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11:46 Uhr - 05.10.2018

FuW on air

«Finanz und Wirtschaft» war einst, für kurze Zeit, nicht nur lesbar, sondern auch hörbar: Trockene Wirtschaftsnachrichten und süffige Musik.

Wirtschaftsnachrichten «Made by FuW» am Radio: Wenige werden sich daran erinnern, dass es so was einst für kurze Zeit gab. Radio FuW – Infokanal hiess der Sender. Er war nur vier Wochen zu hören, im November 1989. Das war in der Nach-Beromünster-Ära, als der schweizerische Äther allmählich liberalisiert wurde.

FuW hatte schon im Dezember 1988 Wirtschaftsinformationen für das Radio Zürichberg geliefert. Der richtige Versuch von FuW war befristet. Auch das Ausstrahlungsgebiet während des Testlaufs – zur Bewerbung um eine frei werdende UKW-Frequenz – auf 101,8 MHz war beschränkt, auf den Grossraum Zürich (sowie, dank einer Kooperation mit Radio Pilatus, teilweise auf die Innerschweiz).

Radio FuW – Infokanal informierte, wie es der Name sagt. Ab 6 Uhr morgens bis 23 Uhr abends gab es halbstündlich oder stündlich Nachrichtenjournale, in erster Linie das Neuste von den Märkten, also was vom Vorabend an Wallstreet zu berichten war und wie sich Angebot und Nachfrage morgens am Aktienmarkt Tokio und tagsüber auf dem Parkett in Zürich und anderswo in Europa entwickelten.

Es gab aktuelle Einschaltsendungen und Finanzratgeber, dazu jeweils um 7 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr ein Magazin, gelegentlich mit Tagesinterview. Keine Gesprächssendungen, keine Telefonspiele, keine Musikmoderation. Dazwischen lief «unaufdringliche Unterhaltungsmusik, die vor allem nicht ständig von Gerede unterbrochen wird», schrieb der damalige Verleger Gerhart Isler dazu.

Märkte und Musik

Nach Programmschluss bis zum Wecken, sozusagen, strahlte Radio FuW – Infokanal Musik aus, von Dionne Warwick bis zu Elton John; Soul, Swing, Jazz und Blues, einfach «Easy Listening». Am Wochenende sendete Radio FuW jeweils ein reduziertes Programm mit Nachrichten und am Samstag mit dem FuW-Anlageberater.

Es ging dem Sender eben gerade nicht darum, «über jeden Furz, der irgendwo in der grossen Welt gelassen wird, zu berichten» – so schrieb Verleger Gerhart Isler damals eingängig. Der Spartensender Radio FuW – Infokanal lief denn auch in einzelnen Abteilungen von Banken und sogar in Warenhäusern als akustischer Background.

Die Sprecher sollten in erster Linie etwas vom Fachgebiet verstehen, nicht primär «lustig und unterhaltend» sein. Professionelles Sprechen sei bestimmt leichter, «als das heute so komplexe Gebiet der Wirtschaft, der Börse, der Kapitalmärkte» à fond zu kennen: «Die Kritik, dass diesen Nicht-Radioleuten gewisse Sprech- und Präsentationskenntnisse abgehen, wird durch deren Marktexpertise wettgemacht», schrieb Gerhart Isler. Immerhin wurden die FuW-Radio-Amateure stimmlich trainiert.

Programmleiter war Hanspeter Frey (HF), ein FuW-Mann damals wie heute. Als Radioprofi mit geschulter Stimme wurde u. a. Beat Hebeisen engagiert, der nachher lange Jahre für FuW schrieb, zudem eine Sprecherin von Radio Munot – sowie Walter Eggenberger, der kurz darauf «Anchorman» des TV-Nachrichtenmagazins «10 vor 10» und in dieser Rolle mit den Jahren als «Zeigefinger der Nation» bekannt wurde.

Die kleine Redaktion von sechs Personen wurde ergänzt durch zwei Disc Jockeys (einer davon hauptberuflich Jeansverkäufer, der andere Coiffeur). Die FuW-Radio-Crew werkelte auf engstem Raum und mit bescheidensten technischen Mitteln im Dachstock des damaligen FuW-Hauses an der Zürcher Weberstrasse.

«Hinter der Idee eines Wirtschaftsradios steckt die Ansicht, dass die Belange der Wirtschaft noch immer zu wenig diskutiert werden. Eine verstärkte Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Fragen ist aber nötig, da sie schliesslich jeden Einzelnen betreffen», erklärte Programmchef Frey damals. Radio FuW – Infokanal sei nicht bloss ein Börsensender: «Zwar liegt das Schwergewicht bei den Finanzmärkten, doch haben wir auch über andere Themen wie die neueste Lohnrunde, den Finanzplatz Schweiz oder Steuer- und Versicherungsfragen ausführlich berichtet.» Übrigens fiel just zu dieser Zeit die Berliner Mauer, was auch das kleine Team im FuW-Studio herausforderte.

