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09:01 Uhr - 07.06.2017

Emmanuel Macron steht vor nächstem Erfolg

Der französische Präsident braucht eine Mehrheit im Parlament, um machtvoll regieren zu können. Nun zeichnet sich ein Wahlsieg seiner Bewegung ab.

Dem frisch gewählten französischen Präsidenten Emmanuel Macron könnte bei den anstehenden Parlamentswahlen der nächste Coup gelingen. So zeichnet sich derzeit ein deutlicher Wahlsieg für seine Bewegung La République En Marche (LREM) ab.

Sollte sie tatsächlich eine Mehrheit im Parlament gewinnen, wird es für Macron bedeutend einfacher, seine Agenda durchzusetzen.

Eher schwierig ist die Ausgangslage für den Front National, dessen Vorsitzende Marine Le Pen immerhin in der Endrunde der Präsidentschaftswahlen stand. Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass die Partei zu einer starken Kraft im Parlament wird. Dennoch dürfte sie ihre Sitze ausbauen.

Balance-Akt zahlt sich aus

Die Wahlen zur Nationalversammlung in Frankreich (Assemblée Nationale) finden am 11. und am 18. Juni statt. Insgesamt sind 577 Sitze zu vergeben, einer für jeden Wahlkreis. Gemäss aktuellen Umfragen will knapp ein Drittel für LREM oder die Mouvement Démocrate stimmen. Deren Parteivorsitzender François Bayrou hat angekündigt, mit Macrons Bewegung zusammenzuspannen. Vereint könnten die beiden Kräfte 395 bis 425 Abgeordnete ins Parlament schicken, berechnet das Umfrageinstitut Ipsos. Für die absolute Mehrheit reichen 289 Sitze aus.

Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament haben Konsequenzen für die Ernennung des Premierministers, denn der muss von den Abgeordneten bestätigt werden. Fehlt dem Staatsoberhaupt die Parlamentsmehrheit, wird die Opposition ihren eigenen Kandidaten durchsetzen. Es kommt zur Cohabitation: Präsident und Premier gehören verschiedenen Parteien an. Blockaden innerhalb der Regierung sind dann programmiert.

Dieses Szenario dürfte Macron erspart bleiben. Er hat nach seiner Wahl den Republikaner Édouard Philippe als Premier berufen. «Die Ernennung von Philippe war der vielleicht cleverste Entscheid von Macron», meint Bill Witherell, Chefökonom der Investmentgesellschaft Cumberland Advisors. Philippe ist ein erfahrener Politiker und gilt in der Republikanischen Partei als gut verankert. «Macron braucht die Unterstützung der Republikaner, um seine ehrgeizigen Pläne umzusetzen», erklärt Witherell.

Die Wahl des Premierministers spiegelt Macrons Bemühung, eine politisch ausgewogene Regierung zu bilden. Rund die Hälfte der Kandidaten, die für LREM in die Parlamentswahlen ziehen, hatte noch nie ein politisches Amt inne. Die erfahrenen Anwärter stammen sowohl aus den gemässigten linken Parteien, wo Macron seine Wurzeln hat, als auch aus dem Mitte-rechts-Lager. Frauen und Männer halten sich ungefähr die Waage, und mit einem Durchschnittsalter von 46 Jahren sind sie deutlich jünger als die bisherigen Abgeordneten.

Trotz der guten Umfragewerte ist der Wahlsieg von LREM aber keineswegs gesichert. Die noch junge politische Bewegung und die teilweise unbekannten Anwärter schaffen eine unsichere Ausgangslage. Überraschende Wendungen dürften damit wahrscheinlicher sein als in vorherigen Parlamentswahlen.

Im Ausland hat das Kandidatenfeld  freilich schon überzeugt. So haben die Auslandfranzosen bereits am vergangenen Wochenende gewählt. Von den elf zu vergebenden Sitzen gehen in der ersten Wahlrunde zehn an LREM. So auch im Wahlkreis Schweiz/Liechtenstein, wo Joachim Son-Forget in Führung liegt. Der Grossteil der angehenden Parlamentarier muss aber ein zweites Mal antreten. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Wahlbeteiligung unter dem vorgeschriebenen Schwellenwert von 25% lag.

Front National in Bedrängnis

Weniger gut sind die Erfolgsaussichten des rechtsextremen Front National. Im Mai hat Chefin Marine Le Pen in der Stichwahl um die Präsidentschaft rund ein Drittel der Stimmen geholt. Das französische Wahlsystem macht es für radikale Parteien allerdings schwierig, Sitze im Parlament zu gewinnen. So dürften im ersten Wahlgang 18% der Franzosen für einen Abgeordneten des Front National stimmen. Dennoch erwartet Ipsos, dass die Partei höchstens fünfzehn Parlamentssitze gewinnen wird. Derzeit ist sie mit zwei Abgeordneten vertreten.

Wie schon in den Präsidentschaftswahlen wird der Front National in der zweiten Wahlrunde den Widerstand der übrigen Parteien zu spüren bekommen. So wollen sowohl LREM als auch die Republikaner, die als zweitstärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorgehen dürften, eigene Kandidaten zurückziehen, wenn damit ein Sitzgewinn des Front National verhindert werden kann. Mit der Einigung auf einen gemeinsamen Vertreter soll die Zersplitterung der Stimmen vermieden werden, die bei drei oder vier Kandidaten in der Endrunde droht.

Die Chancen stehen damit gut, dass Macron lediglich ein Jahr nach der Gründung von En Marche mit einer stabilen Mehrheit im Rücken in seine erste Amtszeit als Präsident starten kann.

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