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13:25 Uhr - 30.05.2016

Bankiervereinigung braucht frischen Wind

Kein Privatbankier mehr als Präsident, kein faktisches Vollamt mehr an der Spitze: Der Verband muss restrukturiert werden.

Gehässige Sitzungen, unüberwindbar scheinende Interessenkonflikte: In diesem Klima kürt die Schweizerische Bankiervereinigung in den nächsten Wochen ihren neuen Präsidenten als Nachfolger von Patrick Odier. Viele hoffen, der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz möge den Posten übernehmen und den Branchenverband gegen innen und aussen stärken. Auch andere Banker haben die notwendige breite Erfahrung und Persönlichkeit, zum Beispiel Barend Fruithof, der das Schweizer Geschäft der Bank Julius Bär (BAER 44.09 0.34%) leitet. Grossbanker kommen hingegen nach Ansicht der meisten Beobachter nicht in Frage.

Früher standen sich Bankiers und Politik nahe. Und irgendwie hatten die Banker auch einen Bezug zur Bevölkerung. Beides ist weitgehend verloren gegangen. «Heute ist die Bankiervereinigung sehr schwach», urteilt Thomas Aeschi. Der Zuger Nationalrat und SVP-Frontmann in Wirtschafts- und Bankenthemen bezieht seine Kritik sowohl auf das Präsidium wie auch auf die Lobbyarbeit der Geschäftsleitung. Fazit: Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) braucht mehr als einen neuen Präsidenten.

Zu aufwendig

«Die Vereinigung ist ein Restrukturierungsfall», sagt ein Spitzenmanager, der nicht genannt werden will. Wenn am Grundsatz festgehalten werden soll,  dass ein aktiver Banker das Präsidium besetzt, muss dieses mit einer schlagkräftigeren Geschäftsleitung unterstützt werden. Kaum ein Banker wird sich bis zu vier Tage die Woche ehrenamtlich für die SBVg einsetzen wollen, wie Patrick Odier es tat. Alternativ wäre der Posten vollamtlich zu besetzen – und zu bezahlen.

Odier hat ein Vorschlagsrecht für seinen Nachfolger; die Findungskommission besteht aus Urs Rohner, VR-Präsident der Credit Suisse (CSGN 14.05 -0.71%), Martin Scholl, Chef der Zürcher Kantonalbank, und Yves Mirabaud, leitender Partner der gleichnamigen Genfer Privatbank. Wahlgremium ist der neunzehnköpfige Verwaltungsrat der Bankiervereinigung. Er kann einen Präsidenten direkt aus seinen Reihen bestimmen oder aber jemanden, der zuerst von der Generalversammlung im September in den Verwaltungsrat berufen werden müsste.

Kein Romand mehr

Gemäss Governance-Regeln wird das Wahlgremium zwischen mindestens zwei Anwärtern entscheiden können. Offizielle Kandidaturen gibt es keine, aus dem Personalentscheid wird ein grosses Geheimnis gemacht. Traditionell wird der Posten von einem Privatbankier besetzt. Odiers Vorgänger war Pierre Mirabaud, davor war es Georg Krayer von der Bank Sarasin, die damals noch von den Partnern beherrscht war. Dass die letzten beiden Präsidenten aus der französischsprachigen Schweiz stammen, wird als einer der Gründe betrachtet, weshalb die Bankiers in der Deutschweiz und in Bern wenig zu melden haben. «Es soll kein Romand mehr sein», fordern etliche Exponenten.

Nicht nur aus diesem Grund bezweifeln manche Beobachter, dass sich erneut ein «Banquier privé» finden lasse. Denn es gibt solche immer weniger. Und die Institute sind heute finanziell und führungsmässig stärker gefordert als früher.

Auf Anfrage der FuW liess eine Sprecherin offen, ob die Privatbankenvereinigung einen Kandidaten stellen werde oder nicht. Die Vereinigung, fügte sie an, könnte als Präsidenten der SBVg auch Vertreter anderer Bankengruppen akzeptieren, «unter der Bedingung, dass es ein Banker ist und die internationale Dimension des Finanzplatzes repräsentiert».

Mit dieser Aussage wird der eklatante Gegensatz zwischen inlandorientierten und exportorientierten Instituten deutlich. Auch in der Findungskommission prallen die Interessengegensätze aufeinander. Inlandorientierte Banken – darunter auch grosse Kantonalbanken – fühlen sich in der Bankiervereinigung nicht wohl, ebenso wenig viele kleinere Vermögensverwaltungsbanken. Nach Zusicherung von Anonymität wird auf allen Seiten geschimpft: «In der SBVg sind die Grossbanken dominant», beklagen sich viele. «Dieser Verband bringt uns nichts», hört man von Vertretern kleinerer Institute. «Die grossen Institute wollen die kleinen mit den Monstergesetzen Fidleg und Finig aus dem Markt drängen», lautet der Verdacht. Einige spielen gar mit dem Gedanken, aus der SBVg auszutreten. Der Vorbehalt der Inlandbanken lautet: «Die Übernahme von EU-Recht dient einzig den Grossen und den Privatbanken, die sich den Marktzugang in Europa sichern wollen.» Gefahr wittern die Kantonalbanken: «Die Staatsgarantie könnte ein Opfer zur Erreichung des Marktzugangs sein. Die deutschen Landessparkassen mussten sie bereits abgeben», sagt ein Manager.

Integrationsfigur

Welche Rolle die Vereinigung spielen soll – Selbstregulierungsorganisation, Lobbygruppe oder Dienstleistungsbetrieb –, ist umstritten. Offensichtlich ist das Wie und Ob des Marktzugangs nach Europa der grosse Spaltpilz. Angesichts dessen erklingt der Ruf nach einer Integrationsfigur: Sie soll die Inlandbanken respektieren, das Private Banking verstehen und ebenso die Grossbanken, ohne ein Grossbanker zu sein. Ein Name, der immer wieder fällt, ist Pierin Vincenz. Ob der ehemalige Raiffeisen-Chef seine Mandate beschränken würde, um Dienst an der Banken-Allgemeinheit zu leisten, liess sich nicht eruieren. Der normalerweise redselige Bündner liess Anfragen unbeantwortet. Einen vergleichbar breiten Erfahrungsschatz besitzt Barend Fruithof, der früher für Raiffeisen und Credit Suisse gearbeitet hat und heute Schweiz-Chef von Julius Bär ist. Verbandserfahrung sammelte er als Präsident des Banken-Arbeitgeberverbands.

Ebenfalls ins Spiel gebracht wird Alexandre Zeller, der als Ex-Chef der Waadtländer KB heute die SIX präsidiert. Nachteilig für ihn ist vielleicht die Ungewissheit, ob die SIX in ein paar Jahren überhaupt noch schweizerisch sein wird, was abhängig ist von den Plänen der Grossbanken, die SIX-Hauptaktionäre sind. Boris Collardi, CEO von Julius Bär, würde sich vielleicht auch für den Posten bitten lassen. Allerdings ist der Manager sehr oft im Ausland.

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