Finanzchef Hirschi räumt seinen Posten. Strategische Weichenstellungen stehen an.
Es ist mehr als eine Personalie. Nach zwölf Jahren im Amt verlässt Finanzchef Michel Hirschi Ende September Meyer Burger (MBTN 0.617 -2.06%). Hirschi war der letzte Mohikaner im operativen Management des Unternehmens, der letzte Überlebende aus der Ära von Peter Pauli, dem langjährigen Konzernchef, der für Aufstieg und Fall des Solarspezialisten steht.
Die Rücktrittserklärung Hirschis fällt zeitlich mit der über die Medien geäusserten Kritik des Hauptaktionärs, des russischen Milliardärs Petr Kondrashev, und seiner Mitstreiter zusammen. Sie fordern seit Monaten den Rücktritt Hirschis wie auch des langjährigen VR-Präsidenten Alexander Vogel. Mit dem Abgang Hirschis ist nun ein Teil der Forderungen des russischen Investors erfüllt.
Zu grosser Druck
Meyer Burger will den Personalwechsel indes nicht als Reaktion auf diese Kritik verstanden wissen: «Die Neubesetzung des CFO-Postens hat nichts mit der medialen Berichterstattung oder dem laufenden SIX-Verfahren zu tun», sagt Hans Brändle, CEO von Meyer Burger, zu «Finanz und Wirtschaft». Gemäss dem Konzernchef ist der Nachfolgeprozess seit dem Frühjahr am Laufen gewesen, sonst hätte das Unternehmen nicht bereits den Nachfolger Hirschis, Manfred Häner, vorstellen können. Häner ist der ehemalige Finanzchef von CPH (CPHN 86 1.78%) Chemie + Papier.
Der Zeitpunkt von Hirschis Rücktritt ist dennoch kein Zufall. Trotz erfolgreichem Vorjahr steht Meyer Burger im laufenden Geschäftsjahr wieder unter grossem Druck. Wegen eines angepassten Solarsubventionsregimes im wichtigen chinesischen Markt ist die Anzahl Aufträge empfindlich zurückgegangen, trotz verbesserter Profitabilität.
Die Jahresziele wurden gesenkt. Das lokal stark verwurzelte Unternehmen musste den Produktionsstandort Thun schliessen. Zudem strengt die Börsenbetreiberin SIX ein Disziplinarverfahren gegen das Unternehmen wegen vermeintlich unsachgerechter Buchführung an. Die Aktien haben seit Jahresanfang über 60% verloren – ein perfekter Sturm. Vor diesem Hintergrund ist der Groll des russischen Hauptaktionärs, der über das Beteiligungsvehikel Elbogross bzw. eine segmentierte Verbandsperson 5,4% an Meyer Burger hält, nachvollziehbar.
Ob sich Kondrashev mit dem Abgang Hirschis zufriedengibt oder weiter auf den Rücktritt von Präsident Alexander Vogel beharrt, wollte ein Elbogross-Vertreter auf Anfrage nicht kommentieren. Fest steht, dass Vogel, der seit 1999 im Verwaltungsrat sitzt und seit Ende 2016 Präsident ist, in seiner Funktion bleiben und sein laufendes Mandat erfüllen will. Meyer Burger hebt hervor, dass Vogel an der Generalversammlung 2018 mit 96% der Stimmen gewählt wurde, auch von Elbogross. Konzernchef Brändle stellt sich persönlich hinter Vogel: «Ich habe in meiner strategischen Arbeit stets gute und wertvolle Unterstützung erhalten, auch seitens des VR-Präsidenten», sagt er.
Strategische Neuausrichtung
Die Elbogross-Vertreter stören sich aber nicht nur an Einzelpersonen – ausser Vogel sehen sie auch die Verwaltungsräte Wanda Eriksen-Grundbacher und Franz Richter kritisch –, sondern vermissen grundsätzlich eine strategische Neuausrichtung. Damit stehen sie nicht allein da. Die Zyklizität des (chinesischen) Solarmarktes schlägt bei Meyer Burger voll durch und schickt den Aktienkurs entsprechend neuen oder fehlenden Aufträgen jeweils auf Achterbahnfahrt. Der labile Geschäftsverlauf macht eine längerfristige Planung kaum möglich.
Konzernchef Brändle versucht seit Amtsantritt, der starken Zyklizität des Geschäfts Rechnung zu tragen. Mit den eingeleiteten Strukturmassnahmen und Portfoliobereinigungen soll Meyer Burger auch mit einem Umsatz von weniger als 300 Mio. Fr. profitabel arbeiten (Umsatz 2017: 473 Mio. Fr.). Diese Bemühungen sind notwendig, reichen aber nicht für eine strategische Perspektive oder gar einen Befreiungsschlag. Doch auch hier dürfte es bald Neuigkeiten geben. Am 16. Oktober will das Unternehmen über weitere Massnahmen informieren, um die «langfristige Profitabilität» zu sichern.
Verlagerung, Partnerschaft?
Diese Massnahmen könnten eine weitere Konsolidierung oder Verlagerung von Standorten in China oder Deutschland bedeuten. Aber auch eine weiter gehende strategische Entwicklung ist denkbar. Analysten der Credit Suisse (CSGN 14.515 -0.89%) mutmassen, Meyer Burger könnte eine Partnerschaft mit einem chinesischen Anbieter eingehen oder sämtliche Photovoltaikaktivitäten in eine chinesische Gesellschaft überführen. Darauf könnte das Unternehmen das Standbein im nicht solar-verwandten Geschäft stärken oder sich auf weniger kapitalintensive Bereiche wie die Smart-Wire-Zellverbindungstechnologie oder Systeme zur Qualitätssicherung konzentrieren.
Für welches Szenario sich der Verwaltungsrat entscheiden wird, ist offen. Für die Meyer-Burger-Führung wird es jedenfalls die Gelegenheit sein, strategische Weitsicht zu zeigen und die Kritik ihres Hauptaktionärs zu entkräften. Nur zwei Wochen nach Amtsantritt wird die Vorstellung des neuen Marschplans auch für den designierten CFO Manfred Häner, zur Feuertaufe. Er hat die Voraussetzungen, sie zu bestehen. Als ehemaliger Finanzchef bei Micronas (MASN 7.15 -3.77%) und CPH Chemie + Papier kennt er sich mit Turnaround-Situationen aus. Bis Klarheit über die geplanten Massnahmen herrscht, bleiben Anleger an der Seitenlinie.
Die komplette Historie zu Meyer Burger finden Sie hier. »
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