Der Elektrotechnik- und Automationskonzern übertrifft im dritten Quartal die Wachstumserwartungen. Den Wendepunkt will er aber erst 2018 setzen.
Schafft es der traditionsreiche Technologiekonzern ABB (ABBN 25.31 -0.04%) endlich, seine Wachstumsschwäche zu überwinden? Eine abschliessende Antwort geben die publizierten Zahlen zum dritten Quartal nicht. Auch CEO Ulrich Spiesshofer wagt sich nicht auf die Äste: «Wir befinden uns seit 2014 in einer tiefgreifenden Transformation, die wir im Dezember 2017 abschliessen werden», sagt er im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft». Er betont, dass erst 2018 das Jahr der «neuen ABB» sein werde.
Die Durchsicht der Quartalszahlen deutet indes bereits jetzt auf leicht anziehende Dynamik hin. Umsatz und Auftragseingang entwickelten sich mit einem Zuwachs von 8 bzw. 6% (in Berichtswährung Dollar) über Erwarten. Auch die Profitabilität kann ABB entgegen der Markterwartung nicht nur halten, sondern leicht steigern. Spiesshofer bemerkt in diesem Zusammenhang: «Unsere Marge wird noch immer von massiven Restrukturierungskosten belastet.»
Der CEO stellt Besserung ab kommendem Jahr in Aussicht. Der Markt reagierte deutlich positiv auf den Zahlenkranz. Im Morgenhandel avancierten die Aktien zeitweise über 3%. Sie notieren derzeit über der für sie psychologisch wichtigen Marke von 25 Fr. – einer Schwelle, die sie seit Jahren nicht haben knacken können.
Breit abgestütztes Wachstum
Das Wachstum kann sich auf verschiedenen Pfeilern abstützen. Im Berichtsquartal konnten drei von vier ABB-Divisionen ihren Absatz vergrössern. In Lokalwährungen wuchs der Umsatz mit Lösungen für industrielle Automation mit 15% am schnellsten, gefolgt von Robotics and Motion (10%) sowie den Elektrifizierungsprodukten (4%).
Nur die Verkäufe mit den zum Stammgeschäft gehörenden Anlagen für Stromnetze waren mit 2% rückläufig. Sie sind mit einem Umsatzanteil von rund 29% aber immer noch sehr wichtig für den Konzern. Spiesshofer führt die schwächere Performance in der Division auf die laufende Transformation und die daraus resultierende Projektauswahl sowie verzögerte Grossaufträge zurück.
Positiv hervorzuheben ist hingegen der Zuwachs beim Auftragseingang in der industriellen Automation (Umsatzanteil: 21%). Auch ohne den Beitrag der im Frühjahr akquirierten B&R konnten 14% mehr Aufträge verbucht werden. Zusammen mit der zugekauften B&R, die jetzt in den Büchern konsolidiert wird, gar 33% mehr.
Die Wachstumsbelebung ist über alle Regionen hinweg festzustellen, wobei die Dynamik in Europa (Umsatz +18%, währungsbereinigt 8%) am grössten ist. «In vielen Märkten ist die Kontraktion beendet, für 2018 gehen wir von einer verbesserten Wachstumsbasis aus», sagt der CEO.
Festzuhalten ist aber, dass ABB von bedeutenden Währungs- und Portfolioeffekten profitieren konnte. Der für den Konzern zuträglichen Währungsentwicklung bei der Berichtswährung US-Dollar dürfte rund die Hälfte des Umsatzwachstums zuzuschreiben sein. Um Währungseffekte bereinigt wuchs der Konzernumsatz nur noch 3%.
Gewohnt profitabel
Dank laufender Effizienzprogramme hat ABB die Profitabilität für gewöhnlich im Griff. Entgegen der Markterwartung, die im Quartal von stagnierenden Gewinnen ausging, konnte die Betriebsmarge (Stufe Ebita) gar um 10 Basispunkte auf 12,9% verbessert werden. Höhere Rohstoffpreise und der Aufwand für Transformationsprojekte wurden durch Einsparungen und Volumeneffekte kompensiert.
Der im Jahresvergleich schwächere US-Dollar spielt ABB auch hier in die Hände. Der Konzerngewinn, auch auf die Einzelaktie heruntergebrochen, blieb jedoch praktisch unverändert. Restrukturierungskosten schlugen hier negativ zu Buche.
Mit dem Ende September angekündigten Zukauf von GE Industrial Solutions für 2,6 Mrd. $ muss sich ABB eine restrukturierungsbedürftige, margenschwache Einheit einverleiben, was mit Blick auf die Gewinnentwicklung Anleger beunruhigen könnte. Spiesshofer relativiert: «Die Profitabilität wird kommendes Jahr in der Division Stromprodukte zurückgehen – das nehmen wir in Kauf. Auf Gruppenebene wird sich das jedoch nur marginal auswirken», versichert er.
Überhaupt bestehe der Wert dieser Akquisition nicht in den Wachstumsperspektiven, sondern hauptsächlich kostenseitig in den Synergien und der Geschäftsbeziehung mit GE, macht der CEO klar.
Ist das die Wende?
Der Konzern gibt auf Jahresbasis keine quantitativen Zielvorgaben heraus, sondern lediglich mittelfristig. An dieser Praxis will Spiesshofer festhalten. Demnach soll ABB bis 2020 ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 3 bis 5% erzielen, die Ebita-Spanne soll zwischen 11 und 16% betragen.
Entsprechend liest sich der qualitative Ausblick von ABB ähnlich wie im Vorquartal. Doch Spiesshofer versichert: «Der Ausblick ist positiver auszulegen als zuvor. Wir sind verhalten optimistisch, aber die politischen und ökonomischen Unsicherheiten sind nach wie vor beträchtlich», schränkt er allerdings gleich ein.
ABB wird gegenüber Investoren nicht müde zu betonen, dass 2017 ein «Übergangsjahr» ist. Trotz anhaltender Unsicherheiten seien aber in Europa und den USA positive makroökonomische Signale zu erkennen. In China werde weiterhin Wachstum erwartet. Ob das die Wende ist, wird sich wohl erst im Rückblick weisen.
Beschränktes Kurspotenzial
Gemäss den Analysten der Bank Vontobel (VONN 62.25 -1.19%) ist die positive Entwicklung der Basisaufträge jedenfalls ein Hinweis darauf, dass der «Wendepunkt» näher rücke. Auch Morgan Stanley (MS 50.77 0.47%) findet die Performance von ABB «ermutigend» oder zumindest genügend, um das Investoreninteresse für das kommende Jahr anzustacheln.
Fest steht, Wachstumsimpulse sind positive Nachrichten. Einer Verbesserung der Profitabilität steht angesichts des strikten Umgangs mit der Kostenbasis wenig im Weg. Doch mit einem für das kommende Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 und einem Kurs-Buch-Verhältnis von 3,9 sind die Aktien nicht günstig. Auf diesem Kursniveau ist das Potenzial derzeit beschränkt. Ein Trost ist die attraktive Dividendenrendite von 3,1%.
Die komplette Historie zu ABB finden Sie hier. »
Hat Ihnen der Artikel gefallen? Lösen Sie für 4 Wochen ein FuW-Testabo und lesen Sie auf www.fuw.ch Artikel, die nur unseren Abonnenten zugänglich sind.