs. Argentinien – genutzt werden, die am 7. Juli starten. Der 84-jährige Richter nimmt daran nicht mehr Teil, sondern hat einen Schlichter eingesetzt.
Thomas P. Griesa zählt zu den Urgesteinen der US-Justiz. Im Juni 1972 ernannte ihn Präsident Richard Nixon zum Richter am Bundesbezirksgericht für den südlichen Bezirk New York. Griesa war damals 41 Jahre alt und arbeitete in einer angesehenen New Yorker Kanzlei. Er ist Harvard-Absolvent.
In seiner mehr als vierzigjährigen Karriere fällte Griesa Urteile, die alle Facetten des privaten wie öffentlichen Lebens betrafen. Von der Klage der Sozialistischen Partei der USA gegen das FBI wegen illegaler Abhöraktionen über kolumbianischen Drogenschmuggel bis zum Plan der New Yorker Verkehrsbetriebe, mit Methadon behandelte Ex-Inhaftierte nicht einzustellen. Häufig befasste er sich mit Wirtschaftsdelikten. Angefangen mit dem Kollaps der Franklin National (NATN 82.05 0.92%) Bank 1974 von Michele Sindona, der wegen seiner Beziehung zur Mafia in Italien ins Gefängnis musste und dort Selbstmord beging.
Wer mit 84 Jahren noch jede Woche hochkomplexe Grundsatzurteile fällt, ist ein Workaholic. Ohne disziplinierte Arbeitsethik ist das trotzdem nicht möglich. Für Griesa gilt beides. Der Mann aus dem Mittelwesten (geboren in Kansas City) ist geradlinig, gläubig (Christian-Science-Mitglied) und hütet sich vor oberflächlicher Prominenz.
Zu Beginn der Neunzigerjahre schickte Griesa die Hotelbesitzerin Leona Helmsley, Ehefrau des Immobilien-Tycoons und Besitzers des Empire State Building Harry Helmsley, ins Gefängnis. Vorausgegangen war ein jahrelanger publizitätsträchtiger Prozess wegen Steuerhinterziehung, den die streitbare Milliardärin über alle Instanz zog. Am Tag des Urteils spielten sich im Gerichtssaal filmreife Szenen ab. Die Verurteilte, die bis dahin unverständig aufgetreten war – ihr Ausruf «Nur kleine Leute zahlen Steuern!» ist legendär –, versuchte in Tränen aufgelöst den Richter milde zu stimmen, damit er von einer Haftstrafe absieht. Griesa konterte mit den Worten: «It’s time for you to get realistic» und wandte das Gesetz an.
Nun ist es Zeit für Argentiniens Regierung, die Sachlage realistisch zu betrachten. Dieser Richter lässt sich nicht an der Nase herumführen.
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