Immerhin war es der Nachrichtenagentur SDA Mitte November 1989 eine Meldung wert, dass 80% der Schweizer gemäss einer Meinungsumfrage, in Auftrag gegeben von Radio FuW – Infokanal, «neben dem Teuerungsausgleich mit einer Reallohnerhöhung» rechnen: 55% erwarteten einen Zuwachs des Reallohns von 3 bis 5%, und 8% meinten sogar, dass eine Erhöhung um 10% angebracht wäre – selige Zeiten waren das.

Aphrodisierender Swing

Das Hörerecho, das seinerzeit noch per Brief einging, muss eindrücklich gewesen sein, und es war durchs Band aufmunternd. Ein Manager aus Schwerzenbach schrieb: «Endlich ist es gelungen, einen Nachrichtensender mit wertvollen Wirtschaftsinformationen für Geschäftsleute auf die Beine zu stellen!» Ein Leser aus Brugg meinte: «Warum reichst Du nicht über Zürich hinaus? Wir müssen von Radio und Fernsehen so vieles ertragen, das uns vorgesetzt wird. Nur für das, was uns und alles, was wir unterhalten, am Leben hält, die Wirtschaft, steht wenig Raum zur Verfügung.» Ein PR-Mann aus Zürich hoffte: «Dieses Konzept hat Zukunft und ich kann Ihnen nur wünschen, dass Sie Ihr Ziel, nämlich Ihren Sender definitiv zu etablieren, möglichst schnell erreichen.»

Eine achtzehn Jahre junge Studentin aus Adliswil lobte: «Seit Euer Programm im Radio läuft, ist nur noch die eine Frequenz eingestellt.» Ein Student aus Zürich jubelte: «Eure Idee ist super! Ich bin Wirtschaftsstudent und höre beim Selbststudium morgens oft euer Programm.» Eine Dame aus Zürich bemerkte: «Das Schweizer Radio (DRS 1–3) behandelt die Wirtschaft sehr stiefmütterlich und die Börse wie eine Aussätzige.» Ein grundsätzlich zufriedener Hörer aus Stäfa bemängelte: «Um 18 Uhr wäre es angezeigt, überhaupt alle Kurse sämtlicher gehandelter Schweizer Titel zu melden.»

Andere sahen es anders. Dass man sich unter verschiedenen Presseerzeugnissen mitunter selbst das Zahnweh nicht gönnt, ist eine alte Branchenmarotte. Der «Tages-Anzeiger» (damals noch keine Konzernschwester, doch das täte auch heute nichts zur Sache) hatte reingehört und schrieb eher säuerlich: «In der Tat: Todlangweilig ist dieses Radio. Wessen Herz nicht höher schlägt, wenn der Dow Jones Industrial, New Yorks prominentestes Börsenbarometer, innert dreissig Minuten sieben Punkte zulegt und Radio FuW dies pünktlich vermeldet, wird damit weder sein Liebesleben noch seinen Depotbestand verbessern können.» Der Verweis auf das Amouröse bezog sich anscheinend auf die Musik; der Artikel erwähnt den offenbar als aphrodisierend empfundenen Swing von Glenn Miller.

Immerhin rang sich der «Tagi» dann doch noch ein verquältes Lob ab auf die Leistung der Radio-FuW-Redaktion, namentlich auf einen Beitrag zur Erhöhung des Neuhypothekensatzes – aber eben, «…solche Sendungen sind die Ausnahme. Die Regel sind trocken vorgetragene Indexziffern von Börsen aus aller Herren Länder.» Der Journalist, der auch noch (mässig fachkundig) anfügte, die Beiträge des FuW-Radios hätten niemandem hohe Börsengewinne beschert – eine doch etwas vermessene Vorgabe, für so kurze Zeit –, kam angesichts beziehungsweise angehörs all dessen zum kategorischen Schluss, dass es ein spezifisches Wirtschaftsradio nicht brauche.

Kein Musikgehör in Bern

Besser als anmassende Verdikte der schreibenden Zunft (mitunter auch solche aus dem Hause FuW, wohlgemerkt) sind grundsätzlich immer diejenigen der Märkte. Doch dieses beste aller Entscheidverfahren durfte von Staates wegen nicht stattfinden. Die Gunst des in Teilen gerade eben doch an staubigen Marktindizes interessierten Publikums half nichts, der gute Draht der Unternehmensleitung zum zuständigen Bundesrat Adolf Ogi – von 1989 bis 1995 Chef des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements – ebenso wenig; die Gesetzgebung liess damals eine Dauerkonzession noch nicht zu. Ogis Nachfolger Moritz Leuenberger, dessen Herz eher kaum für Investorenthemen schlug, konnte dann welche vergeben; 1996 erhielten Radio 24 und Radio Z die Zulassung, doch vier andere Projekte, darunter Radio FuW, fanden beim Magistraten keine Gnade.

Radio FuW – Infokanal bleibt eine Episode, es wurde definitiv nichts aus dem Spartenfunk für die deutschsprachige Schweiz, von Bern bis St. Gallen, von Basel bis Luzern. Heimatschutz für die DRS-Kanäle, die auch begannen, Wirtschafts- und Börsenthemen zu entdecken? Man weiss es nicht. Der FuW-Sender war nur kurz on air, richtige Strahlkraft durfte er nie entwickeln. Eigentlich schade.

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